Nicht nur an der Berlinale und in Locarno sind Ausdauerfilme zu bewundern, auch das Zurich Film Festival schmückt sich mit Geduld fordernden Werken. In Cannes wurde der kasachische Film «Tulpan» mit dem Prix Un Certain Regard ausgezeichnet. In Zürich erhielt das bedächtige Drama von Sergei Dwortsevoj, in dem auch Geld aus der Schweiz und Deutschland steckt, die Auszeichung für den besten Spielfilm.
Als der Matrose Bulat seinen Militärdienst beendet hat, zieht er zur Familie seiner Schwester in die kasachische Steppe, um Schafhirte zu werden. Zuerst möchte er eine Frau finden, doch die sind in der Einöde eher selten gestreut. So setzt er seine Hoffnungen auf Tulpan, die er zwar nie zu Gesicht bekommt, von der er aber sofort verzaubert ist. Nur findet sie seine grossen abstehenden Ohren völlig unakzeptabel.
So kommt es vorläufig zu keiner Hochzeit. Als dann Bulat erfährt, dass er ohne Frau in der «Steppe des Hungers» keine Schafherde erhält, bringt ihn das langsam zur Verzweiflung. Zudem wird der Schwager immer unzufriedener mit dem zusätzlichen Gast und dessen Arbeit. Für zusätzliches Kopfzerbrechen sorgen die Schafe, die in letzter Zeit alle Lämmer tot zur Welt bringen.
Sergei Dwortsevoj hat ein vorzügliches Auge für die Landschaften und Menschen. Die Wahl der Einstellungen liefert immer wieder traumhafte Momente. Das passt auch zum Thema des Films, der von unerfüllten Träumen der modernen Gesellschaft handelt. Anstatt dem Leben in der Stadt zieht Bulat zwar die Einsamkeit der Steppe vor, wünscht sich aber trotzdem ein grosses Haus und eine Satellitenschüssel, um 900 Fernsehsender zu empfangen.
Die Zivilisation ist weit entfernt von den Schafen, Dromedaren und Jurten in der Steppe, wo der Tagesablauf immer noch von der Tradition geprägt ist. Doch die Verlockungen dringen immer wieder in die Handlung ein, sei es durch Bilder aus Magazinen, teure Süssigkeiten oder dem Kassettenspieler im Traktor des Händlers Boni, aus dem stetig «Rivers Of Babylon» von Boney M. scheppert. So ist «Tulpan» auch ein Dokumentarfilm vom kargen Leben in der Steppe von Kasachstan.
«Tulpan» fordert vom Publikum allerdings auch eine angemessene Portion Beharrlichkeit. Dwortsevoj passt sich ganz dem Rhythmus seiner Figuren an. Wenn die Geburt eines Schafes fünf Minuten dauert, dann wird dieses Ereignis auch ungeschnitten fünf Minuten gezeigt. Zudem strapaziert Dwortsevoj die Geduld auch durch zu viele und vor allem zu gemächliche Wiederholungen. So fühlen sich die 100 Minuten wie ungefähr drei Stunden an. Wenn der Film nur 80 Minuten dauern würde, wäre er vermutlich noch deutlich beglückender.
Fazit: «Tulpan» ist ein langatmiges Drama, das durch sorgfältig konstruierte Bilder und eine tüchtige Menge an Authentizität überzeugt.
Bewertung:
Also ich fand den Film super, als ich ihn am letzten Filmfestival in Zürich sah.