ZFF 09: «Away We Go» von Sam Mendes

Maya Rudolph und John Krasinski in «Away We Go»

Burt, are we fuck-ups?

Langsam aber sicher verdient sich Sam Mendes einen Platz auf meiner Liste von Lieblingsregisseuren. Die Oscars für sein Regiedebüt «American Beauty» beurteilte ich damals zwar als unverdient, und auch der Nachfolger «Road to Perdition» bedarf wohl einer erneuten Betrachtung. Anschliessend setze sich Mendes aber in «Jarhead» und «Revolutionary Road» beeindruckend mit der menschlichen Befindlichkeit auseinander. Überragend ist nun die zärtliche Tragikomödie «Away We Go» über angehende Eltern auf der Suche nach einer Heimat.

Als Burt (John Krasinski) eines Tages seine Freundin Verona (Maya Rudolph) oral befriedigen möchte, bemerkt er: «You taste different.» Das könne durch verschiedene Faktoren ausgelöst werden, bei Verona ist es eine unerwartete Schwangerschaft. Im sechsten Monat erfahren die angehenden Eltern aus heiterem Himmel, dass die Eltern von Burt (grandios: Catherine O’Hara und Jeff Daniels) beabsichtigen, ihren Wohnsitz in zwei Monaten nach Europa zu verlegen. Da stellen sich Burt und Verona die Frage, wo sie ihr Kind aufziehen wollen.

Quer durch die USA und bis nach Montréal begibt sich das Paar in der Folge auf die Suche nach dem idealen Wohnort. In Phoenix treffen sie auf ehemalige entfernte Freunde (Allison Janney, Jim Gaffigan), die sie bestimmt nicht mehr als einmal sehen wollen. In Tuscon fragt die Schwester (Carmen Ejogo) von Verona ein wenig zu häufig nach den verstorbenen Eltern. Beinahe traumatisch verläuft in Madison die Begegnung mit einer Jugendfreundin (Maggie Gyllenhaal) von Burt, die mit ihrem Partner (Josh Hamilton) ein esoterisches Liebesnest für ihre Familie gebaut hat, in dem Kinderwagen verboten sind.

Zuversichtlicher stimmt der Besuch bei ehemaligen Studienkollegen (Chris Messina, Melanie Lynskey) in Montréal, die mit adoptierten Kindern scheinbar in Harmonie leben. Bis sich herausstellt, dass sie schon mehrere Fehlgeburten hinter sich haben. Völlig aufgelöst zeigt sich auch Burts Bruder (Paul Schneider) in Miami, dem die Frau davongerannt ist. Jetzt befürchtet er, dass er das Leben seiner Tochter vermiesen wird, weil er keine Ahnung hat, wie er ihr bei den täglichen Problemen eines Mädchens beistehen soll.

Carmen Ejogo und Maya Rudolph in «Away We Go»

Nachdem sich das Paar aus «Revolutionary Road» bis aufs Blut bekriegt hat, steht in «Away We Go» eine bedeutend ausgeglichenere Beziehung im Zentrum. Verona fragt sich zwar zwischendurch auch, wieso sie mit dem manchmal etwas eigenartigen Burt zusammen ist. Doch für ihr Glück fehlt wirklich nur das ideale Heim, der Ort, an dem sie ihre Vorstellung von einer Familie verwirklichen können. Auf der Suche danach stellen manchmal bizarre, teilweise auch verstörende Begegnungen ihre Überzeugungen auf eine harte Probe.

Einige der Personen, die Verona und Burt besuchen, sind völlig überzeichnete Karikaturen, angefangen bei den aufgedrehten Eltern von Burt über die rücksichtslosen Freunde in Phoenix bis hin zur fundamentalistischen Esoterikerin. Neben diesen schrillen Momenten bleibt aber auch viel Raum für ernsthafte Augenblicke und tiefgründige Auseinandersetzungen mit den unterschiedlichen Familienbildern. Vorzüglich sind die Dialoge aus dem Drehbuch von Dave Eggers und Vendela Vida, die teilweise auch ziemlich bösartig sein können. Nachdem Verona darüber ärgert, dass Burts Eltern nach Europa abhauen, verteidigt sich Burt:

Burt: «It’s not like your parents are doing anything.»
Verona: «My parents are dead, Burt.»
Burt: «Still.»

Schlagfertig und schonungslos nähert sich das Paar auf diese Weise seiner Destination und entdeckt sich dabei selbst. Die Darsteller sind allesamt perfekt besetzt. Herausragend ist aber vor allem Maya Rudolph in ihrer ersten Hauptrolle. Sie überstrahlt mit einer ruhigen Präsenz und zauberhaften Schönheit ihre Umgebung und betört mit ihrer sanften Stimme.

Fazit: «Away We Go» ist eine teilweise irrwitzige, dann wieder sehr berührende Tragikomödie, die herzhaft lachen lässt.

Bewertung: 6 Sterne

(Bilder: ©2009 Ascot Elite)

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