[Erschienen am 15. August 2008, 17.25] Trostlos und elend waren die meisten Filme im Internationalen Wetbewerb von Locarno. Als Abschluss bot dann aber der stille Dokumentarfilm «Sleep Furiously» von Gideon Koppel einen willkommenen Lichtblick. In eindringlichen Bildern beobachtet Koppel das Leben der Bewohner in Trefeurig, dem kleinen Dorf in Wales, in dem er aufgewachsen ist.
So einsam und verlassen, wie das Einstiegsbild vermuten lässt, sind die Aufnahmen keineswegs. Koppel konzentriert seine Kamera vor allem auf die Menschen. Wiederkehrendes Element ist der gelbe Lieferwagen von John Jones, dem Wanderbibliothekar, der jeden Monat durch die Gegend fährt, um Bücher zu bringen und zu holen. In seinem Wagen sprechen die Bewohner über die kleinen und grossen Dinge des Lebens.
Koppel ist auch bei einer Gemeindeversammlung anwesend, an der die Zukunft der Dorfschule diskutiert wird. Weil sie nicht mehr von genügend Schülern besucht wird, soll sie geschlossen werden. Dabei hat das Dorf auch schon die Poststelle und den Dorfladen verloren. Doch einige Zentren der Gemeinde überleben die Modernisierung, wie etwa die Viehprämierungen, Backwettbewerbe mit Tierschauen oder der himmlisch singende Chor. Daneben gibt es auch Ackerbau, Schafzucht, Musikstunden in der Schule und Besuche bei der Mutter zu erleben.
Im Katalog bemerkt Koppel, der zugleich Regisseur, Produzent und Kameramann ist, dass er einen Film machen wollte, der «die Gegend eher heraufbeschwört als beschrieb.» Das ist ihm mit seinen ruhig betrachtenden Aufnahmen hervorragend geglückt. Meist in statischen Einstellungen entfaltet sich das Leben in den grünen Hügeln der Region. Dazwischen liefern die Dialoge zwischen den Bewohnern – mal auf Englisch, mal auf Walisisch – die Informationen über das beschauliche und doch einem steten Wandel unterworfene Dasein im abgelegenen Ort.
Der eigenartige Titel bezieht sich auf einen Satz von Linguist Noam Chomsky. «Colorless green ideas sleep furiously» wurde von ihm 1957 formuliert. Der Satz ist zwar grammatikalisch korrekt, hat aber im Grunde keine Bedeutung. Da es aber die Eigenheit der Menschen ist, allen Dingen einen Sinn zu verleihen, wurde die Wortfolge seither auf zahlreiche Arten interpretiert. Dies hat nun auch Gideon Koppel gemacht. Sein Film bietet sich gleich wie der Satz für unzählige Deutungen zu und strahlt zugleich eine beruhigende Kraft aus.
Fazit: «Sleep Furiously» ist ein wunderbarer Dokumentarfilm über die einfache Komplexität des Lebens.
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