Lessons not learned in blood are soon forgotten.
Weil Gesetz und Gerechtigkeit in den Augen von manchen Personen nicht immer identisch sind, erhalten manche Täter nach dem Rechtsempfinden von diesen Personen zu niedrige Strafen. Da ist es wenig verwunderlich, das Hollywood in den letzten Jahren wieder auf den Geschmack von Filmen über Selbstjustiz gekommen ist. In «Law Abiding Citizen» rächt sich Gerard Butler für den Mord an seiner Frau und seiner Tochter.
In seinem Haus muss der Familienvater Clyde Shelton (Gerard Butler, «The Ugly Truth», «300») zusehen, wie seine Frau und seine Tochter von Einbrechern getötet werden. Wegen unbrauchbaren Beweismitteln bietet der zuständige Staatsanwalt Nick Rice (Jamie Foxx, «Any Given Sunday») einem Angeklagten eine milde Strafe für die Aussage gegen den anderen Täter an. «It’s not what you know, Clyde, it’s what you can prove,» muss Rice den erschütterten Shelton belehren. So wird zwar ein Mörder zum Tode verurteilt, der andere kommt aber schon nach drei Jahren wieder aus dem Gefängnis.
Zehn Jahre später wird die Todesstrafe vollstreckt. Auch Rice ist bei der Hinrichtung anwesend. Anstatt sanft einzuschläfern, löst die Todesspritze beim Verurteilten heftige Schmerzen vor dem Tod aus. Polizeidetektiv Dunnigan (Colm Meaney, «The Damned United») und auch Rice verdächtigen den Mittäter. Doch der entzieht sich der Verhaftung und taucht wenig später in Einzelteilen wieder auf. Nun steht plötzlich Shelton im Zentrum der Ermittlungen. Im Gefängnis bietet er dem Staatsanwalt ein Geständnis an, wenn er in der Zelle eine neue Matratze erhält. Doch das ist nur der Anfang von einem tödlichen Katz-und-Maus-Spiel. Shelton will dem Justizsystem eine Lektion erteilen.
Mord aus Rache ist in Hollywood-Filmen wieder angesagt. Wenn das Justizsystem in den Augen von vielen Menschen versagt, sind offensichtlich radikale Methoden erwünscht. «Law Abiding Citizen» ist irgendwo zwischen dem eher nüchternem Kriminaldrama «The Brave One» und dem brutalem Rachethriller «Death Sentence» anzusiedeln. Die bevorstehende grausame Zerstückelung des zweiten Opfers wird zwar nur bis zur Inbetriebnahme der Kreissäge gezeigt, aber die Tötungsarten sind an sich schon nichts für zarte Gemüter. Im Duell zwischen Staatsanwalt und Angeklagtem ist auch ein Schuss «Fracture» enthalten.
Regisseur F. Gary Gray («The Negotiator») vermischt diese Elemente zu einem fesselnden und tadellos inszenierten Thriller, in dem sich vor allem die Frage stellt, wie es der Hauptfigur gelingt, seine Opfer zu ermorden. Über die Botschaft lässt sich freilich streiten. Stellt sich der Film auf die Seite des Rächers Shelton oder wird doch eher für die Anliegen des Staatsanwalts plädiert? Die Auflösung folgt auf jeden Fall klar der Forderung von Shelton, nach der jede Person für ihre Taten zur Verantwortung gezogen werden muss.
Auf zwei faszinierende Elemente in diesem Thriller möchte ich noch hinweisen. Da ist einerseits die Einbettung in die Geschichte von Pennsylvania. Mehrmals kreist die Kamera um die Statue auf der Spitze des Rathauses in Philadelphia. Sie stellt William Penn dar, den Gründer des Staates und der Stadt. Gemäss Wikipedia war er ein pazifistischer Quäker und früher Verfechter von Demokratie und Religionsfreiheit. Die Taten von Shelton dürfte er kaum für vertretbar halten.
Die Handlungen der Hauptfiguren werden ausserdem in einen streng religiösen Kontext gestellt. Shelton warnt einmal: «It’s gonna be biblical.» Ganz nach dem Motto «Auge um Auge, Zahn um Zahn» folgt er einem alttestamterischen Rechtssinn und sieht sich selbst wohl als strafenden Gott für das ihm widerfahrene Unrecht. Der Anwalt seinerseits muss seinen Schwur auf die Bibel ablegen, obschon er angehalten wird, die Verfassung zu schützen. Diesen Widerspruch in eigentlich aufgeklärten Gesellschaften hebt F. Gary Gray durch die Inszenierung hervor.
Fazit: «Law Abiding Citizen» ist ein packender Rachethriller, der trotz oder vielleicht gerade wegen der völlig übertriebenen Handlung bestens unterhält.
Bewertung:
(Bilder: ©Ascot Elite)