What do you think happens, when we die?
Eine Frage, mit der sich die Menschheit bis an ihr Ende beschäftigen wird, dreht sich um ein mögliches Fortleben nach dem Tod. Hamlet war weder die erste, noch die letzte Person, die sich wunderte «what dreams may come» und sich vor dem «undiscovered country» fürchtete. Da sich darauf niemals eine definitive Antwort finden lässt, gibt es auf der ganzen Welt unterschiedlichste Theorien. Auch Filmemacher beschäftigen sich immer wieder mit dem Jenseits, manchmal eher romantisch («Ghost», «Always»), häufig ziemlich erschreckend («The Sixth Sense», «The Others», «Poltergeist»). Regisseur Clint Eastwood setzt in dem nach einem Drehbuch von Peter Morgan entstandenen Drama «Hereafter» auf eine mystische Auseinandersetzung mit dem Thema. Das Resultat ist nicht gerade todlangweilig, aber auch alles andere als berauschend. Drei Personen stehen im Zentrum von «Hereafter». Da ist zunächst einmal der Lagerist George Lonegan (Matt Damon, «The Informant!», «Invictus»), der eine Weile lang als Medium gearbeitet hatte. Die Belastung des Kontakts mit verstorbenen Menschen konnte er allerdings nicht ertragen. Davon versucht er auch immer wieder seinen Bruder Billy (Jay Mohr) zu überzeugen: «It’s not a gift for the kids, Billy, it’s a curse!» Billy bringt ihm allerdings immer wieder neue Kunden. Die Rettung aus seiner Einsamkeit erhofft sich George durch den Kontakt mit Melanie (Bryce Dallas Howard, «Terminator Salvation», «Manderlay»), die er in einem Kochkurs trifft. Eine weitere zentrale Person ist die französische Fernseh-Journalistin Marie LeLay (Cécile De France). Sie erlebt und überlebt im Urlaub mit ihrem Produzenten Didier (Thierry Neuvic) die Flutwelle nach dem Seebeben im Indischen Ozean von 2004. Nach der Nahtod-Erfahrung beginnt sie, sich mit den Fragen rund um das Jenseits zu beschäftigen, und erfährt von einer Ärztin in den Schweizer Alpen (Marthe Keller): «I think you’ve experienced death.» Die dritte wichtige Person ist der Junge Marcus (Frankie und George McLaren), dessen Zwillingsbruder Jason (Frankie und George McLaren), von dem Marcus immer beschützt wurde, bei einem Autounfall gestorben ist. Ich muss vermutlich gleich einmal erklären, dass ich in keiner Art und Weise an ein Leben nach dem Tod oder an Geister glaube. Filme über solche Themen können mich aber trotzdem durchaus faszinieren. Immerhin geht es in solchen Werken auch meistens in einer Form um das Thema des Abschieds, mit dem sich jeder Mensch immer wieder auseinandersetzen muss, selbst wenn man nicht an eine Fortsetzung des Lebens nach dem Tod glaubt. Regisseur Clint Eastwood («Invictus», «Gran Torino», «Letters from Iwo Jima») und Drehbuchautor Peter Morgan haben allerdings einen Zugang zur Erfahrung mit dem Jenseits gewählt, die irgendwie sowohl Gläubige wie auch Skeptiker ansprechen soll. Durch diese Unbestimmtheit im Ansatz ist der Film aber höchst unbefriedigend ausgefallen. Etwas fragwürdig ist zudem, dass der schmerzhafte Abschied von Verwandten in direkten Bezug zu Naturkatastrophen und Terroranschlägen gestellt wird. Marie überlebt den Tsunami nach dem Seebeben im Indischen Ozean von 2004, Marcus wird durch den Geist seines Bruders vor den Terroranschläge am 7. Juli 2005 in London gerettet. Fehlt eigentlich nur noch, dass George die Madrider Zuganschläge oder etwas ähnliches erlebt hätte. Doch das liesse sich zeitlich dann wohl nur zu schwer in das bereits überladene Drehbuch integrieren. Womöglich sind aber auch nur alle diese Menschen störend, die sich vom Kontakt mit Verstorbenen irgendeine reinigende Wirkung erhoffen. Dabei erfahren sie ja doch nur immer, dass die toten Menschen sich entweder für ein Fehlverhalten entschuldigen, den Überlebenden ein Fehlverhalten verzeihen oder ihnen mitteilen, dass das Leben auch ohne sie weitergeht. Andere Elemente sind durchaus gelungen, etwa die Verknüpfung des Schicksals von George mit der Hauptfigur aus «David Copperfield» von Charles Dickens. Eine Stelle, die im Film von Derek Jacobi vorgelesen wird, beschreibt treffend die Emotionen von George zu seiner «Fähigkeit»: «At first it was a heavy sense of loss and sorrow, wherein I could distinguish little else. By imperceptible degrees, it became a hopeless consciousness of all that I had lost – love, friendship, interest; of all that had been shattered – my first trust, my first affection, the whole airy castle of my life; of all that remained – a ruined blank and waste, lying wide around me, unbroken, to the dark horizon.» Doch solche subtilen Einschübe werden durch den esoterischen Kitsch der Haupthandlung regelrecht erdrückt. Bleibt noch die flimische Beurteilung von «Hereafter». Das Thema erlaubt eigentlich packende Szenen. Fantastische und farbenprächtige Vorstellungen von der Nachwelt wurden beispielsweise in «The Lovely Bones» oder «What Dreams May Come» entworfen. Auch die mündliche Beschreibung des Jenseits in «Hereafter» ist durchaus reizvoll, doch die Visualisierungen durch die Tricktechniker sind geradezu banal und wenig einfallsreich. Dunkle Schatten bewegen sich vor einem noch viel dunkleren Hintergrund. Wie George daher von einer eindeutigen visuellen Identifizierung von Personen sprechen kann, bleibt ebenso schleierhaft wie die Umsetzung. Ansonsten ist die Umsetzung von Eastwood aber gewohnt solide. Fehlplatziert ist einzig die unmotiviert vor sich hinklimpernde Musik von Eastwood, die sich scheinbar aus einem seiner Western in diesen Film verirrt hat. Der eigentliche Schwachpunkt ist sowieso das Drehbuch von Peter Morgan, der für die herausragenden Vorlagen zu «The Queen» und «Frost/Nixon» für Oscars nominiert war. Doch mit dem Thema von «Hereafter» findet er sich einfach nicht zurecht. Zu zerstückelt sind die Geschichten, zu unausgewogen die Stimmung. Da schleicht sich zwischendurch zwar sanfter Humor ein, besonders in den Szenen zwischen George und Melanie im Kochkurs, doch diese aufkeimende Lockerheit wird gleich wieder durch betrübliche Momente zerstört. Marcus wiederum wird auf seiner Suche nach Antworten von einem Scharlatan zum nächsten geschickt, seine Überzeugung an einen möglichen Kontakt mit seinem toten Bruder verliert er dabei jedoch nicht. Fazit: Wer bereits an ein Leben nach dem Tod glaubt, wird an «Hereafter» womöglich gefallen finden. Wer diesem Thema hingegen eher kritisch eingestellt ist, wird sich davon sicherlich nicht überzeugen lassen, sondern sich eher langweilen oder ärgern. Bewertung: (Bilder: © 2011 Warner Bros. Ent. All Rights Reserved.)
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