Exorzismus: «The Exorcist»-Prequel bis «Requiem»

«The Exorcism of Emily Rose»

Momentan wird im Kino gerade nicht besonders viel exorziert. Das war um 2005 noch ganz anders. Da drängten gleich mehrere Exorzismus-Filme in die Kinos. Zwei davon stützten sich auf eine wahre Begebenheit. 1976 verstarb in Deutschland die 23-jährige Anneliese Michel unterernährt und entkräftet. Neun Monate zuvor hatten ein Pater und ein Pfarrer mit dem Exorzismus der ihrer Meinung nach Besessenen begonnen. Die Eltern und die beiden Geistlichen wurden zu sechsmonatigen Haftstrafen verurteilt.

Für das Gerichtsdrama «The Exorcism of Emily Rose» wurde die Handlung in die USA verlegt. Zu Beginn der Erzählung ist die Teufelsaustreibung abgeschlossen. Die Anwältin Erin Bruner (Laura Linney) übernimmt die Verteidigung von Pater Moore (Tom Wilkinson, «Cassandra’s Dream»), der den Exorzismus durchgeführt hat und der fahrlässigen Tötung angeklagt wird. Bruner glaubt zu Beginn der Verhandlungen weder an die Existenz Gottes noch an die Einflüsse des Teufels.

Doch mit der Zeit gerät Bruner in den Bann von Pater Moores Schilderung der Vorfälle. Zeugenaussagen sorgen dafür, dass den Zuschauern die Besessenheit der Studentin durch Rückblenden vor Augen geführt wird. Auf der anderen Seite schildert der Staatsanwalt (Campbell Scott), wie das Opfer wegen Epilepsie und einer Psychose ärztliche Behandlung benötigt hätte.

Die Filmemacher überlassen dem Publikum das Urteil, welche Variante zutreffen soll. So lösen sie auch das mit dem Genre verbundene Dilemma: Soll der Film seine gewünschte Wirkung entfalten, muss auch ein aufgeklärtes Publikum zumindest für die Dauer des Kinobesuchs an die Dämonen glauben.

Die zweifelnde Anwältin dient in diesem Fall als Identifikationsfigur für die Zuschauer. Andererseits können Ungläubige den Film durch den wissenschaftlich vorgehenden Staatsanwalt als packendes Gerichtsdrama geniessen. Obwohl dieses Genre-Gemisch zwischendurch an seine Grenzen stösst, vermag das Horrordrama sowohl auf emotionaler als auch rationaler Ebene meist zu überzeugen.

Film «The Exorcism of Emily Rose»: 4 Sterne

Sandra Hüller und Burghart Klaussner in «Requiem»

Im April 2005 kam dann «Requiem» von Hans-Christian Schmid in die Schweizer Kinos und zeigte, wie der Fall Anneliese Michel aus europäischer Sicht bearbeitet wird. Viel Erfolg war dem Film nicht beschieden: Gerade einmal 4467 Besucher sahen sich in der Schweiz den Film an («The Exorcism of Emily Rose» verzeichnete immerhin zehn Mal so viele Besucher). Ein so schlechtes Ergebnis hat «Requiem» bestimmt nicht verdient.

Was sofort klar wird: «Requiem» lässt sich bestimmt schwerer vermarkten als ein Exorzisten-Film, den die Schilderung ist vollkommen unspektakulär. Doch genau darin liegt auch die grosse Stärke des Films. Hans-Christian Schmid nimmt sich seiner Figuren an, beobachtet, wie die verschiedenen Einflüsse das Leben der Anneliese Michel zerstören, die in seiner Fassung Michaela Klingler heisst.

Schmid lässt das Drama nicht im Gerichtssaal stattfinden, sondern konzentriert sich auf die entscheidende Epoche im Leben seiner Protagonistin. Der Film setzt ein, als die an Epilepsie erkrankte Michaela (Sandra Hüller) die Zulassung zur Uni erhält und schildert danach, wie sie sich von der dominanten Mutter lösen muss, und wie sie in der Einsamkeit der Universität mit den wenigen Freunden und mit ihrer Krankheit hadert.

AUch Schmid nimmt bewusst keine Stellung. Michaela ist nicht einfach das Opfer der Kirche oder der Mutter, sondern scheitert letztendlich an sich selbst und ihrer Unfähigkeit sich von den externen Einflüssen zu lösen. Oder wie Sandra Hüller es auf der DVD entsprechend beschreibt: «Ein gescheiterter Versuch der Abnabelung.»

Die DVD ist vorzüglich ausgestattet. Der Audiokommentar mit Regisseur und Hauptdarstellerin ist dabei bedeutend eindrücklicher als der etwas zu bedächtige Drehbericht oder die stereotypen Interviews. Durchwegs sehenswert sind die entfallenen Szenen, welche den Figuren noch ein bisschen mehr Farbe geben.

Film «Requiem»: 5 Sterne
Bild-/Tonqualität «Requiem»: 5 Sterne
Bonusmaterial «Requiem»: 5 Sterne

Gabriel Mann und Stellan Skarsgård in «Dominion: Prequel to the Exorcist»

Die klassischen Exorzismusfilme widersetzen sich einer solch distanzierten Betrachtungsweise. 2001 wurde ein Versuch gestartet, der beschwörenden Mythologie aus «The Exorcist» neues Leben einzuhauchen. Regisseur Paul Schrader (Drehbuchautor von «Taxi Driver») sollte Pater Merrin in den Kampf gegen das Böse führen. Herzstück von Schraders «Dominion: Prequel to the Exorcist» ist ein fesselnder Dialog zwischen Merrin und dem Dämon.

Film «Dominion: Prequel to the Exorcist»: 5 Sterne
Bild-/Tonqualität «Dominion: Prequel to the Exorcist»: 5 Sterne
Bonusmaterial «Dominion: Prequel to the Exorcist»: 4 Sterne

Nach Abschluss der Dreharbeiten wurde Schrader aber von den Produzenten gefeuert, weil sie mehr Blut sehen wollten. Engagiert wurde darauf Actionregisseur Renny Harlin («Die Hard 2»), der das gesamte Filmmaterial neu drehte. Die komplett veränderte Handlung macht aus seinem «The Exorcist: The Beginning» eine blutige Schlachterei mit wenig Sinn für die eigentlichen Motive der Teufelsaustreibung. Immerhin sind beide Versionen auf DVD erschienen.

Film «The Exorcist: The Beginning»: 2 Sterne
Bild-/Tonqualität «The Exorcist: The Beginning»: 5 Sterne
Bonusmaterial «The Exorcist: The Beginning»: 3 Sterne

Effektvoll exorziert wird auch in «The Amityville Horror» mit James Brolin, Margot Kidder und Rod Steiger. Die Handlung spielt in einem Haus, in dem dämonische Stimmen die Bewohner dazu drängen, ihre Mitbewohner zu ermorden. Während im vielschichtigen Original von 1979 der Pater, der die Dämonen aus dem Haus austreiben soll, eine zentrale Rolle einnimmt, wurden die religiösen Motive im Remake (2005) mit Ryan Reynolds und Melissa George auf ein Minimum reduziert. Blutige Effekte stehen in der enttäuschenden Kopie im Vordergrund.

Film «The Amityville Horror» (1979): 5 Sterne
Film «The Amityville Horror» (2005):
3 Sterne
Bild-/Tonqualität «The Amityville Horror» (beide Fassungen): 5 Sterne
Bonusmaterial «The Amityville Horror» (beide Fassungen): 5 Sterne

(Bilder: ©Sony/Warner)

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