ZFF 09: «Sin nombre» von Cary Joji Fukunaga

Paulina Gaitan und Édgar Flores in «Sin nombre»

Todo está bien. Non te preocupes.

Im Internationalen Spielfilmwettbewerb des 5. Zurich Film Festival hat es nach meinem Eindruck bedeutend mehr Elendsfilme als in früheren Ausgaben. Immerhin sind sie meist schwungvoller und visuell reizvoller inszeniert als die Vertreter dieser Gattung an anderen Festivals. Das lässt sich auch vom Flüchtlings-/Bandendrama «Sin nombre» aus Mexiko behaupten, in dem eine schicksalshafte Reise in den Norden geschildert wird, eine Reise der Hoffnung.

Die USA sind das Ziel einer Familie aus Honduras, die aus dem etwa 17-jährigen Mädchen Sayra (Paulina Gaitan), ihrem Vater und ihrem Onkel besteht. In Tapachula gelangen sie von Guetemala über die Grenze nach Mexiko, wo sie auf den Güterzügen bis zur Grenze zu den USA gelangen wollen. In Tapachula treibt auch Casper (Édgar Flores) sein Unwesen. Er ist Mitglied der brutalen Bande Mara Salvatrucha, in die er gerade einen jungen Knaben (Kristian Ferrer) einführt, der den Spitznamen El Smiley erhält.

Obschon Casper verhindern möchte, dass seine geheime Freundin in die kriminelle Welt hineingezogen wird, taucht sie eines Abends bei einem Treffen auf. Der lokale Bandenführer Lil’ Mago (Tenoch Huerta) versucht sie zu vergewaltigen, erschlägt sie dabei aber versehentlich. Als Lil’ Mago mit El Smiley und Casper die Migranten auf dem Zug ausrauben, rächt sich Casper für den Mord an seiner Freundin und erschlägt Lil’ Mago. Für seine Flucht bleibt er auf dem gleichen Zug wie die Familie aus Honduras. Zwischen ihm und Sayra entsteht mit der Zeit eine Zweckgemeinschaft, während die restliche Bande den Tod von Casper beschliesst.

Paulina Gaitan und Édgar Flores in «Sin nombre»

Dreckig ist die Welt der Migranten auf dem Weg von Süden nach Norden, und auch die Welt der gewalttäigen Banden ist nicht wirklich glanzreicher. Unerschrocken und unerbittlich werden die Hauptfiguren in dieses Elend geworfen. Regisseur und Drehbuchautor Cary Joji Fukunaga, der in seiner Filmografie auch vielfach als Kameramann aufgeführt ist, erzählt die Geschichte in imposanten, teilweise geradezu grandiosen Bildern. Besonders die wunderschönen Aufnahmen von der Zugreise heben sich auf berührende Weise vom Elend der Migranten ab. Auch die Schauspieler überzeugen in ihren Rollen.

Die Schwächen sind im Drehbuch zu finden, das einerseits sehr durchschaubar ist, und sich andererseits mit den beiden ineinander verstrickten Erzählsträngen ein wenig übernimmt. Die Struktur ist so schematisch, dass es sich so anfühlt, als ob es in einem sehr strengen Drehbuchkurs entstanden ist. Kaum ist das Fundament gelegt, ist bereits klar, wer am Schluss von wem erschossen wird. Ein bisschen zittern darf man noch, ob Sayra die Reise in das Land der Träume vollendet, doch so packend ist auch diese Frage nicht. Überbläht ist das Drehbuch, weil es durch die Verknüpfung der zwei Geschichten zu einer Ansammlung von Klischees über Schuld und Erlösung kommt.

Fazit: «Sin nombre» ist ein zwar eindrückliches, aber dennoch ein wenig zu konventionelles Elendsdrama.

Bewertung: 4 Sterne

(Bilder: ©Filmcoopi)

3 comments

  1. Der Film ist eben wegen der sehr künstlichen Struktur des Drehbuchs nicht besonders dokumentarisch. Dazu wären für meinen Geschmack mehr überraschende, unvorhergesehene Momente nötig gewesen.

Leave a comment