Das Festival Fantoche lässt auch dieses Jahr hinter die Kulissen von Animationsfilmen blicken. Am Samstag erzählen Chararacter Designerin Félicie Haymoz und Animator Elie Chapuis, wie «Fantastic Mr. Fox» entstanden ist. Beide waren an der Produktion von «Max & Co» beteiligt, bevor sie für die Hollywood-Produktion engagiert wurden. Die Spezialisten berichten von der Arbeit mit Regisseur Wes Anderson, der jedes Detail kontrollierte, und zeigen einige exklusiv für Fantoche mitgebrachte Puppen. Die wurden im Gegensatz zu den sonst üblichen Stop-Motion-Puppen mit echtem Fell gestaltet. Mir haben sie schon vor ihrer Präsentation einige Fragen zur Produktion beantwortet.
Ihr habt bereits für «Max & Co» Füchse animiert und designt. Was war im Vergleich mit «Fantastic Mr. Fox» der grösste Unterschied?
Félicie: Natürlich hat jedes Projekt einen spezifischen Stil. Ein sehr wichtiger Teil meiner Arbeit besteht daher darin, das Aussehen der Figuren zu bestimmen. Für «Max & Co» haben sich die Figuren ein rechtes Stück entwickelt. Als ich in das Projekt einstieg – ich war noch Studentin und der Film meine erste Arbeit –, war die Hauptfigur noch ein kleiner Hund und entwickelte sich allmählich in einen 14-jährigen Fuchsjungen. Auf eine Art bin ich mit dem Projekt aufgewachsen. Die beiden Regisseure und ich hatten eine enge Beziehung, wir arbeiteten im gleichen Zimmer und sie hatten direkten Einfluss auf die Gestaltung.
Meine Erfahrung mit «Fantastic Mr. Fox» war radikal anders. Ich stiess mit einigen anderen Designern aus der ganzen Welt zum Projekt. Uns wurden viele Vorlagen gegeben, darunter Bilder von Roald Dahl, alten Filmstars und ausgestopften Füchsen. Von uns wurde erwartet, daraus eine befriedigende Mischung zu entwerfen. Das war keine einfache Aufgabe. Ich muss irgendwann die richtige Richtung eingeschlagen haben – womöglich als ich Mrs. Fox zeichnete. Sie ist eine Malerin und heisst Felicity, daher entstand wohl eine Verbindung zwischen uns. Auf jeden Fall gefielen Wes meine Entwürfe, ich wurde offizielle Character Designerin und zog nach London.
Auf der künstlerischen Ebene bestand der grösste Unterschied zwischen den beiden Projekten darin, dass wir bei «Max & Co» von der menschlichen Seite der Figuren ausgingen: Max war ein Junge in einer Fuchshaut. Bei «Fantastic Mr. Fox» begann die Arbeit mit dem tierischen Verhalten: Wes wollte, dass Mr. Fox ein richtiger Fuchs ist, der gut geschnittene menschliche Kleidung trägt. Während der Entwicklung eignete sich Mr. Fox eine menschlichere Haltung an; es war einfacher, eine menschen-ähnliche Puppe zu animieren, aber viel Animalisches blieb in der endgültigen Puppe.
Elie: In Bezug auf die Ebene der Animation war die tierische Seite der Charaktere in «Fantastic Mr. Fox» ein wenig weiter entwickelt. Im Gegensatz dazu verhielten sie sich in «Max & Co» vollständig wie Menschen in einem Tierkörper. Die Geschichte von «Fantastic Mr. Fox» handelt von einem Fuchs, der rückfällig wird und wieder beginnt, Hühner zu stehlen, nachdem er einige Jahre versucht hat, ein guter Ehemann und Vater zu sein. Es war interessant an diesem Kontrast zu arbeiten, zwischen einem sehr urbanen Fuchs, der versucht, die Lebensbedingungen seiner Familie zu verbessern, und seinen tiefen animalischem Verlangen, das ihn durchdrehen lässt, wenn er frisches Geflügel riecht.
Wie schwierig gestaltete sich die Arbeit an Puppen mit Fell?
Félicie: Für mich war es nicht wirklich schwierig, Fell zu zeichnen. Ich mochte es: dadurch kann viel der Persönlichkeit der Figur ausgedrückt werden. Das geschmeidige Fell von Mr. Fox ist Teil seines Stils! Die Plastiker von McKinnon and Saunders, die die Puppen herstellten, hatten viel Mühe, das Fell gut aussehen zu lassen. Wir mussten vorsichtig mit den Formen umgehen, denn wenn eine Schicht Fell hinzugefügt wird, werden alle Winkel weicher und das ursprüngliche Aussehen der Figur kann verloren gehen. Es gab einen «Fellraum», in dem hauptsächlich Frauen das Fell rasierten, kämmten und färbten. Das Ergebnis ist erstaunlich!
Wes hat persönlich entschieden, dass die Tiere echtes Fell haben. Uns diente «Le roman de Renard» von Wladyslaw Starewicz als Vorlage. Dieser erstaunliche Animationsfilm entstand in den 1930ern durch Wladyslaw und seine Tochter Irene. Als der künstlerische Leiter der Crew mitteilte, dass wir den Stil von Starewicz nachahmen wollen, konnten sie nicht glauben, dass Wes so weit gehen würde. Aber er tat es und es funktioniert wirklich. Wenn die Animatoren die Puppen anfassen, sind ihre Fingerabdrücke auf dem Fell zu sehen. Das hat zur Folge, dass in «Fantastic Mr. Fox» der eigentliche Animationsablauf zu «sehen» ist. Das ist ein brillanter Aspekt des Films.
Elie: Die Arbeit mit den Puppen war sogar grossartig! Zunächst einmal ist der Kontakt mit Fell sehr angenehm. Zehn Stunden am Tag die Puppen zu berühren, war daher eine wirkliche Freude. Es ist wahr, dass wir in der Animation versuchen, so viele Elemente der Aufnahme wie möglich zu kontrollieren und immer dazu neigen, Materialen zu wählen, die von einem Einzelbild zum nächsten nicht ausser Kontrolle geraten. Das Fell ist selbstverständlich nicht besonders kontrollierbar, und jedes Mal wenn wir die Puppen berührten, bewegten sich die Fellhaare leicht. Dadurch entstand ein kleiner Blasen- oder Windeindruck, der unbeabsichtigt war. Aber das erzeugt auch eine sehr lebendige Wirkung für die Animation und trägt viel zum Eigenleben der Puppen bei, besonders in Nahaufnahmen. Das ist einer der magischen kleinen «Unfälle», die man nicht immer kontrollieren kann und den Charme der Puppenanimation im Gegensatz zu anderen Animationstechniken ausmachen.
Wie stark beteiligte sich Regisseur Wes Anderson, der zuvor nur Realfilme gedreht hatte, an der Animationsarbeit?
Elie: Aus unterschiedlichen Gründen wollte Wes nicht in London bleiben, wo der Film gedreht wurde. Daher verfolgte und kontrollierte er den Prozess sehr genau von Paris aus – wo er seine Büros hat –, hauptsächlich durch seine Produzenten und E-Mails. Es war ein wenig eigenartig, einen Regisseur zu haben, der sich 200 Prozent um seinen Film kümmert, aber nicht physisch anwesend ist. Ich vermute, das ist eine der Eigentümlichkeiten, die diesen Regisseur und dadurch auch seine Filme so besonders machen. Aus der Perspektive der Animation war Animations-Regisseur Mark Gustafson vollkommen einbezogen und ständig anwesend. Er versuchte die Verbindung zwischen Wes und den Animatoren zu sein und verfolgte sorgfältig die Entwicklung der Animation in jeder Aufnahme.
Félicie: Wes war wirklich stark an der Entwicklung beteiligt. Jedes Detail musste «Wes Approved» (Wes bewilligt) sein! Manchmal benötigte das ziemlich viel Zeit und eine erstaunliche Menge an Zeichnungen. Ich habe 40 verschiedene Versionen von Mr. Fox gezeichnet, nur bis seine unterschiedlichen Kostüme stimmten. Wenn du dir den Film genau anschaust, wirst du Mr. Fox in diversen Kostümen erkennen und jedes davon musste speziell angefertigt werden. Das bedeutete viel Arbeit für das Art Department und ebenfalls für die Plastiker.
War die Aufmerksamkeit, die Wes Anderson kleinsten Details, vorteilhaft für die Arbeit?
Elie: Der Film hat ganz bestimmt eine herrliche Optik, die künstlerische Gestaltung ist bemerkenswert. Dafür ist eindeutig Andersons Leidenschaft für seltsame Details verantwortlich. Aber weil er nicht vor Ort anwesend war, konnte seine Konzentration auf Details auch zu vielen Missverständnissen und Verzögerungen führen, beispielweise wegen kleinen Objekten im Hintergrund, die kaum zu sehen sind, die für ihn aber eine grosse Bedeutung haben. Einige der Mitarbeiter waren der Ansicht, dass diese Leidenschaft für Details ein wenig übertrieben und nahezu krankhaft war. Als wir die ersten geschnittenen Versionen des Films sahen, mussten wir erkennen, dass hinter dieser scheinbaren Verücktheit ein wirklicher Weitblick steckt.
Was ist eigentlich der Unterschied zwischen einem «Key Animator» und einem «gewöhnlichen» Animator?
Elie: Die Bezeichnungen unterscheiden sich manchmal von Film zu Film und beinhalten unterschiedliche Ebenen von Verantwortung und Einkommen. Im Fall von «Fantastic Mr. Fox» verfügten die Key Animators über mehr Erfahrung, wurden schon ziemlich früh in den Animationsprozess einbezogen und beteiligten sich an der Entwicklung und Erforschung der Animation. Sie führten zudem die Animation von ganzen Sequenzen, eine Folge von Aufnahmen, aus, die entweder sehr schwierige technische Aspekte oder emotionale Schlüsselmomente enthielten. «Gewöhnliche» Animatoren waren für einzelne Aufnahmen zuständig, manchmal ein wenig einfacher, und konnten nicht sicher sein, Sequenzen oder Teilsequenzen zu animieren.
Was kann das Publikum von der Präsentation am Fantoche erwarten?
Elie: Wir werden als Füchse verkleidet sein, mit dem Publikum Earl Grey trinken und die besten Ausschnitte aus dem Roman von Roald Dahl in wunderschönen, gemischten Armsesseln vorlesen. Wir werden ebenfalls vorführen, wie ein lebendes Huhn mit einem Biss getötet wird. Mit einem einzigen Biss.
Félicie: Der Beruf einer Character Designerin ist nicht sehr bekannt. Aber ich bin der Ansicht, das es der beste Beruf ist, und daher spreche ich gerne darüber. Als Character Designerin stosse ich als eine der ersten zu einem Projekt. Aber wenn die Umsetzung beginnt, die Kulissen gebaut werden und die Animatoren anfagen, verpasse ich einen aufregenden Teil des Projekts. Die Dreharbeiten für einen Animationsfilm dauern mehrere Monate. Elie wird erzählen, wie die Animatoren in dieser Zeit leben.
Elie: Schliesslich wird Félicie ihre grossartigen Entwürfe und Illustrationen zeigen und die Entwicklung der Besetzung erklären. Und wir werden über die von Wes verwendeten Vorlagen für die künstlerische Gestaltung des Films und die Animation sprechen. Wir werden ausserdem einige exklusiv für Fantoche mitgebrachte Puppen zeigen können.
(Bilder: © Félicie Haymoz)