Gleich in der ersten Einstellung von «Before the Devil Knows You’re Dead» erreichen Andy (Philip Seymour Hoffman, «Doubt») und seine Gattin (Marisa Tomei, «The Wrestler») im Bett den Höhepunkt. Die Exstase in den Ferien in Rio de Janeiro stellt aber eine Ausnahme im ansonsten tristen Leben des Ehepaares dar. Danach geht es nur noch abwärts. Eine Spirale der menschlichen Finsternis treibt den orientierungslosen Andy auf ein düsteres, fast schon unausweichliches Ende zu.
Nicht nur für Andy, auch für seinen Bruder Hank (Ethan Hawke) will die Sonne nicht mehr so richtig scheinen. Bei seiner Ex-Frau (Amy Ryan, «Gone Baby Gone») ist er mit der Alimente im Rückstand, und der Tochter kann er nicht einmal einen Schulausflug bezahlen. Da lässt er sich auf einen wahrlich teuflischen Plan von Andy ein. Er soll ein kleines Juweliergeschäft überfallen. Doch dabei kommt es zu unerwarteten Komplikationen.
Die Regie-Karriere von Sidney Lumet dauert nun schon länger als 50 Jahre. Bereits sein Debüt «12 Angry Men» stellte einen Höhepunkt in seiner Karriere dar. Das Drama «Before the Devil Knows You’re Dead» kann sich ebenfalls sehen lassen. Die Handlung stammt vom Debütanten Kelly Masterson, einem ehemaligen Franziskaner, der sich kurz vor seiner Ordination für eine Karriere als Theater- und Drehbuchautor entschied. Die entworfene Geschichte ist jenseits von trostlos. Seine Figuren wirft er konsequent in auswegslose Situationen, die keine moralische Entscheidungen mehr zulassen. So lässt sich auch der auf den irischen Trinkspruch «May you be in heaven half an hour before the devil knows you’re dead» anspielende Titel erklären. Der Teufel würde ganz bestimmt Anspruch auf die Seelen von Andy und Hank anmelden.
Ein Diamantenhändler fasst die durch und durch düstere Weltsicht perfekt zusammen: «Die Welt ist ein übler Ort. Einige Menschen profitieren davon, andere werden dadurch zerstört.» Durch die präzisen Dialoge und die hervorragenden Schauspieler lässt sich der unheilvolle Absturz der kriminellen Brüder aus der sicheren Distanz genüsslich betrachten. Bei den Darstellern sticht neben Hoffman, Hawke und Tomei natürlich der gewohnt unübertreffliche Albert Finney («Big Fish») als Vater der Verbrecher ins Auge.
Einziger Schwachpunkt ist die etwas zu stark verbogene Handlung. Der missglückte Überfall wird gleich zu Beginn gezeigt. Danach werden in parallelen Strängen die Abläufe vorher und danach aus der Sicht von Andy, Hank und anderen Figuren geschildert. Dadurch resultieren einige wilde Sprünge auf der Zeitlinie, die manchmal der Wirkung abträglich sind. Die Erzählweise hat aber durchaus auch positive Auswirkungen. Dadurch gewinnt die unerbittliche und finstere Handlung nämlich einen gewissen morbiden Humor.
Fazit: «Before the Devil Knows You’re Dead» ist ein formal etwas übersteigertes, inhaltlich und schauspielerisch aber überragendes Kriminaldrama.
Bewertung:
“12 Angry Men” fand ich auch sehr beeindruckend, deshalb wollte ich mich auch mal näher mit dem Werk von Sidney Lumet beschäftigen. Seine beiden neuesten Werke, “Before the Devil Knows You’re Dead” und “Find Me Guilty”, stehen bei mir schon im DVD-Regal, leider noch ungesehen. Aufgrund Deiner Rezension freue ich mich aber schon auf die Sichtung.