Kein aussergewöhnliches Jahr für Schweizer Film

Corinna Harfouch und Bruno Ganz in «Giulias Verschwinden»

Die Sektion Film des Bundesamts für Kultur (BAK) hat heute die Jahresbilanz 2009 veröffentlicht, in der sie auch ein Blick auf die Perspektiven 2010 wirft. Die Bilanz 2009, basierend auf den provisorischen Schätzungen der Zahlen von ProCinema und dem Bundesamt für Statistik, falle besser aus als jene von 2008, heisst es in der Mitteilung. Dies sei insbesondere auf den Erfolg des Films «Giulias Verschwinden» von Christoph Schaub mit Bruno Ganz zurückzuführen. Besonders die Kinosäle seien dieses von Veränderungen betroffen gewesen. Schritt für Schritt wurde auf digitale Projektionstechnologien umgerüstet. Die zunehmende Digitalisierung kündige einen Wandel der Schweizer Kinosäle an, welcher sich auch auf die Kinokultur auswirken wird.

Mit mehr als 550’000 Zuschauern, die sich im Jahr 2009 einen Schweizer Film angesehen haben, haben sich die Besucherzahlen für Schweizer Filme im Vergleich zum letzten Jahr (457’000 Zuschauer) um fast 100’000 Eintritte gesteigert. Gute Erfolge an der Kinokasse erzielte insbesondere «Giulias Verschwinden» (rund 135’000 Zuschauer). An zweiter Stelle folgt «Die Standesbeamtin» (78’000 Zuschauer) von Micha Lewinsky. Auch die Westschweizer Filme haben in der Deutschschweiz ihr Publikum gefunden: «Home» von Ursula Meier stiess auf grosses Interesse (rund 46’000 Zuschauer), wie auch «La forteresse» von Fernand Melgar, der mit rund 19’000 Zuschauern der erfolgreichste Dokumentarfilm des Jahres ist.

Der Schweizer Dokumentarfilm, welcher hierzulande traditionsgemäss hohes Ansehen und gute Marktpräsenz geniesst, vermochte 2009 jedoch insgesamt etwas weniger Publikum ins Kino zu locken als im Spitzenjahr 2008. Die Sektion Film konstatiert dennoch, dass die Palette der Schweizer Filme auch 2009 sehr breit gefächert gewesen sei und von einer grossen Vielfalt der Schweizerischen Filmlandschaft zeuge. So finden sich unter den Top 25 der Schweizer Filme neben Filmen für das breite Publikum, viele Arthouse- oder Dokumentarfilmproduktionen, welche ein kleineres, aber sehr treues Publikum anziehen.

Dann wagen sich die Verfasser der Mitteilung auf einen sehr dünnen Ast und behaupten, dass sich am Beispiel der Science-Fiction-Produktion «Cargo» zeige, dass Schweizer Produktionen auch innerhalb spezifischer Genres konkurrenzfähig sind. Den Wert von rund 22’000 Zuschauern vergleichen sie mit dem Ergebnis von «Star Trek», aber nicht der gegenwärtigen Produktion, sondern dem unterdurchschnittlich abschneidenden «Star Trek: Nemesis» von 2003 (24’226 Zuschauer). Der Neustart der Serie in diesem Jahr erreichte hingegen 71’608 Eintritte. Sogar «Disctrict 9» schnitt deutlich besser ab (66’320 Eintritte). Fazit: Für den Schweizer Markt lohnen sich die Ausflüge in Genres wie Science-Fiction, Horror oder Fantasy kaum.

Wichtige Veränderungen ereigneten sich 2009 bezüglich der technischen Infrastruktur und Organisation der Schweizer Kinos. Zum einen wurden 2009 rund 32 Säle neu mit modernster Projektionstechnik (2K, DCI) ausgestattet. Damit habe sich der Anteil der digitalisierten Kinosäle in nur einem Jahr verdoppelt. Von den insgesamt 556 aktiven Kinosälen in der Schweiz sind nun 49 oder knapp 9 Prozent aller Säle in der Lage, Filme digital vorzuführen.

Das Jahr 2009 könne ausserdem als «3D-Kinojahr» bezeichnet werden. Die Schweizer Kinosäle, die sich im Vorfeld auf die Umrüstung auf 3D-Technik spezialisiert hatten, haben sich damit gemäss Medienmitteilung eine finanziell attraktive Nische sichern können. Die Betreiber verdienten an einem überdurchschnittlichen Ticketpreis sowie am Verkauf von 3D-Spezialbrillen und konnten damit einen Teil der vorgängigen Investitionen amortisieren. Filme wie «Ice Age: Dawn of the Dinosaurs» und «Up» lockten sehr viele Kinobesucher an und bestätigen damit den auch in der Schweiz vermehrt aufkommenden Trend hin zum technisch innovativen «Event-Kino». Es werde erwartet, dass das heute angelaufene Fantasy-Epos «Avatar» von James Cameron dank 3D-Technik ebenfalls grosse Resonanz bei den Zuschauern erzielen wird.

Der Erfolg des 3D-Kinos sowie die Etablierung der Multiplexe (seit 2008 existieren in der Schweiz zwölf Multiplexe mit acht und mehr Sälen, dieses Jahr erzielten sie erstmals über einen Drittel der gesamten Zuschauerzahlen) bedeuten einen grossen Einschnitt, der die hiesige Kinokultur und somit die Schweizer Kinosäle tangiere. Für das Bundesamt für Kultur stellt sich diesbezüglich die Aufgabe, die Auswirkungen dieser Entwicklung auf die Angebotsvielfalt zu beobachten und allfällige Massnahmen zu ergreifen. Sicher sei, dass diese technischen Neuerungen für den Schweizer Film eine zusätzliche Herausforderung bedeuten, da die nationalen Produktionen mit wenigen Ausnahmen eher in Einzelkinosälen gezeigt werden und das Programm der Multiplex-Zentren hauptsächlich von amerikanischen Grossproduktionen dominiert wird.

Aus den statistischen Erhebungen des Schweizerischen Verbands für Kino und Filmverleih ProCinema geht eine Steigerung von gut 10 Prozent der absoluten Zuschauerzahlen für das Jahr 2009 hervor (bis heute wurden rund 14,3 Millionen Eintritte gezählt). Damit bewegen sich die Eintritte innerhalb des üblichen Rahmens von 15 Millionen Kinobesuchern pro Jahr, eine Zahl, die sich seit den ersten Erhebungen im Jahr 1995 relativ konstant hält. Dieses Jahr habe der Umsatz dank den deutlich höheren Preisen für 3D-Filme gesteigert werden können.

Das allgemeine Kinojahr 2009 wurde erneut durch die Vormachtstellung der amerikanischen Filmindustrie auf dem Schweizer Markt geprägt (21 der Filme in den Top 25). Angeführt wurde das Ranking von «Ice Age: Dawn of the Dinosaurs» mit mehr als 1 Milllion Zuschauer. Dahinter folgen «Harry Potter and the Half-Blood Prince» und «Slumdog Millionaire» aus Grossbritannien (479’000, respektive 464’000 Eintritte). Aus dem amerikanischen Independent-Genre setzten sich Filme wie «Gran Torino» (225’000 Zuschauer) sowie «Revolutionary Road» (178’000 Zuschauer).

Das BAK sieht 2010 ein filmpolitisch zweifelsohne sehr interessantes Jahr auf uns zukommen. Auf der Agenda stehe insbesondere die Ausarbeitung der neuen Filmförderungskonzepte für die Jahre 2011–2015, welche in Zusammenarbeit mit dem BAK und der Branche entstehen. Die Sektion Film lanciert zudem im Januar die neue Ausschreibung der Filmfestivals. Auf operationeller Ebene sei zu bemerken, dass das Parlament den Voranschlag für das Budget 2010 (46,9 Millionen Franken) genehmigt hat. Damit unterstützt es den Antrag um eine Erhöhung von 1,7 Millionen Franken, die der Entwicklung von Filmprojekten (hauptsächlich im Bereich der Unterstützung für das Drehbuchschreiben) und dem Schweizerischen Filmarchiv zugute kommen werden.

Leave a comment