Locarno ehrt Alain Tanner und stellt Poster vor

63° Festival del film

Am Mittwoch hat das Festival del film Locarno mitgeteilt, dass dieses Jahr der Schweizer Regisseur Alain Tanner einen Ehrenleoparden erhalten wird. Bei gleicher Gelegenheit wurde auch das Poster für das 63. Internationale Filmfestival Locarno vorgestellt, dass vom 4. bis zum 14. August 2010 stattfindet. Eine schon im September verschickte Pressemeldung des Festivals betrifft die in Zusammenarbeit mit der Cinémathèque française organisierte Retrospektive, die dem Werk des deutschstämmigen amerikanischen Regisseurs Ernst Lubitsch gewidmet ist. Das erstmals unter der künstlerischen Leitung von Olivier Père durchgeführte Festival ist also sicher eine Reise wert.

Der Schweizer Regisseur Alain Tanner erhält am 63. Filmfestival Locarno nicht nur einen Ehrenleoparden, sondern wird bei dieser Gelegenheit auch eine öffentliche Masterclass halten. Der 1929 in Genf geborene Alain Tanner drehte 1969 mit «Charles mort ou vif» seinen ersten Kinofilm, der auf Anhieb den Goldenen Leoparden am Festival Locarno gewann. Zwei Jahre später verbuchte «La Salamandre» (1971) 200’000 Eintritte in Paris. Alain Tanner wurde zu einer der Hauptfiguren des Neuen Schweizer Films, dessen Frische und Freiheitsdrang weit über die Landesgrenzen hinausstrahlten.

Neben seinen zahlreichen Dokumentarfilmen für Fernsehen und Kino hat Alain Tanner 19 Spielfilme gedreht, die an den bedeutendsten internationalen Filmfestivals zu sehen waren. Darunter «Jonas qui aura 25 ans en l’an 2000» (1976), «Dans la ville blanche» (1983), «Les années lumière» (1981, Grand Prix der Jury in Cannes), «Une flamme dans mon cœur» (1987), «Fourbi» (1996) und «Paul s’en va» (2004), mit dem er sich vom Film verabschiedete. «Ich freue mich, in Locarno diesen renommierten Preis in Empfang zu nehmen», wird Alain Tanner in der Pressemitteilung zitiert. «Ich fühle mich mit dem Festival, das ich stets unterstützt habe und an dem mir viel gelegen ist, eng verbunden».

Olivier Père, der künstlerische Leiter des Festivals, kommentiert die Wahl des Preisträgers: «Dieser Preis würdigt eine Filmografie, die sich durch eine selten zu findende Unabhängigkeit und Intelligenz auszeichnet. Alain Tanners Filme sind kritische Zeitzeugnisse und wagen sich auch in die Domänen des Traums, der Poesie, des Verlangens und der Revolte. Seine von Utopien und imaginären oder realen Reisen geprägten Filme gehören zu den weltweit schönsten der ‹nouveaux cinémas› und haben mehrere Zuschauergenerationen stark beeinflusst».

Der Ehrenleopard des Festivals Locarno ehrt jedes Jahr einen oder mehrere bedeutende Filmregisseure. Ausgezeichnet wurden bisher neben anderen Manoel de Oliveira, Ken Loach, Ermanno Olmi, Abbas Kiarostami, Wim Wenders, Aleksandr Sokurov, Hou Hsiao-hsien, Amos Gitaï sowie 2009 William Friedkin. Nach Jean-Luc Godard (1995) und Daniel Schmid (1999) ist Alain Tanner der dritte Schweizer Regisseur, der diesen Preis erhält.

Das von Jannuzzi Smith geschaffene Plakat für das 63. Festival Locarno schliesst die 2007 begonnene Erneuerung des Erscheinungsbildes des Festivals ab. Das sich über drei Jahre erstreckende Projekt hat den visuellen Auftritt des Anlasses neu gestaltet und den Leoparden wieder ins Zentrum der Kommunikation gerückt. Das Plakat 2010 repräsentiert den dritten Teil einer Serie, in der ein echter Leopard wie ein Schauspieler verschiedene Rollen verkörpert. 2008 symbolisierte er Sinnlichkeit und Romantik, 2009 ein fauchendes Raubtier kurz vor dem Angriff. Dieses Jahr zeigt das Plakat die stilisierte Figur des zum Sprung ansetzenden Tiers als Sinnbild für Aktion, Bewegung und Körperlichkeit. Dieses jüngste Bild wird von nun an der offizielle Leopard des Filmfestivals Locarno sein.

Carol Lombard und Jack Benny in «To Be or Not to Be»

Einem der bedeutendsten Regisseure der Screwball-Komödie, der aber auch in anderen Genres brilliert hat, ist dieses Jahr eine vollständige Retrospektive gewidmet. Ernst Lubitsch, der 1892 in Berlin geboren wurde und 1922 in die USA auswanderte, ist Autor von mehr als 70 Filmen, von denen rund 20 als verschollen gelten. Zu seinen berühmtesten Werken gehören «Trouble in Paradise» (1932), «Ninotchka» (1939) und «To Be or Not to Be» (1942).

Lubitsch, der als Schauspieler unter Max Reinhardt am Deutschen Theater begann, um dann Drehbuchautor zu werden, trat in Deutschland erfolgreich als Star in einer Reihe populärer Kinokomödien auf. Dann wechselte er zur Regie und realisierte 1918 seinen ersten Film, «Die Augen der Mumie Ma» – ein Drama mit den zwei grossen Kinostars des damaligen deutschen Films: Pola Negri und Emil Jannings. Seine ersten Erfolge feierte er mit Historienfilmen und Komödien, die ihn bald zu einem Filmemacher von internationalem Rang machten.

Er ging nach Hollywood, wo er die Kunst der intelligenten Komödie perfektionierte. Mühelos wechselte er vom Stummfilm zum Tonfilm und zeichnete für zahlreiche Meisterwerke verantwortlich. In den 30er- und 40er-Jahren arbeitete er mit den grossen Hollywood-Stars zusammen: Maurice Chevalier, Gary Cooper, Marlene Dietrich, James Stewart, Carole Lombard sowie Greta Garbo. 1947 erhielt Lubitsch den Oscar für sein Lebenswerk und starb wenig später an einem Herzinfarkt während der Dreharbeiten zu seinem letzten Film, «That Lady in Ermine», den Otto Preminger fertig stellte.

Olivier Père, seit dem 1. September 2009 neuer künstlerischer Leiter des Festivals, kommentiert das Vorhaben: «Mit dieser Retrospektive möchten wir einem der grössten Filmemacher der Kinogeschichte und einem unübertroffenen Meister der Komödie Hommage erweisen. Die umfassende Retrospektive möchte sowohl dem Publikum von Locarno wie auch den Filmhistorikern die Möglichkeit geben, den berühmten ‹Lubitsch-Touch›  in all seinen Facetten (wieder) zu entdecken – diese einzigartige Mischung aus Eleganz, Satire, Esprit sowie Sinn für Rhythmus und Ellipse.» Die Retrospektive wird im September 2010 ebenfalls von der Cinémathèque française gezeigt.

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