[Erschienen am 7. August 2007, 22.43] Auch in diesem Jahr gehörte am Journée du Cinéma Suisse am Abend die Piazza Grande dem Schweizer Film – der erste Abend mit Blitz, Donner und ab Hälfte des Films auch viel Nass. Ursprünglich war die Vorführung des Animationsfilms «Max & Co» geplant gewesen. Als dann der Animtationsfilm aber nach einem Verleiherwechsel zurückgezogen worden ist, durfte nun das welsche Drama «1 Journée» seine Weltpremiere feiern. Erzählt wird ein schicksalshafter Tag im Leben von Serge (Bruno Todeschini), Pietra (Natacha Régnier) und ihrem 8-jährigen Sohn Vlad (Louis Dussol).
An einem regnerischen Wintertag macht sich der Radiojournalist Serge früh auf den Weg zur Arbeit. Er macht aber zuerst einen kleinen Umweg zu seiner Geliebten Mathilde (Noémie Kocher, die auch mit dem Regisseur das Drehbuch geschrieben hat), die im Wohnblock nebenan wohnt. Als er danach aufbricht, ist es immer noch stockdunkel. Mit seinem Auto rammt er ein Objekt. Geschockt begeht Serge Fahrerflucht. Am Mittag kehrt er nach Hause zurück, wo er in der Wohnung seiner Familie noch einmal Mathilde bumst.
Als er das Haus verlässt, wird er von seiner Frau Pietra beobachtet. An dieser Stelle kehrt der Film wieder an seinen Anfang zurück, um den Morgen aus der Perspektive von Pietra zu erzählen. Die arbeitet in einem Kunstmuseum in Genf, das aber wegen einem tollwütigen Hund gesperrt ist. Nach einem kurzen Gang durch das Museum macht sie sich wieder auf den Weg nach Hause, wo sie das Liebespaar überrascht. Geschockt verlässt sie die Wohnung.
Die Kamera folgt nun wieder Serge, der von seinem schlechten Gewissen geplagt im Krankenhaus und bei der Polizei nach seinem Opfer sucht. Schliesslich wird auch noch der gemeinsame Sohn Vlad durch den Tag begleitet, der mehr von den Problemen der Eltern mitbekommt, als sie sich denken.
Der Film von Jacob Berger kann eine zunächste faszinierende Struktur und eine technisch perfekte Inszenierung vorweisen, die durch expressive Aufnahmen die urbane Einsamkeit der Vorstadt Meyrin einfängt. Nur die Figuren mögen nicht so richtig überzeugen und bieten zumindest für mich überhaupt kein Identifikationspotenzial. Der Vater ist ein arrogantes Arschloch (Zitat der Sekretärin, mit der er natürlich auch schon geschlafen hat), die Mutter eine selten seltsame Nuss und der Sohn ein neunmalkluger Träumer.
Da es mich keinen Deut schert, was mit diesen oberflächlichen Figuren geschieht, hat mich der Film mehr erheitert als berührt. Herrlich etwa, wie die Mutter in ein Genfer Gebäude gelangt, um sich plötzlich im Kunsthaus Zürich wiederzufinden. Die Ungereimtheiten der Geografie in Filmen würde viele Bände füllen, wieso die Produzenten von «1 Journée» in Genf kein passendes Museum für ihren Film finden konnten, ist allerdings unerklärlich.
Auch der Dostojewski zitierende Polizist ist köstlich, hat er doch in der Pressevorführung nicht nur mit seinen Literaturkenntnissen für viele Lacher gesorgt. Witzig auch, dass die Hauptfigur wie schon in «Comme des voleurs (à l’Est)» Radiojournalist ist. Das muss der neue Trendberuf sein. Am Ende sorgten die bemühten Geständnisse von Serge zu allgemeiner Erheiterung unter den Journalisten. Beabsichtigt?
Fazit: «1 Journée» ist Hochglanzkitsch, da die Figuren wenig Tiefgang erkennen lassen und die Emotionen aufgesetzt wirken.
Bewertung: