Daniel Rohr über Kornkreise, Film und Theater

Daniel Rohr in «Das Geheimnis von Murk»Da ich jetzt mit «Geld oder Leben» und «Das Geheimnis von Murk» gerade zwei Filme auf DVD vorgstellt habe, in denen Daniel Rohr mitspielt, füge ich hier gleich noch ein Interview mit ihm an. Als Schauspieler war er in den letzten Jahren auch noch in den Kinofilmen «Marmorera», «Vitus» und «Grounding» zu sehen, als Leiter des Theater Rigiblick in Zürich tritt er im Liederabend «Sternennacht» oder der Rockrevue «Faust» auf und führt die Stern-Theater-Produktion.

Im Juli 2008 habe ich mit Daniel Rohr ein Interview führen dürfen. Besonders wenn er über seine Arbeit auf der Bühne spricht, kommt er so richtig in Fahrt. Aber auch die Begeisterung für die Rollen vor der Kamera und vor allem für die Zusammenarbeit mit Regisseurin Sabine Boss ist spürbar. Und auch sein Filmgeschmack ist alles andere als Übel.

Ein einfacher Einstieg: Wieso muss man sich «Das Geheimnis von Murk» anschauen?
Daniel Rohr: Weil es eine wunderbare, witzige, intelligente und anrührende Geschichte ist, die typisch «Schweiz» ist.

Im Zentrum stehen Kornkreise, dahinter stecken aber aktuelle Themen. Was ist für dich die wichtigste Element?
DR: Was mich beschäftigt, ist der Umgang mit der Natur. Wie wird die Natur vermarktet. Das sind aktuelle Fragen, die aufgeworfen werden, die aber auf eine sehr unterhaltsame und amüsante Art abgehandelt werden.

Hast du dich auch mit Kornkreisen auseinander gesetzt?
DR: Natürlich habe ich Bücher zum Thema gekauft und darin geblättert. Es ist ja auch wirklich ein ästhetisches Vergnügen, eine Sinnesfreude. Es steckt ein Mysterium dahinter, aber ich kann jetzt nicht sagen, dass ich Kornkreisspezialist bin.

Bist du bei der Anfertigung des Konrkreises im Film anwesend gewesen?
DR: Der Kornkreis ist hergestellt worden, aber es hat niemand von der Produktion dabei sein dürfen. Das war in der Nacht, wirklich wie ein Geheimnis.

Wie viel von dir persönlich steckt in der Figur Mike?
DR: Viel. Ich würde wirklich sagen viel. Man spielt ja in so einem Leben sehr unterschiedliche Rollen auf der Bühne und im Film. Es geht einem dabei oft so, wie wenn man einen Menschen kennen lernt. Einige bleiben einem fremd, andere kommen einem nahe, werden Freunde. Das Schöne an der Figur Mike ist, dass sie unglaubliche Bandbreite hat, dass sie sehr reichhaltig ist. Es ist eine Figur, die unter der Oberfläche noch viel versteckt, das erst im Verlauf des Films auftaucht. Diese Elemente machen die Figur für einen Schauspieler zu einem gefundenen Fressen. Mike zu spielen, war ein Hochgenuss. Es war auch ein Geschenk, mit Sabine Boss zusammen zu arbeiten, denn sie ist in der Schauspielerführung wirklich grandios.

Wie hast du die Zusammenarbeit mit Sabine Boss erlebt?
DR: Ich glaube, dass das Ergebnis in dieser Form nicht zu Stande gekommen wäre, wenn sie nicht vorher mit uns intensiv geprobt und auch mit mir am Text und dieser Figuren gearbeitet hätte. Wenn man sich einen Film ansieht, wird manchmal unterschätzt, wie wichtig die Vorarbeit ist und dass das eigentliche spielen auf dem Set nur ein Teil dessen ist, was das Resultat ausmacht. Dass man auch den Überblick haben muss, wo die Figur gerade steht, wie man diesen Menschen reichhaltig gestalten kann und trotzdem mit einer Kontinuität ausstattet. Das ist eine Gratwanderung, die uns meiner Ansicht nach gelungen ist.

Ihr kennt euch ja schon länger?
DR: Sabine Boss und ich haben uns bei «Ernstfall in Havana» kennen gelernt. Ich war von ihr hingerissen, weil sie als Regisseurin den Schauspielern gegenüber wirklich offen ist. Man merkt bei ihr auch, dass sie eine grosse Theatererfahrung hat. Sie hat am Schauspielhaus Hamburg inszeniert. Sie kennt die Schauspieler sehr gut. Sie kann den Schauspielern eine grosse Sicherheit vermitteln, und sie kennt sich gut in den Rollen aus. Wir verstehen uns sehr gut, auch im Theater Rigiblick. Sie hat einen Liederabend inszeniert, den Daniel Fueter und ich machen. Es ist ein Liederabend über das Meer.

Was ist denn genau deine Rolle beim Theater Rigiblick?
DR: Ich leite das Theater Rigiblick, das vor drei Jahren noch ein etwas verschlafenes Dasein geführt hat. Durch das neue Team und die Renovation hat es einen grossen Sprung gemacht. Im Vergleich: Das Budget ist innerhalb von drei Jahren verfünffacht worden. Die Zuschauerzahlen haben wir mehr als verdoppelt.

Silvester von Hösslin und Daniel Rohr in «Faust»Aber du stehst auch auf der Bühne?
DR: Ich singe gerne. Mein Vater war Opernsänger. Ich habe eine breites Wissen über Musik, ob das Jazz, Italo, deutsche Volkslieder oder Rock ‘n’ Roll ist. Aber am besten kenne ich mich im Rock ‘n’ Roll aus.
Wir haben einen Abend für Besucher in jedem Alter gemacht, in dem zwei Schauspieler den gesamten «Faust» (Bild rechts) von Goethe in einer guten Stunde spielen. Das ist natürlich sehr lustig. Einer der Schauspieler darf den Faust spielen. Der andere, den ich spiele, gibt Mephisto, muss aber auch das Gretchen spielen, was er nur unter grossem Widerwillen tut. Wir erzählen die Geschichte und moderieren sie. Alle Stationen werden mit Rocksongs erzählt. Wenn Faust sich am Anfang langweilt singt er «(I Can’t Get No) Satisfaction», wenn der Mephisto kommt «Sympathy for the Devil», wenn die beiden unterwegs sind «Highway to Hell», wenn Gretchen stirbt «Stairway to Heaven». Man findet immer einen geilen Song, der genau auf die Situation passt. Sabine Boss hat dafür die Dramaturgie gemacht.

Du arbeitest also sehr gerne mit ihr zusammen?
DR: Sehr. Wir haben auch jetzt wieder ein gemeinsames Projekt vor. Sabine ist ein angenehmer Mensch, uneitel, unnarzistisch, klar an der Sache, offen für Vorschläge von aussen. Ich halte das für sehr wichtig, weil Film und Theater Gesamtkunstwerke sind. Sabine ist eine wunderbare Mischung, indem sie einerseits über eine wunderbare eigene Fantasie verfügt, andererseits dem Schauspieler viel Raum gibt und die spielerische Fantasie animiert und dann in Bahnen lenkt. Ein Regisseur sollte Schleusen öffnen und dann kanalisieren.

Du hast das Standbein Theater, was bedeuten dir in diesem Zusammenhang die Rollen in Filmen?
DR: Ich mache sehr gerne Filme. Film ist eine Kunst, in der man für zwei bis drei Monate zusammen kommt. Film ist für mich daher wie ein Fest. Man hat in diesen drei Monaten ein sehr intensives Leben, kommt sich nahe, und danach wird man wieder in alle Winde versprengt. Für mich als Schauspieler ist Film natürlich auch eine spannende Kunstform, weil die Kamera wirklich gnadenlos ist. Die Kamera sieht alles. Die Kamera geht sehr nahe heran. Man kann im Film sehr viel kleiner spielen als auf der Bühne. Für mich ist das Leben immer dann spannend, wenn es reich ist: Wenn ich auf einer grossen Bühne expressiv spielen kann oder vor einer kleinen Kamera das winzige Augenzucken machen kann. Oder wenn ich sagen kann, ich bin Schauspieler, aber auch Theaterleiter und Produzent. Ich möchte dem Leben alle Facetten abgewinnen.

Auch als Musiker?
DR: Auch als Musiker. Oder als Sänger. Als Rocksänger.

Aber in deinem Lebenslauf sind auch Handorgel, Flöte, Saxofon und Dudelsack als Instrumente aufgeführt?
DR: Als ich noch jung war, bin ich zwischendurch am Konservatorium gewesen. Aber ich würde jetzt nicht mehr behaupten, dass ich diese Instrumente beherrsche. Notfallmässig kann ich sie im Theater einsetzen.

Was bedeutet dir die Massenwirkung von Filmen – wenn sie die Massen erreichen?
DR: Es ist spannend. Im Theater ist der Bezug zum Publikum sehr intensiv. Im Theater Rigiblick ist die Nähe zum Zuschauer ein ganz wichtiger Aspekt. Das Theater Rigiblick hat den grossen Vorteil, dass es ein schönes Foyer hat; und die Nähe zwischen dem Künstler und dem Publikum ist ganz gross. Die Besucher kommen nach den Vorstellungen und haben die Möglichkeit, sich mit den Künstlern auszutauschen. Dadurch ist die Anbindung nah und intensiv. In so einem Fall ist der Austausch natürlich schneller als beim Film.
Beim Film hingegen ist die Massenwirkung grösser. Ich werde im Zug oder im Tram manchmal angesprochen oder angelächelt. Vor kurzem habe ich einmal aus Eile vergessen, das Portemonnaie mitzunehmen, stehe am Bahnhof und sage dem Kondukteur: «Es tut mir leid, ich habe kein Geld dabei. Ich habe eine dringende Sitzung in Zug. Was machen wir?» Da klopft er mir auf die Schulter und sagt: «Ja weisch, am Chlüppli glaub i alles.» Der Chlüppli ist die Figur, die ich in den Werbespots mit Köbi Kuhn spiele. Manchmal verunsichert die Bekanntheit auch. Ich habe ein schlechtes Gedächtnis für Gesichter. Wenn dann jemand grüsst, denke ich: «Jesses, jetzt habe ich vergessen, wer das ist.»

Die Haltbarkeit ist auch höher, physisch zumindest?
DR: Unbedingt! Das ist ein ganz wichtiger Aspekt. Beim Theater ist das Verfalldatum mit dem Ende der Vorstellung. Danach ist es vorbei. Man sieht sich ja kein Theater von vor zehn Jahren an. Es gibt vielleicht eine Ausnahme, das ist der «Faust» von Gründgens. Andere Inszenierungen werden selbst von Spezialisten wie mir nach fünf Jahren kaum mehr angeschaut.
Film… wir sehen uns Eisenstein an, verstehst du! Film hat eine andere Halbwertzeit.

Wie sieht dein eigener Filmgeschmack aus?
DR: Es gibt für mich einen grossen Meister im Film, den man heute vielleicht etwas vergessen hat, das ist Tarkovsky. Er ist für mich eine ungeheure Inspirationsquelle. Aber ich liebe auch Lubitsch: «To Be or Not to Be» ist grossartig. Dann der frühe Bergman. Er kann mich immer wieder ganz, ganz tief berühren. Ich denke da an die Szene aus «Det sjunde inseglet» («Das siebte Siegel»), in der der Tod mit dem Hauptdarsteller, Max von Sydow, Schach spielt. Oder wenn der Totentanz den Berg hinauf führt. Auch Fellini. Wie etwa die Blüten wie Schneeflocken in «Amarcord» treiben, das ist doch einfach umwerfend. Vielleicht hängen diese Vorlieben aber auch mit meiner Sozialisation und dem Alter zusammen. Das ist natürlich meine Generation. Wen ich jetzt auch noch erwähnen muss, wer ganz wichtig für mich war, ist Akira Kurosawa. Es gibt keinen Film von ihm, den ich nicht gesehen habe. Alles, alles!
Aber wie in der Musik lehne ich Sachen nicht an sich ab. Ich gehe nicht einfach nicht in einen Film, weil er ein Blockbuster ist, wie das manchmal in der Szene geschieht. Ich sehe mir gerne mit meiner Familie «Harry Potter» an. Ich kann nur sagen, dass ich mich extrem freue, dass jetzt der Schweizer Film so vorwärts gemacht hat. Das finde ich auch für die Identität von unserem Land wichtig.

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