Gelähmte Helden: Von Brando über Voight zu Cruise

Marlon Brando in «The Men»

Schauspieler lieben Herausforderungen. Schwierige Rollen bieten ihnen nicht nur die Gelegenheit, sich zu profilieren, sondern steigern auch die Aussichten auf einen Oscar. Da ist es fast schon verwunderlich, dass nicht häufiger Filme über Kriegsveteranen gedreht werden, die wegen einer Kriegsverletzung querschnittgelähmt sind. Streng genommen gibt es nur drei Filme, die wirklich in diese Gattung fallen: «The Men», «Coming Home» und «Born on the Fourth of July».

1950 war «The Men» der erste Film, der das Thema von körperlich behinderten Kriegsveteranen behandelte. Produzent Stanley Kramer («Guess Who’s Coming to Dinner»), Regisseur Fred Zinnemann, Drehbuchautor Carl Foreman und Komponist Dimitri Tiomkin feierten 1952 mit dem Western «High Noon» einen Triumph. Zwei Jahre zuvor waren sie mit der ersten Zusammenarbeit «The Men» nicht ganz so erfolgreich. Im Drama schildern sie die damals noch relativ wenig erforschten Folgen von Paraplegie und vor allem die psychische Auswirkung dieser Verletzung auf die Patienten.

Die Inszenierung von Zinneman ist manchmal packend, manchmal eher zähflüssig. Vor allem fühlt sich der Film durch einige sehr künstliche Szenen meist wie ein Lehrfilm über die soziale Ausgrenzung von Querschnittgelähmten an. Ein solcher Moment ist etwa der Vortrag, den der Arzt vor den versammelten Frauen und Freundinnen der Behinderten hält. Zuerst erklärt er die Auswirkungen der Verletzung, die Symptome und die Aussichten auf eine Heilung: «In almost every case the word ‘walk’ must be forgotten.» In fast jedem Fall müsse das Wort «gehen» vergessen werden. Dann werden noch Fragen zu Heilmitteln und -methoden, Blasen- und Darm-Funktionen und psychischer Belastung gestellt.

So wird eine Szene an die andere gereiht, um zu zeigen, wie schwierig es die behinderten Veteranen in der Gesellschaft haben. Der «Krüppel» wird in einem noblen Restaurant vorwurfsvoll angestarrt, in einer Bar herablassend behandelt, die weibliche Hauptfigur muss ihre Eltern überzeugen («You think I’m a silly young girl who doesn’t know the difference between pity and love.»), und selbst der Arzt des Spitals rät von einer Hochzeit mit einem Behinderten ab.

Die kitschige, ununterbrochen ertönende Musik von Tiomkin ist geradezu erdrückend. Bemerkenswert ist «The Men» jedoch als Zeitdokument für den Umgang mit körperlich behinderten Menschen und vor allem für das gelungene Debüt von Marlon Brando. Die Schauspiellegende spielt nämlich den von einer Kugel getroffenen Bud. Im Spitalbett liegend stellt er konsterniert fest: «I was afraid I was gonna die. Now I’m afraid I’m gonna live.» Seine Verlobte Ellen weist er zuerst zurück, doch die gibt sich störrisch und möchte auf jeden Fall heiraten. Sie setzt sich schliesslich durch, doch nach der Hochzeit wird ihr die Belastung durch den zornigen Bud plötzlich zu viel.

«Coming Home»

Aus dem Vietnamkrieg kehrten dann in den 70er-Jahren wegen den Fortschritten bei der Behandlung noch viel mehr Soldaten anstatt tot mit einer körperlichen Behinderung in die USA zurück. Davon erzählen «Coming Home» und «Born on the Fourth of July». «Coming Home» ist 1978 schon kurz nach dem Abzug der Truppen entstanden. Jane Fonda spielt Sally, die konservative Frau eines Hauptmanns (Bruce Dern, «The Cowboys»), der gerade nach Vietnam geschickt wird. Sie meldet sich freiwillig in einem Kriegsspital, wo sie auf den behinderten Luke Martin (Jon Voight) trifft.

Luke ist zynisch und erbarmungslos ehrlich. Trotz seiner schroffen Art verliebt sich Sally in ihn. Die zärtliche Liebesbeziehung findet ein jähes Ende, als der Ehemann von Sally wegen einer ungefährlichen Verletzung von der Front nach Hause geschickt wird. Fonda und Voight haben für ihre Rollen einen Oscar entgegen nehmen dürfen. Auch das Drehbuch ist mit einer Goldfigur ausgezeichnet worden. Wie in «The Men» kommt der Krieg hier auch nur am Rand vor, Kampfszenen schon gar nicht.

Regisseur Hal Ashby («Harold and Maude») konzentriert sich ganz auf das Innenleben seiner Figuren und die Beziehung zwischen Luke, Sally und ihrem Ehemann. Die Handlung wird zudem – für die damalige Zeit gar nicht so unüblich – sehr sprunghaft vorangetrieben. «Coming Home» gibt das Lebensgefühl einer Generation zwischen Patriotismus und Ernüchterung wieder. Meine vier Jahre alte DVD enttäuscht durch fehlendes Bonusmaterial, kontrastarmes und leicht verkratztes Bild und die dumpfe Tonspur in Mono. Unterdessen ist aber eine neue Version erschienen, die womöglich zumindest die technischen Mängel behoben hat.

Tom Cruise in «Born on the Fourth of July»

In «Born on the Fourth of July» (1989) verarbeitete Regisseur Oliver Stone nicht wie in «Platoon» seine eigenen Erfahrungen, sondern stützt sich auf die Biografie von Ron Kovic. Enthusiastisch stürzt sich der junge Kovic (Tom Cruise) in das Abenteuer Vietnam, muss dann aber ernüchtert feststellen, dass der Krieg in Asien ein regelrechter Albtraum ist. Dann wird er von einer Kugel getroffen und landet in der Hölle, einem scheusslichen Kriegsspital in den USA.

Kovic behält seine Überzeugungen vom gerechten Krieg in Vietnam vorerst bei. Doch je erniedrigender die Erfahrungen und die Behandlung in seiner Heimat werden, umso weiter öffnen sich seine Augen. Kovic wird zum vehementen Kriegsgegner und spricht öffentlich von seinen Erlebnissen. Der Wandel erfolgt schrittweise und erlaubt Stone auf diese Weise eine stückweise Zerlegung aller möglichen Mythen.

Das Drama «Born on the Fourth of July» ist nicht nur Stones zweitreifster Film (nach «Heaven & Earth»), sondern bietet auch die bis heute intensivste und eindrücklichste Leistung von Cruise, für die er zurecht eine Oscar-Nomination erhalten hat. Wer den Scientologen nicht mag, wird sich aber wohl auch von diesem Film nicht bekehren lassen. Die DVD ist mit einem Audiokommentar von Stone und einem Drehbericht (21 Minuten) ausgestattet, der aus Interviews mit Kovic, Cruise und Stone sowie Filmausschnitten besteht.

«The Men»: 3 Sterne
Bild-/Tonqualität: 4 Sterne
Bonusmaterial: 0 Sterne

«Coming Home»: 5 Sterne
Bild-/Tonqualität: 3 Sterne
Bonusmaterial: 0 Sterne

«Born on the Fourth of July»: 6 Sterne
Bild-/Tonqualität: 5 Sterne
Bonusmaterial: 3 Sterne

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