«Just Another Love Story» von Ole Bornedal

Charlotte Fich und Anders W. Berthelsen in «Kærlighed på film»

Das Ende kommt gleich am Anfang. Ein Mann liegt blutend im Regen. Er philosophiert sterbend über die Schönheit des Moments. Tatsächlich fällt der Regen wunderbar ästhetisch auf den auslaufenden Körper. Eine wegweisende Szene für das dänische Liebesdrama «Just Another Love Story» («Kærlighed på film»), das alles andere als «einfach eine weitere Liebesgeschichte» erzählt.

Der dänische Titel lautet wörtlich übersetzt einfach «Liebe im Film». Die verschiedenen Möglichkeiten der Liebe werden auch gleich zu Beginn eingeführt. Tragisch, verzehrend oder auch ganz alltäglich. Diese unterschiedlichen Zustände treffen aufeinander, als sich der Polizeifotograf Jonas (Anders W. Berthelsen) in seinem Auto auf den Weg zur Arbeit macht. Das nicht mehr ganz tadellose Fahrzeug gibt mitten auf der Strasse den Geist auf. Kurz darauf kommt es zu einem folgenschweren Unfall.

Rebecka Hemse in «Kærlighed på film»

Julia (Rebecka Hemse) versuchte noch, dem Auto von Jonas auszuweichen, stösst dabei aber mit einem entgegenkommenden Auto zusammen. Nun liegt sie im Spitalbett, auf der Stirn eine Narbe wie die Braut von Frankensteins Monster. Sie ist in einem Koma, die Familie besorgt. Jonas fühlt sich schuldig und besucht die Patientin. Die Familie verwechselt den Besucher mit dem Freund von Julia, den sie in Vietnam kennengelernt hat. Der sprachlose Jonas fügt sich in seine neue Rolle.

Mit der Weile sieht er in der Verwechslung eine Chance zur Flucht aus der Realität. Weg von seinem tristen Ehealltag, in dem lustvolle Momente gleich durch die Neugier der Kinder zerstört werden. Als Freund von Julia erfüllt er sich jetzt seinen Wunsch, als Fotoreporter um die Welt gereist zu sein. Es ist die Flucht aus einem kleinen Land, die Julia gelebt hat und nun von Jonas nacherlebt wird. Aber dann ist da noch der geheimnisvolle Vermummte im Krankenhaus, und bei der Gattin (Charlotte Fich) macht sich Jonas durch sein seltsames Verhalten verdächtig.

Nikolaj Lie Kaas und Rebecka Hemse in «Kærlighed på film»

Noch bevor Ende der 90er-Jahren das unabhängige Kino weltweit durch die Dogma-Bewegung aus Dänemark erneuert wurde, sorgte bereits Regisseur und Drehbuchautor Ole Bornedal durch sein Kinodebüt «Nattevagten» (1994) für viel Aufmerksamkeit für das dänische Kino. Drei Jahre später durfte er in Hollywood seinen Thriller mit Ewan McGregor in der Hauptrolle als «Nightwatch» (1997) noch einmal verfilmen. Seither waren seine Filme nicht mehr in den Schweizer Kinos zu sehen. Mit «Just Another Love Story» meldet er sich eindrücklich zurück.

Abgründig virtuos erzählt Bornedal die Geschichte zwischen Liebe und Wahnsinn. Er steigert sich dabei immer wieder zu einzigartigen Höhepunkten der Erzählung, in denen er die verschiedenen Wahrheiten und Lügen auf der Bild- und Tonebenen mit unentrinnbarem Sog zusammenmischt. Unübertrefflich ist in dieser Hinsicht die erste Unterhaltung zwischen Jonas und Julia, in der Jonas seine ganze Verzweilfung über ein mittelmässiges Leben ausschüttet. In der Erinnerung bleibt aber auch der wohl eleganteste Autounfall in der Geschichte des Kinos hängen. Schwerelos wird da Julia durch den Raum geschleudert.

Je nach Betrachtungsweise hat der Film zwischendurch einige Durchhänger oder Verschnaufpausen. Die Übergänge sind nämlich nicht immer ganz reibungslos ausgefallen. Der ansonsten atemlosen Energie des Films und der Wirkung der reizvollen Aufnahmen kann man sich dennoch nur schwerlich entziehen. Zum Genuss trägt auch der manchmal subtile, dann auch wieder brachiale Humor bei. So findet etwa, als Jonas von einem Kollegen im Leichenhaus ins Gewissen geredet wird, im Hintergrund gerade eine knochenbrechende Obduktion statt.

Fazit: «Just Another Love Story» ist eine zwischendurch atemberaubend intensive Geschichte über die Varianten der Liebe.

Bewertung: 5 Sterne

(Bilder: ©Ascot Elite)

1 comment

Leave a comment