«Der Baader-Meinhof-Komplex» von Uli Edel (Blu-ray)

«Der Baader-Meinhof-Komplex»

Ich war noch nicht einmal geboren, da sassen die Anführer der Roten Armee Fraktion (RAF) bereits im Gefängnis, und Ulrike Meinhof war schon zu acht Jahren Freiheitsstrafe verurteilt worden. Als Spätgeborener kann ich mir nur schwer vorstellen, dass Deutschland in den 70er-Jahren von kaltblütigen Terroristen bedroht wurde. Die wuchtige Nachstellung in «Der Baader-Meinhof-Komplex», der Verfilmung des Sachbuchs von Stefan Aust, macht diese bewegte Epoche erlebbar.

Im Film werden die Taten der RAF nicht erklärt. Es wird auch gar nicht versucht, sie zu begreifen. So ist auch die Aussage von Produzent und Drehbuchautor Bernd Eichinger im Presseheft zu verstehen, wonach «sich Menschen nicht über das definieren, was sie sagen, sondern über das, was sie tun.» Der Film «Der Baader-Meinhof-Komplex» ist nämlich nicht der Versuch einer psychologischen Ergründung des deutschen Terrors, sondern einfach ein Anschauungsbeispiel oder wie Eichinger auf der Blu-ray-Disc erklärt, eine Annäherung an eine «mögliche Wahrheit».

Moritz Bleibtreu und Johanna Wokalek in «Der Baader-Meinhof-Komplex»Zwei Ereignisse werden als Auslöser für die Radikalisierung der Gruppe um Andreas Baader (Moritz Bleibtreu), Gudrun Ensslin (Johanna Wokalek) und Ulrike Meinhof (Martina Gedeck) geschildert. Da ist einerseits die Polizeigewalt bei den Demonstrationen gegen den Besuch des Schahs von Persion am 2. Juni 1967, die in der Erschiessung des Studenten Benno Ohnesorg vollständig eskaliert. Andererseits wird wenig später Rudi Dutschke von einem möglicherweise durch die Hetze des Alex Springer Verlags aufgewiegelten Kommunisten-Hassers angeschossen. Diese Taten bewegen die erste Generation zum bewaffneten Widerstand gegen die Staatsgewalt.

Die folgende Chronologie mit Bombenanschlägen, Attentaten, Verhaftungen, Entführungen und Gerichtsverhandlungen, die in «Der Baader-Meinhof-Komplex» bis zur Entführung eines Flugzeugs der Lufthansa nach Mogadischu und der Ermordung des gekidnappten Hanns-Martin Schleyer führt, lässt sich auch an anderer Stelle nachlesen. Regisseur Uli Edel reiht die Taten in hartem Takt aneinander, stellt die Szenen erbarmungslos meist an Originalschauplätzen nach und zeigt, wie sich Terroristen und die junge Republik gegenseitig zu immer mehr Gewalt antreiben.

«Der Baader-Meinhof-Komplex»Handwerklich ist die Umsetzung solide, professionell. Einige Schnitte sind jedoch einfach scheusslich. Als Beispiel ist die Erschiessung von Jürgen Ponto besonders stark aufgefallen. Möglicherweise hat Edel aber sogar beabsichtigt, dass diese brutalen Szenen nicht ganz nach den üblichen Normen des Kinos formiert werden, sondern durch unbequeme Inszenierung aufrütteln. So lässt sich auch die schnörkellose Kameraarbeit erklären. Laut Aussage im Presseheft bestand das Regiekonzept von Edel in der Vermeidung der Regeln des Genrekinos, also «auch keine gezirkelten Kamerafahrten oder ausgefallene Kamerapositionen.» Auf der Blu-ray-Disc spricht Edel von einer semi-dokumentarischen Inszenierung.

Wurde auf der Bildebene weitgehend auf die Steuerung der Emotionen verzichtet – sofern davon ausgegangen wird, dass die Brutalität nicht abschreckt –, so sind inhaltlich und vor allem auf der Tonebene zahlreiche Lenkungsversuche zu erkennen. Besonders plakativ wirkt in dieser Hinsicht gleich zu Beginn des Films die Verfolgung der Demonstranten beim Besuch des Schahs von Persien. Hoch zu Ross prügeln die Polizisten auf die flüchtenden Personen ein und dazu ertönt hetzende Musik von Peter Hinderthür und Florian Tessloff. Das erinnert unweigerlich an Lieutenant Kilgore und seine Helikopter, die zu Klängen von Wagner die Küsten von Vietnam bombardieren.

Unvermeidbar ist die plakativ Auseinandersetzung zwischen den Medien und den Wortführern der RAF. So betont Meinhof: «Der Typ in Uniform ist ein Schwein, das ist kein Mensch». Edel und Eichinger versuchen weitgehend, eine solche Schwarzweiss-Zeichnung zu vermeiden. Als einzige Vernunftsperson darf Bruno Ganz («Der Erfinder», «Messer im Kopf») in der Rolle von Horst Herold, dem Präsidenten des Bundeskriminalamtes, besonnene Worte in den Mund nehmen. So spricht er etwa von der Ignoranz als Nährboden des Terrorismus. Er möchte nicht einfach die RAF vernichten, sondern ihr vielmehr den Rückhalt entziehen, sie sogar verstehen.

Martina Gedeck in «Der Baader-Meinhof-Komplex»Erfüllt der Film den von Martina Gedeck im Pressehft formulierten Anspruch, die Legendenbildung zu zerstören, und die Geschichte der RAF stärker in die Realität zu rücken? Das hängt vermutlich mit der eigenen Sichtweise der Ereignisse und der Produktion des Films zusammen. Wer die Anführer der RAF als Helden des Sozialismus feiert und Eichinger als Lakaien des Kommerz verachtet, wird kaum viel Freude an «Der Baader-Meinhof-Komplex» haben. Alle anderen, vor allem auch die Spätgeborenen, erleben eine erschütternde Auseinandersetzung mit Gewalt in der Demokratie. Bleibt noch zu erwähnen, dass Gedeck einmal mehr überragend spielt. Moritz Bleibtreu schreit hingegen meist ein wenig zu aufgeregt durch die Gegend.

Die Tonqualität der Blu-ray-Disc ist makellos. Auch die Bildqualität ist hochstehend. Einzig bei einigen schnellen Bewegungen ist leichte Pixelierung etwas störend. Wie sorgfältig Eichinger und Edel an das Thema des Films herangegangen sind, wird durch das ausführliche Bonusmaterial auf der Blu-ray-Disc (auch auf der «Premium Edition»-DVD vorhanden) ersichtlich. Insgesamt sind acht, fast 3 Stunden dauernde Beiträge in High Definition enthalten.

Die Beweggründe und Überlegungen hinter der Umsetzung werden in «Die Entstehung des Films» (28 Minuten) am intensivsten diskutiert. Edel über die Darstellung der Figuren: «Es war die Idee, dass sich das Publikum identifizieren kann, aber nur bis zu einem gewissen Punkt.» Über die oberflächlichle Detailtreue (Ausstattung, Kostüme, Maske) berichtet der Beitrag «Über Authentizität» (20 Minuten). Von besonderem Interesse sind aber sicher die Ausführungen von Stefan Aust (42 Minuten).

Erklärt wird auch, was sich die Komponisten und Filmemacher beim übermässig dominanten Einsatz der Musik überlegt haben (12 Minuten), der Edels Anspruch der semi-dokumentarischen Inszenierung vollkommen entgegenläuft. Der Regisseur führt dann auch noch auf dem Audiokommentar durch den Film und berichtet gleich zu Beginn, das 75 Tage gedreht wurde und das Budget ungefähr 20 Millionen Euro betrug. Danach erweist sich Edel jedoch als eher spärlicher Sprecher, der sich manchmal auch in Banalem verliert. Der Audiokommentar ist der einzige kleine Schwachpunkt des ansonsten hochkarätigen Bonusmaterials.

Bewertung: 5 Sterne
Bildqualität (Blu-ray): 5 Sterne
Tonqualität (Blu-ray): 6 Sterne
Bonusmaterial (Blu-ray):
6 Sterne

(Bilder: ©Constantin Film)

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