2008 gab Warner Home Video mit der Doppel-Blu-ray-Disc von «Hairspray» gleich zu Beginn des Jahres den Massstab vor, an dem sich die übrigen Veröffentlichungen messen mussten. Der Film ist zwar auch hochauflösend nicht perfekt, die Bild- und Tonqualität sowie das Bonusmaterial ist aber überwältigend.
In «Hairspray» stellt John Travolta in der Rolle als fette Mutter sein Image als verführerischer Tänzer aus «Saturday Night Fever» und «Grease» tüchtig auf den Kopf. Das sei auch der einzige Grund gewesen, weshalb er sich wieder einmal für ein Musical vor die Kamera gestellt hat. Travolta ist in «Hairspray» köstlich, eine andere Mutter stiehlt im aber die Show.
Wer nicht mit der Handlung vertraut sein sollte: Tracy Turnblad (Nikki Blonsky), eine übergewichtige Teenagerin, hat sich in den Kopf gesetzt, in der hippen Tanzsendung von Corny Collins (James Marsden, «Enchanted») aufzutreten. Über Umwege schafft sie es – sehr zum Missfallen der Showkönigin Amber (Brittany Snow) und deren Mutter Velma (Michelle Pfeiffer), der Managerin des Senders. Da das ganze in den 60er-Jahren spielt, sind die Rassen noch schön sauber getrennt. Doch Tracy lässt sich von den Tanzbewegungen der Schwarzen inspirieren und setzt sich mit Hilfe ihrer Freunde und Eltern dafür ein, dass ihre farbigen Freunde auch in der Show auftreten dürfen.
Das ganze ist entsprechend dem Genre äusserst kitschig inszeniert. Aber auch die Musicalversion des Kultklassikers ist immer noch ziemlich frech ausgefallen. John Waters sorgt mit einem genialen Kurzauftritt gleich selbst dafür, dass der respektlose Ton seines Originals beibehalten wird. Die bewusst naive Darstellung der Rassenschranken täuscht zudem nur fast darüber hinweg, dass auch heute noch ein Kuss zwischen einem schwarzen Mann und einer weissen Frau in vielen Kreisen als skandalös gilt. Da ist es umso mutiger, dass sich «Hairspray» nicht um solche Schranken kümmert.
Weniger wagemutig ist Regisseur und Choreograf Adam Shankman in der Verfilmung der dynamischen Tanz- und Gesangsszenen. Ebenso wenig wie Susan Stroman («The Producers») oder Bill Condon («Dreamgirls») gelingt es Shankman die Inszenierungen ähnlich überwältigend wie Stanley Donen oder Vincente Minnelli auf Film zu bannen. Die Kameraarbeit sollte nämlich die Energie der Choreografien in einen cineastischen Tanz verwandeln. Shankman beschränkt sich aber hauptsächlich auf statische Einstellungen oder bestenfalls dezente Kamerafahrten.
Die Musik von Marc Shaiman und Scott Wittman vermag dennoch über weite Strecken mitzureissen, obschon die Energie des Auftaktes erst wieder mit den letzten drei Nummern, «Without Love», «(It’s) Hairspray» und «You Can’t Stop the Beat», wieder so richtig erreicht wird. «Hairspray» erfindet das Musical keineswegs neu, doch das war auch nicht zu erwarten.
Eine sympathische Entdeckung ist Nikki Blonsky in der Hauptrolle. John Travolta vertraut in der Rolle von Tracys Mutter ein wenig zu sehr auf die Wirkung seines Fettkostüms, und wird daher von Allison Janney («Juno»), welche die prüde Mutter von Tracys bester Freundin spielt, mehrmals übertrumpft. Eine weitere Entdeckung, zumindest für mich, war aber auch eben diese beste Freundin von Tracy, die von Amanda Bynes gespielt wird. Wirkt sie zu Beginn noch wie ein Mauerblümchen, verwandelt sie sich gegen Ende in ein unwiderstehliches Gesangstalent.
Die Bilder auf der Blu-ray-Disc sind bis ins letzte Detail gestochen scharf und bringen die schillernden Farben wundervoll zur Geltung. Auch die Tonspur ist sehr dynamisch und bringt die Musik wirkungsvoll auf die Lautsprecher. Sowohl Bild- als auch Tonqualität verdienen Höchstnoten.
Die Notenskala wird dann allerdings vom Bonusmaterial gesprengt. So führen die Produzenten dieser Blu-ray-Disc eindrücklich vor, wie die Bild-in-Bild-Funktion möglichst vorteilhaft genutzt werden kann. Informationen werden zwar nur spärlich geliefert, dafür bietet das Bildfenster fast ununterbrochen Eindrücke von den Dreharbeiten und den Proben. Einzig bei der Bedienung muss immer noch beanstandet werden, dass die Funktion nicht während dem Film beliebig ein- und ausgeschaltet werden kann. Schliesslich sind auch noch zwei Audiokommentare enthalten, der erste mit Shankman und Blonsky, der zweite mit den Produzenten Craig Zadan und Neil Meron. Ein hin- und herspringen zwischen diesen beiden und weiteren Tonspuren ist zwar möglich, ein Wechsel zur Bildspur aber eben nicht.
Das gesamte Bonusmaterial ist in tadelloser HD-Qualität enthalten. Auf der ersten Scheibe sind auch noch fünf entfallene und alternative Szenen sowie knapp 50 Minuten Beiträge über die Produktion der Tanzszenen abrufbar. Empfehlenswert sind aber vor allem die beiden Dokumentationen auf der zweiten Scheibe, ein 40-minütiger Bericht über den Weg von «Hairspray» von Film zu Musical zu Filmmusical sowie ein 78-minütiger Drehbericht. Hier erfährt man zum Beispiel, dass Ricki Lake, die Hauptdarstellerin im Film von John Waters, mit Schokolade vollgestopft werden musste, weil sie zu Beginn der Dreharbeiten durch die anstrengenden Tanznummern beinahe 10 Kilogramm abgenommen hat.
Für eine kleine Verwirrung könnte die DVD-Hülle der Blu-ray-Disc sorgen. Dort ist nämlich im Symbol für die Regionenfreigabe ein «A» zu erkennen. Die Region A ist aber Nord-, Mittel- und Südamerika, Japan, Korea und Südostasien. Europa liegt wie Afrika, der Nahe Osten, Australien und Neuseeland in der Region B. Die beiden BDs haben sich aber problemlos auf meiner unveränderten Schweizer PlayStation 3 abspielen lassen. Anstatt mit irritierenden Regionen-Einteilungen die Kunden zu verärgern, würde das Blu-ray-Lager besser darauf verzichten.
Film:
Bild-/Tonqualität (Blu-ray):
Bonusmaterial (Blu-ray):
(Bilder: ©Warner Home Video)