In der Nacht auf heute wurden im Hollywood Palladium die PGA Awards verliehen, die Auszeichnungen der Producers Guild of America. Entgegen seinem Ruf und den allgemeinen Erwartungen hat der Verband der Produzenten den Hauptpreis nicht dem Geld hinterhergeworfen. Den Darryl F. Zanuck Producer of the Year Award in Theatrical Motion Pictures erhielten die Produzenten von «The Hurt Locker». Somit sind das Kriegsdrama und seine Regisseurin Kathryn Bigelow nun vor «Avatar» die klaren Favoriten auf die Oscars, und es sieht danach aus, dass ein Triumph des blauen Monsters von James Cameron an den 82nd Academy Awards verhindert wird.
Gibt es etwas daran auszusetzen, wenn die Academy of Motion Picture Arts and Sciences einen überwältigenden Publikumserfolg auszeichnet? Wenn die Academy ein wenig Wert auf ihre offizielle Bezeichnung legt, ist das durchaus ein Widerspruch. «Avatar» ist zwar ein mitreissendes Spektakel, aber Kunst ist es nun wirklich nicht. Besonders das Drehbuch ist wenig einfallsreich und recycliert lediglich die Handlung aus anderen Genre-Filmen. Die Dialoge sind zudem extrem simpel und steif. Es lässt sich natürlich argumentieren, dass ein solcher Film nur mit einem derartig mittelmässigen Drehbuch funktionieren kann, weil sonst der visuelle Eindruck durch die Handlung behindert wird. Unverdient und absurd ist es trotzdem, wenn ein solcher Film als «Best Motion Picture of the Year» ausgezeichnet wird.
Es hätte aber durchaus auch einen Vorteil, wenn die Filmindustrie in Hollywood dieses Jahr auch bei den Auszeichnungen wieder stärker auf die kommerziellen anstatt nur die künstlerischen Werte ihrer Produkte setzen würde. Dadurch könnte ich bei den Prognosen für die Academy Awards für einmal fast ausschliesslich rational abschätzen, welche Filme eine Auszeichnung erhalten werden. Meine persönlichen Favoriten sind nämlich mit Ausnahme von «Up in the Air» bereits aus der Entscheidung gefallen. Stattdessen kann der Siegeszug von «Avatar» eben nur noch von «The Hurt Locker» und «Inglourious Basterds» verhindert werden – zwei Filme, von denen ich auch nicht wirklich begeistert bin.
2009 war sehr wohl auch für meinen Geschmack ein äusserst ergiebiges Filmjahr. Ich würde vermutlich versuchen, die Auszeichnungen möglichst ausgeglichen zwischen «Away We Go», «Bright Star», «An Education», «(500) Days of Summer», «The Informant!», «Mary and Max», «Moon», «A Serious Man», «Up» und «Up in the Air» zu verteilen, und auch «Avatar» würde einen Preis erhalten. Die Aufzählung erfolgte in alphabetischer Reihenfolge. Ich müsste mir die Filme noch einmal ansehen, um zu entscheiden, ob ich den Hauptpreis an «A Serious Man», «Up in the Air», «Bright Star» oder vielleicht doch «(500) Days of Summer» verleihen würde. Da diese Filme höchstens noch in einzelnen Kategorien Aussichten auf eine Auszeichnung haben, kann ich nun emotional ziemlich distanziert die Chancen beurteilen. Ob nun «The Hurt Locker» , «Avatar» oder «Inglourious Basterds» mit Oscars überhäuft wird, ist mir nämlich ziemlich Wurst.
Welche Faktoren gilt es nun bei der Wahl zwischen «The Hurt Locker», «Avatar» und «Inglourious Basterds» zu berücksichtigen? Wenn es nach den Journalisten geht, dann hat «The Hurt Locker» mit Auszeichnungen von elf bedeutenden Kritiker-Vereinigungen die Nase vorne. Auch bei allen wichtigen Branchenverbänden kann das Kriegsdrama auf Rückhalt zählen. Doch die Kritiker sind eben nicht Mitglieder der Academy, sondern dienen eher als ausgleichendes Element. Grösstes Handicap für das Kriegsdrama von Kathryn Bigelow dürfte jedoch das etwas magere Einkommen an der Box Office sein. «The Hurt Locker» spielte gerade einmal mickrige 12,6 Millionen Dollar ein. Ausschlaggebend wird nun sein, welche Berufsverbände ihre Auszeichnungen an «The Hurt Locker» verleihen werden. Obschon die Schauspieler darauf verzichtet haben, liessen sich ausgerechnet die Produzenten nicht durch das niedrige Einspielergebnis stören. Ein deutliches Zeichen für die Stärke von «The Hurt Locker», die am nächsten Wochenende durch die Regisseure noch erhöht werden kann.
«Inglourious Basterds» erhielt die Auszeichnung für das beste Ensemble von der Screen Actors Guild und auch noch einen Preis für Christoph Waltz in einer Nebenrolle. Aber in den letzten 10 Jahren stimmten die Gewinner in der Ensemble-Kategorie der SAG Awards und dem Oscar für den besten Film nur in sechs Fällen überein. Dem Kriegsdrama von Tarantino fehlen zudem Nominationen von den Cuttern und den Drehbuchautoren – letztere allerdings wahrscheinlich nur, weil Tarantino nicht Mitglied der WGA ist und sein Drehbuch daher nicht zugelassen war. Die Aussichten von «Inglourious Basterds» lassen sich nur schwer abschätzen.
Für «Avatar» spricht hauptsächlich das Einspielergebnis, das entweder schon gestern oder spätestens heute die Summe von «Titanic» übertroffen hat. Die Academy hat schon mit der Erweiterung der Nominationen in der Hauptkategorie auf 10 Plätze angedeutet, dass ab sofort wieder Filme berücksichtigt werden sollen, deren Abschneiden an den Kinokassen höhere Zuschauerzahlen der Fernsehübertragung garantieren. Immerhin generiert die Academy durch den Verkauf von Werbespots einen erheblichen Betrag. Aber nur, wenn auch die Zuschauerzahlen stimmen. Sassen in den 90er-Jahren immer mehr als 40 Millionen Personen vor den Fernsehern und beim Triumph von «Titanic» sogar 57,25 Millionen, waren es letztmals 2004 beim Erfolg von «The Lord of the Rings: The Return of the King» mehr als 40 Millionen. Dieses Jahr dürfte der Wert durch Nominationen für «Avatar», «Inglourious Basterds», «Star Trek» und «District 9» wieder deutlich darüber liegen.
Die Produzenten haben übrigens auch noch Preise an einen Animationsfilm und einen Dokumentarfilm verliehen. «Up» wurde mit dem PGA Producer of the Year Award in Animated Theatrical Motion Pictures ausgezeichnet. Der PGA Producer of the Year Award in Documentary Theatrical Motion Pictures ging an «The Cove».
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