Wenn einmal ein Wettbewerbsfilm am 5. Zurich Film Festival nichts taugt und technische Probleme die Stimmung trüben, dann sorgt wenigstens die Jury für beste Unterhaltung. Oder besser gesagt: Jury-Präsidentin Debra Winger. Sie sieht zwar nicht mehr ganz so jung aus wie auf dem Bild aus «The Sheltering Sky», doch sie ist noch mindestens so temperamentvoll wie ihre Figur im Film von Bernardo Bertolucci.
Gestern Nachmittag ist die Vorführung von einem Film auf DigiBeta schon nach wenigen Sekunden wieder zu Ende gewesen. Offensichtlich lag eine technische Störung vor. Das führte dazu, dass sich Debra Winger erkundigte, ob hier am Festival eigentlich freiwillige Operateure am Werk seien. Sie machte den Vorschlag, dass die Jury einen Teil des Preisgelds an die Bezahlung von professionellen Filmvorführern stiftet. Sie war sich dabei durchaus bewusst, dass selten ein Festival völlig reibungslos abläuft.
Wer schon einmal an einem Filmfestival war, wird schon eine technische Panne erlebt haben. Das ist auch bei A-Festivals wie der Berlinale oder Locarno nicht anders. 2008 war in Berlin an der Pressevorführung von «There Will Be Blood» ein störendes Brummen zu hören. In Locarno wurde vor zwei Jahren eine digitale Projektion von «Extraordinary Rendition» im Fevi um über eine halbe Stunde verzögert, letztes Jahr war «Marcello, Marcello» bei der Pressevorführung nicht richtig eingespannt, und von diesem Jahr habe ich bereits berichtet, dass bei der Vorführung von «Cyborg 009: Legend of the Super Galaxy» zwei Rollen verwechselt waren.
Auch Winger bemerkte, dass sie über ihre Erlebnisse an Filmfestivals ein Buch schreiben könnte. Nach kurzer Zeit begann sie gestern aktiv zu werden und schlug vor, dass doch stattdessen ein anderer Wettbewerbsfilm gezeigt werden solle, damit die zwei Stunden nicht völlig verschwendet sind. Nach einer kurzen Verschnaufpause kam sie zurück in den Saal und witzelte in Anspielung auf die Verhaftung von Roman Polanski: «The Swiss government is on it. If the Los Angeles D.A. calls, I’m not involved.» Die Schweizer Regierung habe sich der Sache angenommen. Falls der Staatsanwalt von Los Angeles sich melden sollte, sei sie nicht darin verwickelt gewesen.
Die Vorführung des vorgesehenen Films hat dann doch noch beginnen können – mit einer halben Stunde Verspätung. Gezeigt wurde er dann ab DVD. Darunter litt vor allem die Bildqualität, aber auch der Inhalt des Films sorgte nicht gerade für Begeisterung. Als Winger nach der Vorführung an die frische Luft stürzte, rief sie ihren Kollegen zuerst einmal zu: «Slap me, slap me, slap me!» Ich liebe Filmfestivals.
Temperamentvoll? Also ich empfand die liebe Frau Winger und den Rest der am Screening (und auch schon in dem zuvor) anwesenden Jury als eher nervend und aufdringlich.
Das ständige Schwatzen, die blöden Sprüche, störendes Seufzen während des Films und das reisserische Lachen bei Szenen, die ihnen wohl unglücklich gemacht erschienen – respektlos.
Ich fand “A Blind River” ja auch ziemlich doof, masse es mir aber nicht an, meine Meinung den anderen Zuschauern derart aufzudrängen.
Du wurdest von der Jury-Präsidenten ja auch zwangsversetzt. Hätte ich vielleicht auch noch erwähnen sollen, wie sie Lory, der es sich schon in seinem Sessel eine Reihe vor ihr gemütlich gemacht hatte, nach ihrer Ankunft unmissverständlich aufforderte, doch bitte einen Sitz weiter links einzunehmen. Vielleicht brauchst du einfach ein wenig mehr Abstand zur Jury. 😉
Zu “A Blind River”: Selten so einen verkrampften, stumpfen Film gesehen.
Zu Debra Winger: Bei der Szene, wo die beiden Frauen den Typen tragen, und die eine meint, sie hätten einen Shopping-Kart nehmen sollen, ist sie in Tränen ausgebrochen – vor Lachen. Man stelle sich mal vor, der Regisseur wäre anwesend gewesen …
Jurypräsidentin oder Hollywood-Star hin oder her: Etwas mehr Respekt fordere auch ich ein.
Also die erwähnte Szene habe ich auch als absichtlichen Humor aufgefasst. Wie laut und heftig man darüber lachen soll oder darf, ist natürlich eine andere Frage.
Was den Respekt gegenüber den Film anbelangt, setze ich voraus, dass sich der Film ihn verdienen muss. Allerdings kann auch noch Respekt gegenüber dem restlichen Publikum eingefordert werden, dem der Film möglicherweise sogar gefällt. Den hat Winger anscheinend vermissen lassen. Ich sass allerdings ein wenig weiter entfernt und kann das nicht genau einschätzen.