«Precious» von Lee Daniels

Gabourey Sidibe in «Precious»

I is learning.

Von diesem Film habe ich überhaupt nichts erwartet. Obwohl «Precious» für sechs Oscars nominiert ist und Hauptdarstellerin Gabourey Sidibe und besonders Nebendarstellerin Mo’Nique schon unzählige Auszeichnungen erhalten haben. Aber ich habe nicht wirklich erwartet, dass mich dieser Film über eine übergewichtigte Teenagerin, die von ihrem Vater vergewaltigt und von ihrer Mutter misshandelt wird, irgendwie berühren würde. Da habe ich mich schwer getäuscht. Regisseur Lee Daniels erzählt die schonungslose Geschichte mit erdrückender Wucht.

Die 16-jährige Precious (Gabourey Sidibe) zieht sich oft in ihre eigene Gedankenwelt zurück und träumt etwa im Mathematik-Unterricht davon, mit dem Lehrer in einem hübschen Vorort zu wohnen. Ihre Realität sieht ganz anders aus. Sie wohnt in Harlem bei ihrer Mutter Mary (Mo’Nique), von der sie nicht nur schrecklich beschimpft, sondern auch regelmässig geschlagen wird. Von ihrem Vater wird sie derweil vergewaltigt und erwartet bereits ihr zweites Kind von ihm. Das erste Kind hat Down-Syndrom und muss bei der Grossmutter leben.

Precious sieht das behinderte Mädchen nur, wenn die Sozialarbeiterin auf Kontrolle vorbeikommt und Mary die brave Mutter spielt, die verzweifelt auf Stellensuche ist. Der einzige Weg aus dieser elenden Situation ist für Precious eine Spezialschule. Dort geht die Lehrerin Blu Rain (Paula Patton) auf ihre Schülerinnen ein. Doch Precious muss trotzdem noch jeden Tag mit ihrer Mutter in der schmutzigen Wohnung verbringen. Erst als Precious nach der Geburt des zweiten Kindes heftig von Mary angegriffen wird, ergreift sie die Flucht.

Mo'Nique in «Precious»

Der Film basiert auf den Roman «Push» von Sapphire, der in der Schilderung der Verhältnisse noch um einiges entsetzlicher sein soll. «Wir wussten, dass wir die Geschichte nicht genau so erzählen konnten, wie sie geschrieben war,» wird Regisseur Lee Daniels im Presseheft zitiert: «Sie war einfach zu heftig.» Ausreichend schockierende Momente sind immer noch vorhanden. Die entsetzliche Mutter beschmeisst ihre Mutter nicht nur mit vielen Beleidigungen und manchen Gegenständen, sondern lässt auch das zweite Kind auf den Boden fallen und wirft der flüchtenden Tochter auch noch einen Fernseher hinterher. Eine viel verabscheuungswürdigere Figur habe ich schon lange nicht mehr gesehen. Dennoch bleiben sogar die Handlungen von dieser schrecklichen Figur nachvollziehbar.

Doch das Drama enthält auch humorvolle Elemente und besticht vor allem durch den ungewöhnlichen Blick auf die Situation. Das Publikum erlebt die Geschichte ausschliesslich durch die Perspektive von Precious und erfährt dadurch auch ihre Gedanken, etwa wenn sie leicht entsetzt feststellt, dass ihre Lehrerin homosexuell ist. Überragend ist die dominante Hauptdarstellerin Gabourey Sidibe in ihrem Filmdebüt. Aber auch die restliche Besetzung ist grossartig, angefangen bei Mo’Nique. In überzeugenden Nebenrollen sind Mariah Carey und Lenny Kravitz zu sehen. Meisterlich sind auch die Leistungen von Regisseur Lee Daniels und Drehbuchautor Geoffrey Fletcher, die den unausweichlichen Emotionen der Geschichte viel Menschlichkeit verleihen.

Fazit: «Precious» ist ein einfühlsames und berührendes Drama über die Widerstandsfähigkeit einer jungen Frau.

Bewertung: 5 Sterne

(Bilder: © Ascot Elite)

1 comment

  1. Mir hat der Film gar nicht zugesagt, er war mir zu heftig. Vielleicht war genau das das Ziel, ich glaube jedoch, an manchen Stellen hat Daniels über selbiges hinausgeschossen. :/

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