ZFF 09: «The Merry Gentleman» von Michael Keaton

Michael Keaton und Kelly Macdonald in «The Merry Gentleman»

You just might be the sweetest man I’ve ever met.

Wie kriegt man ein Küsschen von Michael Keaton? Ganz einfach. Nach der Europapremiere von «The Merry Gentleman» heftig «Bravo» rufen, und schon eilt der Hollywood-Star und Regiedebütant an, um sich ordentlich zu bedanken. So geschehen am Donnerstag am 5. Zurich Film Festival im ausverkauften Corso 1. Die Frau hat den unerwarteten Körperkontakt ebenso verdient wie Michael Keaton den kräftigen Applaus. Sein Erstling als Regisseur ist ein stilvolles Drama mit trockenem Humor und europäischer Ästhetik.

Die von ihrem Ehemann geschlagene Kate (Kelly Macdonald) packt eines Tages verzweifelt die Koffer und verschwindet in eine andere Stadt. Dort sieht sie beim verlassen des Büros einen Mann auf der Dachkante eines Hauses stehen und stösst unvermittelt einen Schrei aus. Der lebensmüde Mann ist Frank (Keaton), ein Auftragskiller, der soeben einen Auftrag erledigt hat. Er verliert das Gleichgewicht und fällt nach hinten auf das Dach. Kate hat ihm das Leben gerettet.

Am nächsten Tag tauchen die Kriminalbeamten Dave Murcheson (Tom Bastounes) und Billy Goldman (Guy Van Swearingen) im Büro von Kate auf und stellen ihr ein paar Fragen. Dave versucht auch gleich noch, sich mit ihr zu verabreden. Doch das gelingt nicht wirklich. Kurz darauf schleppt Kate einen Weihnachtsbaum in ihre Wohnung, bleibt aber schon am Eingang zum Gebäude unter der Tanne liegen. Da eilt ihr Frank zu Hilfe. Langsam bauen die beiden Aussenseiter gegenseitiges Vertrauen auf. Wenn da nur nicht die dunkle Vergangenheit wäre.

Kelly Macdonald und Michael Keaton in «The Merry Gentleman»

Auftragskiller in ungewohnten Situationen als Hauptfiguren sind in den letzten Jahren ganz gross in Mode. Pierce Brosnan in «The Matador», Nicolas Cage in «Bangkok Dangerous» oder Colin Farrell und Brendan Gleeson in «In Bruges» sind nur einige der Schauspieler, die sich in diesem Jahrzehnt sonst für sie nicht gerade übliche Rollen auswählten. Michael Keaton hatte wegen diesem Trend eher Bedenken, diese Figur zu spielen, war dann aber vom Drehbuch doch begeistert.

Als dann kurz vor Drehbeginn der als Regisseur vorgesehene Drehbuchautor Ron Lazzeretti wegen Komplikationen bei einer Blinddarmoperation nicht einsatzfähig war, übernahm Keaton auch gleich noch die Inszenierung des Films. Ihm ist ein Film geglückt, der sich viel Zeit für seine Figuren lässt und ausdrucksstarke Bilder für ihre zerrütteten Emotionen findet. Wie Michael Keaton im Anschluss an die Vorführung verriet, war er besonders von «L’enfant» von Jean-Pierre und Luc Dardenne beeindruckt, die sich wenig um die Konventionen der kommerziellen Filmproduktion kümmern und stattdessen einprägsame Stimmungen erzeugen, welche die Gefühlswelt der Figuren spiegeln.

Einfühlsam nähern sich Keaton und Lazzeretti den Figuren und lassen auch genügend Raum für berührende Momente, die sich ganz behutsam entfalten können. Dabei vermeiden sie die üblichen Reaktionen und Situationen und setzen stattdessen ganz auf ambivalente Szenen. Die geruhsame Art des Films steht in verblüffendem Kontrast zum Auftritt des Regisseurs und Hauptdarstellers nach dem Film. Ganz nervös tanzte Keaton auf der Bühne herum und drängte Moderator Michel Bodmer beinahe von der Bühne. Auf die Frage, ob er wieder einmal Regie führen möchte, antwortete er zur Freude des Publikums mit einem entschlossenen «Yes».

Fazit: «The Merry Gentleman» ist ein stimmungsvolles Drama, das durch gebrochene Figuren und grossartiges Timing fasziniert.

Bewertung: 5 Sterne

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