Filmkritik, quo vadis?

Podiumsdiskussion ««Print-Profis vs. Blog-Banausen»»

Am Donnerstag wurde nun also an den Solothurner Filmtagen über die Entwicklung in der Branche der Filmjournalismus diskutiert. Die Podiumsdiskussion wurde unter dem provokativen Titel «Print-Profis vs. Blog-Banausen» durchgeführt. Christian Jungen von der «Mittelland Zeitung» moderierte den Anlass, an dem neben mir auch noch Trudy Baumann («Züritipp»), Michel Bodmer (Schweizer Fernsehen), Antoine Duplan («L’Hebdo»), Michael Sennhauser (Radio DRS) und Martin Walder («NZZ am Sonntag») teilnahmen. Anschliessend einige Gedanken zum anregenden Anlass.

Entgegen dem streitbaren Titel ging es weniger um einen Kampf zwischen traditionellen Printjournalisten und wilden Bloggern (zu denen ich ganz bestimmt nicht gehöre), sondern eher um eine sachliche Diskussion über die Zukunft des Filmjournalismus mit besonderer Beachtung der Qualität. Die sei in Gefahr, wenn man von diesem Beruf nicht mehr leben könne. Zum Auftakt rechnete Michel vor, wie er früher von der «NZZ» für eine reguläre Filmbesprechung noch 270 Franken erhielt, mittlerweile nach zwei Kürzungsrunden jedoch nur noch 140 Franken.

Bei einem solch mickrigen Betrag habe nicht nur ich mir die Augen gerieben. Wenn davon ausgegangen wird, dass für einen solchen Text etwa ein Tag eingesetzt werden sollte, dann ergibt sich ein Stundenlohn von mageren 17.50 Franken (vor Abzug AHV/ALV). Wer nebenbei wie Michel eine feste Stelle hat, kann sich eine solche Quersubvention der Zeitungen noch leisten. Wer aber als freier Journalist nicht jeden Tag mit einem solchen Auftrag rechnen kann, wird sich eine anderen Beruf suchen müssen.

Auch Trudy berichtete, dass sie momentan die Honorare für freie Mitarbeiter kürzen müssen. Die «seriöse» Filmkritik in den Zeitungen ist also weniger durch die Konkurrenz aus dem Internet in Gefahr, sondern besonders durch die knausrigen Verleger, die für die Inhalte ihrer Blätter nur noch Hungerpreise bezahlen wollen. Dadurch sparen sie sich aber in erster Linie selbst zu Tode. Auf diese Weise sinkt nämlich sowohl die Anzahl Seiten als auch die Qualität der Inhalte. Neue Abonnenten werden dadurch aber nicht gewonnen.

Zugleich wird die Existenz einer Berufsgruppe vernichtet. Als freier Mitarbeiter kann man sich den Lebensunterhalt nur noch in den wenigsten Fällen finanzieren. So wird der Filmjournalismus zum Nebenerwerb und eine vertiefte Auseinandersetzung mit dem Stoff ist nur noch beschränkt möglich. Diese Schilderung hört sich nun vermutlich ein wenig düsterer an, als sie sich in Wirklichkeit präsentiert. Die Möglichkeiten für den Einstieg in den Beruf sind aber laut Trudy tatsächlich nicht mehr so vielfältig wie noch vor einigen Jahren.

Wer nun trotz magerer Entlöhnung gerne, vielleicht wie ich sogar leidenschaftlich über Film schreiben möchte, muss in den meisten Fällen einen anderen Weg suchen. Ich habe nun diese Präsenz im Internet gewählt und beliefere mit meinen Texten einige wenige Publikationen. Davon leben kann ich nicht. Dafür habe ich zumindest an dieser Stelle alle Freiheiten – bei der Themenwahl und der Menge. Im Grunde kann ich dadurch natürlich so viel Zeit für einen Artikel aufwenden, wie ich möchte. Doch lieber lasse ich einige Gedanken etwas weniger exakt ausformuliert und rege dafür durch zusätzliche Artikel den Meinungstausch an. Auch ein Vorteil gegenüber den Zeitungen.

Die Diskussion am Podium ist natürlich nicht ganz so abgelaufen, wie es sich hier nun anhört. Hier ist – wie es sich gehört – meine Meinung zu der Situation zu lesen. Da ich erstmals als Teilnehmer an einem Podium war, hielt ich mich mit Äusserungen eher zurück, zumal sich die erfahreneren Anwesenden bedeutend präziser auszudrücken vermochten. Da hörte ich meistens einfach nur gebannt zu und stellte fest, dass sich die Erfahrungen an und für sich nicht so stark unterscheiden, wie ich angenommen hatte. So sind auch Michael und Michel multimedial tätig und «bedienen mehrere Vektoren,» wie es Michel ausdrückte.

Im Publikum befanden sich vor allem Berufskollegen, die anschliessend auch noch zu Wort kamen. Simon Spiegel beklagte etwa, dass im Internet wegen fehlender Redaktionsarbeit häufig die Qualität nicht stimmt. Als Beispiel führte er «Cineman» an, wo Schreibfehler nicht korrigiert würden. Auch ich kann mir natürlich kein Korrektorat leisten. So finde ich immer wieder Fehler in meinen Texten und an der Verständlichkeit hapert es vermutlich auch ab und zu. In einem Tagebuch sind solche Mängel vielleicht noch erlaubt, zu viele dürfen es jedoch auch nicht sein.

Allerdings ist auch bei Zeitungen die Qualität nicht immer einwandfrei. So vorbildlich und luxuriös wie beim Filmjahrbuch «Cinema» ist die Redaktionsarbeit nur selten. Dort werden von den Redaktoren nicht nur akribisch Fehler getilgt. Auch an den Formulierungen wird intensiv gefeilt. In anderen Publikationen sind jedoch haufenweise Fehler zu finden. So wurde sogar in einem von mir abgelieferten Artikel aus einem «Cantheisten» (jemand, der an Cannabis glaubt) ein «Pantheist», und wenn ich in «Das Magazin» des «Tages-Anzeigers» einen längeren Artikel über Film lese, finde ich meistens mehrere Fehler. Da wurde etwa schon «Orson Wells» erwähnt! Der Vorwurf von Simon, dass durch die Verschiebung der Filmkritik vom Print ins Internet die Qualität sinkt, greift also sicher zu kurz.

Michael gab sich sowieso sehr zuversichtlich und behauptete, dass sich die Qualität auch im Internet durchsetzen wird. Nina Scheu bezweifelte diese Aussage. Vielmehr befürchtete sie, dass die Filmbranche stattdessen Werbung nur auf ihnen wohlgesinnten Plattformen aufschalten wird. Dabei ging sie jedoch von der fälschlichen Annahme aus, dass etwa Science-Fiction-Fans nur positiv über Science-Fiction-Filme schreiben. Das ist sicherlich nicht der Fall. Werbung wird zudem manchmal auch bei Tageszeitungen als Waffe eingesetzt.

Ich wage zudem zu behaupten, dass es Autoren im Internet eher schwer haben, eine solide Leserschaft zu generieren, wenn sie ausschliesslich lobend über Filme schreiben. Dadurch machen sie sich nämlich sehr unglaubwürdig. Wie die Filmkritik in zehn Jahren aussehen wird, lässt sich natürlich nur schwer abschätzen. Wenn die Verleger ihren Sparkurs fortsetzen, wird es in den Tageszeitungen in absehbarer Zukunft womöglich keine lesenswerten Texte mehr geben. Dafür dürfte die Vielfalt im Internet eher zunehmen, und einige Autoren dürften sogar in der Schweiz davon leben können.

Die Qualität von meinen eigenen Texten möchte ich an dieser Stelle überhaupt nicht beurteilen. Das liegt weniger daran, dass Eigenlob stinkt (über ein zu hohes Selbstwertgefühl verfüge ich sowieso nicht), als vielmehr an der subjektiven Wahrnehmung. So lange ich selbst mit meinen Texten mehrheitlich zufrieden bin, muss ich mir aber nichts vorwerfen. Ich muss ausserdem zugeben, dass ich derzeit an einem Punkt angelangt bin, an dem ich mich auch nicht mehr wirklich darum kümmere, wie meine Texte wahrgenommen werden. Und einen ganz so langen Text habe ich zu diesem Thema, von dem ich nun ein wenig abgeschweift bin, auch nicht verfassen wollen…

(Bild: ©2009 eddymotion.ch)

4 comments

  1. Viele wahre Worte! Ich sehe, dass die Situation in der Schweiz nicht anders aussieht als in Deutschland (wo es diese Form der Diskussion ja auch neulich gab). Du bestätigst zudem, was ich mir nicht vorstellen kann, nämlich, dass man als freier Journalist wirklich von seinen Kritiken leben kann (machst Du eigentlich noch etwas anderes?).

    Ich denke, dass vorallem die Webkritik Zukunft hat, auch wenn es immer heißt, dass hier viele schreiben würden, die keine Ahnung hätten. Doch auch hier (z.B. den Blogs) gibt es genügegend Spreu, die sich vom Weizen trennt.

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