Locarno 09: «Les derniers jours du monde»

Mathieu Amalric in «Les derniers jours du monde»

Tout est possible avec toi.

Fröhlich bumsend geht die Welt unter. So ähnlich wird es zumindest im absurden Endzeit-Thriller «Les derniers jours du monde» von den Brüdern Arnaud und Jean-Marie Larrieu geschildert, der am Sonntagabend auf der Piazza Grande in Locarno als Weltpremiere gezeigt wurde. Mathieu Amalric («Le scaphandre et le papillon») irrt als liebesverwundeter Robinson auf der Suche nach seiner Insel durch Frankreich und Spanien.

«Les derniers jours du monde» spielt auf zwei Zeitebenen. Einerseits sucht Robinson Laborde (Amalric) in einer von Viren und Krieg bedrohten Welt nach ein wenig Ruhe in Biarritz. Die findet er dort allerdings nicht. Das Wasser ist verseucht und ab und zu liegt eine Leiche mit Schaum vor dem Mund auf dem Boden. So bricht er auf, um seine Geliebte Laetitia (Omahyra Mota) zu finden, wegen der er vor dem Chaos seine Frau (Karin Viard) verlassen hatte.

In der zweiten Ebene erinnert sich Robinson an die Zeit vor den Katastrophen, als er sich in die flatterhafte Laetitia verliebte. Robinson liess sich von seiner Lust treiben. Das Glück war jedoch nur von kurzer Dauer. Irgendwo dazwischen hat er seinen rechten Unterarm verloren. Als das Ende immer unausweichlicher wird, entschliesst sich Robinson dem Rat seiner Tochter (Manon Beaucoin) zu folgen und beginnt eine Reise nach Saragossa.

Auf seiner Pilgerreise begegnet Robinson zahlreichen seltsamen Figuren. Da ist zuerst einmal Ombeline (Catherine Frot), die Geliebte seines Vaters, die unterwegs von ihrem Mann verlassen wird und sich Robinson an den Hals wirft. Auf einer eigenartigen Mission ist auch Robinsons Freund Théo (Sergi López), ein Sänger, der vor vielen Jahren ein Verhältnis mit einer Marquise (Sabine Azéma) hatte. Sie hat ihm nun mitgeteilt, dass aus der Beziehung eine Tochter (Clotilde Hesme) stammt, mit der er nun schlafen solle, damit die Welt gerettet wird.

Catherine Frot und Mathieu Amalric in «Les derniers jours du monde»

Ich bin mir nicht wirklich sicher, ob ich schon einen ungewöhnlicheren Endzeit-Film gesehen habe. «Les derniers jours du monde» ist näher an «Eyes Wide Shut» als zum Beispiel an «Children of Men». Ein Mann wird von seinem triebhaften Verlangen durch eine bedrohliche Welt getrieben. Oder wie es Regisseur Arnaud Larrieu ausdrückt: «Son objectif est son désir.» Die Szenen sind teilweise so bizarr, dass sie nicht wirklich bedrohlich, sondern eher amüsant sind. Als etwa Robinson alleine mit einem Wohnmobil unterwegs ist, sitzt plötzlich eine kleine Eule neben ihm.

So viel nackte Haut habe ich ziemlich sicher noch nie in einem Endzeit-Film gesehen. Auch wenn sich Robinson an der Orgie in einem Schloss nicht beteiligt, so landet er dennoch mit vier Frauen im Bett. Allerding trifft diese Bezeichnung nicht wirklich zu. Einzig mit seiner Geliebten Laetitia hält er sich im Bett auf. Das kurze Vergnügen mit Ombeline findet stehend statt, der unterbrochene Cunnilingus mit seiner Ex-Frau am Boden eines Hotelzimmers. Die letzte Frau berührt er zwar in einem Bett, aber sie stirbt sofort. Die sexuellen Triebe werden also auch in einer zügellosen Endzeit nicht immer erfüllt.

Clotilde Hesme und Mathieu Amalric in «Les derniers jours du monde»

Die Inszenierung der Endzeit ist äusserst simpel. Hier und dort ein paar Männer in gelben Anzügen, ein wenig gelbes Wasser aus der Leitung, Explosionen und Schüsse auf der Tonspur. Für die Regisseure Arnaud und Jean-Marie Larrieu stehen ganz klar die Figuren und die Handlung im Vordergrund und nicht irgendwelche knalligen Effekte. Für Massenszenen bedienen sie sich auch realen Ereignissen, wie der Stierhatz in Pamplona.

Obschon der Film ein Zukunftsszenario vorstellt, ist er fest in der Gegenwart verankert. Noch einmal Arnaud Larrieu: «C’est un film d’aujourd’hui qui montre que nous vivons en pleine science-fiction.» Die Bedrohungen entstammen dann auch aus alltäglichen Zeitungsberichten. Ein Virus, die Ukraine und Bagdad werden erwähnt, mehrmals auch nukleare Raketen. Durch die Aktualität, die überraschenden Wendungen und unverbrauchten Schauplätze ist «Les derniers jours du monde» trotz leichter Überlänge eine stimulierende Dystopie.

Fazit: «Les derniers jours du monde» ist eine faszinierende Betrachtung der (vielleicht) bevorstehenden Apokalypse.

Bewertung: 4 Sterne

(Bilder: ©Frenetic Films)

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