«Volker Schlöndorff Director’s Edition» (9 Filme)

Angela Winkler in «Die verlorene Ehe der Katharina Blum»

Seit über 40 Jahren dreht Volker Schlöndorff schon Filme. 2007 Jahr wurde er erstmals von einem Produzenten entlassen. Die Auszeit nutzte der Regisseur, der dieses Jahr am 31. März seinen 70. Geburtstag feiert, um seine Vergangenheit in Buchform zu bringen. Aus Briefen, Fotos und Tagebüchern formte er seine Autobiografie «Licht, Schatten und Bewegung». Nebenbei stellte er für das Label Arthaus eine DVD-Box mit neun Filmen zusammen, die ihm ganz besonders am Herzen liegen.

Obschon Schlöndorff zu den Begründern des Neuen Deutschen Films zählt, hebt er sich von den übrigen Mitstreitern wie Werner Herzog, Alexander Kluge oder Rainer Werner Fassbinder deutlich ab. Er ist der Autorenfilmer, der nicht seine eigenen Geschichten erzählte, sondern die in Klassikern der Literatur für sich wiedererkannten Gefühle umsetzte. So entstanden Meilensteine wie «Die Blechtrommel» (1979) oder «Homo Faber» (1991), die natürlich in der «Volker Schlöndorff Director’s Edition» enthalten sind.

Volker Schlöndorff bei den Dreharbeiten zu «Die Blechtrommel»Walter Faber ist die Hauptfigur aus der Frisch-Verfilmung «Homo Faber». Er ist ein technischer Mensch, der sein Schicksal in eigenen Händen hält – ein Homo faber eben. Stürzt sein Flugzeug in der Wüste ab, filmt er die Aktivitäten nach der Notlandung. Lauert ihm seine nervige Freundin in New York auf, zieht er einfach seine Abreise nach Paris um eine Woche vor. Doch auf der Schiffsreise nach Europa wird das Leben von Faber durch ein paar «Zufälle» aus den geordneten Bahnen geworfen.

Die Verfilmung des Klassikers «Homo Faber» durch Volker Schlöndorff ist solide, aber auch etwas lieblos ausgefallen. Der analytisch nüchterne Ton aus dem Roman von Max Frisch muss etwas häufig der Dominanz der schmachtenden Liebesgeschichte weichen. Ausserdem hat Schlöndorff die Geschichte um den letzten gut 40 Seiten des Romans gekürzt. Eindeutig eine der schwächeren Literaturverfilmungen von Schlöndorff, die aber zumindest auf der Bildebene verführt.

Dafür gibt es in der Box auch einige weniger beachtete Werke zu entdecken. Besonders aktuell ist derzeit wieder «Die Stille nach dem Schuss» (2000), ein Drama über RAF-Anhänger, die in den 80er-Jahren in der DDR untergetaucht sind. Im Gegensatz zu Bernd Eichinger, der im neuen Kinofilm «Der Baader-Meinhof-Komplex» einfach die Ereignisse aneinander reiht, versuchten Schlöndorff und Drehbuchautor Wolfgang Kohlhaase die Geschichte so zu erzählen, wie sie sie «aus der Psychologie der Personen erklären konnten.»

Auch der älteste Film in der Box, das vorzügliche Drama «Die verlorene Ehre der Katharina Blum» (1975), setzt sich mit dem Terrorismus in der BRD auseinander, allerdings von einer anderen Seite. Eine Frau wird nach einer Liebesnacht mit einem von der Polizei gesuchten Mann der schändlichen Hetze durch die Presse ausgesetzt. Ein schmieriger Sensationsreporter setzt mit Unterstützung der Polizei alle Hebel in Bewegung, um mit hinterhältigen Artikeln die Frau unter Druck zu setzen.

Die bittere Anklage gegen die Methoden des Springer-Konzerns endet mit dem Satz: «Personen und Handlung sind frei erfunden. Ähnlichkeiten mit gewissen journalistischen Praktiken sind weder beabsichtigt, noch zufällig, sondern unvermeidlich.» Das Drama entstand nach einer Vorlage von Heinrich Böll, der selbst perfiden Attacken gegen seine Person ausgesetzt war. Wie schon in «Messer im Kopf» verkörpert Angela Winkler (Einstiegsbild) überragend die Hauptfigur.

Bruno Ganz in «Die Fälschung»Die Filme in der Box sind technisch tadellos verarbeitet und mit reichlich Bonusmaterial ausgestattet. Schlöndorff spricht nämlich nicht nur sehr gerne, sondern auch meist mitreissend über seine Filme. So berichtet er etwa auf der DVD von «Die Fälschung» (1981) leicht nachdenklich über die höchst riskanten Dreharbeiten im kriegszerstörten Beirut. Damals wurde sogar sein langjähriger Produzent Eberhard Junkersdorf, der um einiges verstörter von den Ereignissen berichtet, von einer Kriegspartei entführt.

Köstlich sind auch Schlöndorffs Erinnerungen an die Dreharbeiten der stilvollen Proust-Verfilmung «Un amour de Swann» (1984), in der Alain Delon einen dekadenten Homosexuellen spielen musste. Der Frauenschwarm liess sich daher einfach für die Presse in verführerischen Situationen mit Hauptdarstellerin Ornella Muti ablichten. Daraufhin wurde Schlöndorff als Barbar beschimpft, weil er den heiligen Stoff angeblich verfremdete. Dabei würden die Filme nie erahnen lassen, dass Schlöndorff oftmals mit empfindsamen Schauspielern kämpfen musste.

Die sorgfältige bearbeitete Sammlung bietet einen idealen Einstieg in das Werk von Volker Schlöndorff – oder eine erstklassige Gelegenheit den Literaturverfilmer wieder zu entdecken. Neben den neun DVDs ist in der Box auch eine 91-seitige Leseprobe aus «Licht, Schatten und Bewegung» enthalten. Alle Filme sind auch schon separat erhältlich oder werden es bald sein.

«Homo Faber» und «Die Blechtrommel» sind auch in umfangreicher ausgestatteten Doppel-DVDs erhältlich. Das Bonusmaterial der edlen Doppel-DVD von «Homo Faber» besteht aus entfallenen Szenen (ebenfalls auf der DVD in der Box enthalten) und längeren und kürzeren Interviews mit Schlöndorff, Produzent Eberhard Junkersdorf, Designer Nicos Perakis und Schauspielerin Barbara Sukowa. Sehr ausführlich berichtet vor allem Schlöndorff in 55 Minuten vom Entstehungsprozess.

Filme: 3 Sterne bis 6 Sterne
Bildqualität: 5 Sterne
Tonqualität: 4 Sterne
Bonusmaterial: 5 Sterne

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