Letztes Jahr gab es am Zurich Film Festival das überzeugende belgische Drama «Aanrijding in Moscou» zu entdecken. Die einfühlsame Charakterstudie wurde mit dem Variety’s New Talent Award ausgezeichnet. Nun hat sich sogar ein Verleiher gefunden, der die herzhafte Produktion unter dem wenig aussagekräftigen internationalen Titel «Moscow, Belgium» in die Schweizer Kinos bringt.
Alter macht nicht weise. Und schon gar nicht glücklich. Das muss die 41-jährige Matty (Barbara Sarafian) am eigenen Leben erfahren: Ihr Ehemann ist vor knapp einem halben Jahr mit einer jüngeren Frau durchgebrannt, ihre knapp 17 Jahre alte Tochter ist in der Pubertät, die jüngere Tochter meint sie sei in der Pubertät, nur ihr Sohn will nicht erwachsen werden. Da prallt sie mit ihrem Auto rückwärts in den Lastwagen des 29-jährigen Johnny (Jurgen Delnaet). Die erst Auseinandersetzung ist unhöflich, doch Johnny ist sofort hingerissen von der resoluten Matty.
Kurz darauf steht Johnny vor der Wohnungstür von Matty. Die will sich aber auf keinen Fall auf eine Beziehung mit dem jüngeren Mann einlassen. Sie wünscht sich nur die Stille aus dem Leben mit ihrem Mann zurück. Der hegt langsam Zweifel an seiner Entscheidung. Als er dann auch noch erfährt, dass sich seine Frau mit einem anderen Mann trifft, ist er sich seiner Sache überhaupt nicht mehr sicher.
«Aanrijding in Moscou» (dt. Zusammenstoss in Moscou) ist ein vollkommen unspektakulärer Blick in das Leben einer reifen Frau zwischen Familie und Freundschaft. Die ungeschminkte Herangehensweise ist genau der Reiz des Spielfilmdebüts von Christophe van Rompaey. Wie im Drama «Het zusje van Katia» von Mijke de Jong, das 2008 in Locarno im Wettbewerb zu sehen war, stehen in «Aanrijding in Moscou» die Menschen ganz im Zentrum. Die Figuren von van Rompaey sind zwar um einiges konventioneller, ihre Existenz aber keineswegs viel gefestigter.
Überragend ist Barbara Sarafian in der Rolle der orientierungslosen Matty. Ihr Leben bricht auseinander, doch vor lauter Alltag fehlt ihr die Zeit, es neu zu ordnen. So lässt sie sich zwischen Schwermut und kurzen Glücksmomenten treiben. Sarafian verleiht der Haltlosigkeit ihrer Figur die notwendige Glaubwürdigkeit, zu der auch die lockere und unaufdringliche Inszenierung von van Rompaey beiträgt.
Fazit: «Aanrijding in Moscou» ist eine erfrischede Dramödie, die durch ihre Lebensnähe und eine ideale Besetzung überzeugt.
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