«The Curious Case of Benjamin Button» mit Brad Pitt

Cate Blanchett und Brad Pitt in «The Curious Case of Benjamin Button»

Wie doch die Zeit vergeht. Am Dienstag habe ich eben erst «The Curious Case of Benjamin Button» von David Fincher gesehen, nun ist bereits Freitag. Die Vergänglichkeit der Zeit ist das zentrale Thema in der epischen Liebesgeschichte, in der ein Mann als Greis geboren wird und 70 Jahre später als Baby stirbt. Wie verhält sich dieser in umgekehrter Richtung lebende Mensch und wie reagiert die Umgebung auf ihn?

«I was born under unusual circumstances,» erklärt Benjamin Button gleich zu Beginn. Ungewöhnliche Umstände haben seine Geburt bestimmt. Bei der Geburt stirbt die Mutter und das Kind entpuppt sich als seltsam gealtertes Knäuel. Der Vater ist schockiert und setzt das Kind auf der Treppe eines Alterswohnheims aus. Dort nimmt sich die Pflegerin Queenie (Taraji P. Henson) des jämmerlichen Findelkinds an. Der Arzt erklärt, dass das Baby an Arthritis leidet und auch sonst so viele Altersbeschwerden vorweist, das es wohl nicht mehr lange leben wird.

Brad Pitt in «The Curious Case of Benjamin Button»Doch der kleine Benjamin (Brad Pitt) wächst beschwerlich weiter. Noch viel ungewöhnlicher ist dann sein weiteres Leben. Vom Aussehen her unterscheidet sich Benjamin kaum von den Mitbewohnern in der Altersresidenz. Sein Spieltrieb sorgt hingegen eher für Unruhe. Nach einigen Jahren trifft er erstmals auf die Enkelin einer Mitbewohnerin und ist sofort hingerissen von der blauäugigen Daisy. Doch die Freundschaft zwischen dem alten Mann und dem Mädchen wird nicht toleriert.

Noch keine 20 Jahre alt heuert der abenteuerlustige Benjamin auf dem Schiff eines Schrotthändlers an. Den Kontakt zu Daisy hält er aufrecht, doch als er nach Russland kommt, verliebt er sich in die Gattin (Tilda Swinton) eines britischen Gesandten. Als die USA in den Zweiten Weltkrieg eintritt, bricht die Affäre auseinander. Nach dem Krieg kehrt Benjamin in die USA zurück, wo er wieder auf Daisy (Cate Blanchett) trifft, die unterdessen eine Balletttänzerin ist. Auf ihre Avancen geht er jedoch nicht ein.

So treffen in den folgenden Jahren Benjamin und Daisy immer wieder aufeinander. Er kämpft im Körper eines jünger werdenden Mannes mit den Gefühlen, die er gegenüber der jungen Daisy hegt. Sie fühlt sich einmal zu ihm hingezogen, stürzt sich dann wieder, enttäuscht von seinem abweisenden Verhalten, in diverse Liebschaften. Irgendwie befinden sich die Seelenverwandten nie in der gleichen Position, um für eine Beziehung bereit zu sein.

Brad Pitt und Cate Blanchett in «The Curious Case of Benjamin Button»Die Unausweichlichkeit der Entscheidungen zieht sich wie ein Roter Faden durch die Handlung.  «Carpe diem» dürfte die reduzierte Botschaft des Films lauten. Wie Benjamin langsam immer deutlicher feststellen muss, nützt es nichts, den verpassten Möglichkeiten nachzuweinen. Sein Leben wird nicht durch das Alter, sondern durch das Verhalten bestimmt. Egal ob man nun vorwärts oder «rückwärts» lebt, wird jedes Ereignis ein erstes Mal erlebt.

Schwelgerisch erzählt Regisseur David Fincher diese Geschichte, die auf eine Kurzgeschichte von F. Scott Fitzgerald basiert. Bereits 1990 schrieb Robin Swicord eine erste Fassung des Drehbuchs, das nun von Eric Roth den Bedürfnissen von Fincher entsprechend umgearbeitet wurde. Wie in der Vorlage konzentriert sich die Handlung auf einzelne Stationen im Leben von Benjamin Button. Die stimmungsvollen Episoden führen ausschweifend in die verzerrte Gefühlswelt des kuriosen Mannes.

Wie ein Fischer werfen die Filmemacher ein Netz aus, sammeln darin Bruchstücke einer verwirrten Existenz, um daraus mit unbremsbarer Erzähllust ein Panoptikum der verpassten Gelegenheiten und unüberwindbaren Hürden zu entwerfen. Fincher stattet die technisch perfekt inszenierte Geschichte mit viel Herz aus und fügt ihr zarten Humor bei. Für ständige Verwunderung sorgt er zudem mit einigen verunsichernden Verfremdungen. So spricht Daisy auch schon als Mädchen mit der Stimme von Cate Blanchett.

Einzig die Rahmenhandlung wirkt bisweilen etwas schwerfällig. Die Geschichte wird nämlich aus der Perspektive einer Frau (Julia Ormond) erzählt, die ihrer sterbenden Mutter aus einem Tagebuch vorliest, in dem Benjamin seine Erfahrungen niedergeschrieben hat. Wie sich bald herausstellt, handelt es sich bei der Mutter um Daisy. So drehen die Filmemacher auf eine Art die Zeit gleich doppelt zurück. Da sich aber im Zustand von Daisy auf dem Sterbebett nicht besonders viel ändert, wirken manche Einschübe störend, weil sie den Erzählfluss unterbrechen.

Unterschiede zu der Vorlage gibt es zahlreiche. Für F. Scott Fitzgerald war die Kurzgeschichte wohl mehr eine Fingerübung, in der er einige fantastische Gedanken ausformulierte. Sein Benjamin hat im Gegensatz zur Filmfigur stets auch das geistige Alter seines Körpers. So sieht er als 20-Jähriger nicht nur wie ein 50-Jähriger aus, sondern denkt und fühlt auch so. Je länger er aber lebt, umso jugendlicher wird sein Verhalten. Im Film wird Benjamin hingegen mit zunehmendem Lebensalter immer reifer.

In der Handlung von Fitzgerald wechseln sich zudem die Bezugspersonen ab. Benjamin wird als Kind nicht ausgesetzt. Stattdessen verhält sich sein störrischer Vater so, als ob es sich bei dem alten Mann um ein gewöhnliches Kind handelt. Es muss mit einer Rassel spielen und in den Kindergarten. Später heiratet Benjamin eine gleichaltrige Frau, die zunächst natürlich 30 Jahre jünger aussieht. Als sich die in unterschiedlichen Richtungen entwickelnden Partner auseinanderleben, bleibt Benjamin bei seinem Sohn, der nicht nur das Geschäft übernimmt, sondern seinen immer kindlicher werdenden Vater bald auch an Reife überragt.

Wer sich noch stärker auf das Thema einlassen möchte, findet im 2004 erschienenen Roman «The Confessions of Max Tivoli» von Andrew Sean Greer eine Ergänzung. Wie Roth steckt Greer einen mental heranreifenden Menschen in einen umgekehrt alternden Körper. Wie Greer erklärt, habe er weder von der Kurzgeschichte von Fitzgerald noch von der Verfilmung gehört, als er 2001 mit dem Schreiben seines Romans anfing. Roth seinerseits hat spätestens 2003 eine Drehbuchfassung abgeliefert.

Fazit: «The Curious Case of Benjamin Button» ist eine verführerische Zeitreise auf den Spuren eines gegen den Strom schwimmenden Menschen, ein wunderbares Märchen über die Unaufhaltsamkeit der Zeit.

Bewertung:
6 Sterne

(Bild: © 2009 Warner Bros. Pictures. All Rights Reserved)

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