«Mary and Max» von Adam Elliot

«Mary and Max»

People often confuse me, but I try not to let them worry me.

Manchmal habe ich den Eindruck, dass ich an einer geistigen Störung leide. Wie an Tagen, an denen ich mir wie Max Jerry Horowitz aus «Mary and Max» wünsche, dass es eine mathematische Gleichung für Liebe gibt. Regisseur und Drehbuchautor Adam Elliot zeigt in dieser wunderbar umgesetzten, einfühlsamen Tragikomödie, wie verwirrend und chaotisch das Leben sein kann. «Mary and Max» ist ein ergreifend trauriges und befreiend komisches Wunderwerk.

Die Geschichte von der unwahrscheinlichen Freundschaft eines australischen Mädchens und einem atheistischen New Yorker Juden ist an und für sich todtraurig, doch gleichzeitig erhebend und erfrischend humorvoll. Mary Daisy Dinkle (Stimmen von Bethany Whitmore und Toni Collette) wird von ihren Mitschülern gehänselt, ihre Mutter ist eine Alkoholikerin und ihr Vater hat keine Zeit für sie. Da schlägt sie eines Tages ein Telefonbuch von New York auf und sucht sich eine Person aus, der sie Fragen über das Leben in den USA stellen möchte.

Die Wahl fällt ausgerechnet auf Max Jerry Horovitz (Philip Seymour Hoffman), einen übergewichtigen, 44-jährigen Aussenseiter. Wie sich später herausstellt, leidet Max am Asperger-Syndrom. Das bewirkt, dass er so ziemlich alles wörtlich nimmt, den Ausdruck von Gesichtern nicht einordnen kann und die emotionalen Briefe von Mary bei ihm Panikattacken auslösen. So kommen sich die beiden von der Aussenwelt abgekapselten Menschen langsam näher und entfernen sich gleichzeitig voneinander.

«Mary and Max»

2003 machte Regisseur und Drehbuchautor Adam Elliot mit dem Kurzfilm «Harvie Krumpet» auf sich aufmerksam, für den er mit einem Oscar ausgezeichnet wurde. Machart und Erzählweise von «Mary and Max» sind ziemlich ähnlich. Elliot verwendet hauptsächlich Stop-Motion mit ausgefallenen Figuren und einer ganz eigenen Ästhetik. Dazwischen schiebt er für die Briefe von Mary und die Gedanken der Figuren fantastische Zeichenanimationen. Der ganz besondere Charme von «Mary and Max» liegt aber ganz eindeutig in der Schilderung der Geschichte, dieser einzigartigen Beziehung zwischen Mary und Max: «Mary had just given Max a taste of real friendship and there was just no comparison.»

Die Geschichte wird von Elliot unwiderstehlich geschildert. Die tragischen Momente werden ironisch gebrochen. Wenn sich Mary überlegt, ob die Kinder in den USA wohl aus Cola-Dosen kommen (ihre Vater hat ihr erzählt, dass Kinder in Biergläsern gefunden werden), dann besticht diese Logik einfach durch ihre Ausgefallenheit. Max erklärt ihr dann, dass ihm seine Mutter erklärt hat, wie Juden-Babys von Rabbinern, katholische Babys von Nonnen und atheistische Babys von Prostituierten ausgebrütet werden.

Dieser liebevoll schräge Humor ist wohl notwendig, denn eigentlich ist das Schicksal dieser beiden fragilen Figuren äusserst betrüblich. Elliot beweist aber derart zielsicheres menschliches Gespür, dass selbst die erschütterndsten Momente mit einem weinenden und einem lachenden Auge überstanden werden. Obschon ich das Konzept der Liebe nicht ganz begreifen kann, so bin ich wenigstens im Gegensatz zu Max in der Lage, ganz ungeniert zu weinen, etwa wenn Max sich dagegen wehrt, als behindert und beschädigt bezeichnet zu werden und sich wünscht, dass er richtig weinen könnte:

Dr. Bernard Hazelhof says that my brain is defective, but one day there will be a cure for my disabilty. I do not like it, when he says this. I do not feel disabled, defective or in need to be cured. I like being an Aspie. It would be like trying to change the color of my eyes. There is one thing, I wish I could change, however. I wish I could cry properly.

Adam Elliot dreht «Mary and Max»

Auf Blu-ray-Disc ist «Mary and Max» leider noch nicht erschienen, aber Bild- und Tonqualität der DVD sind auch sehr solide. Hochauflösend würde der Film vermutlich blendend aussehen. Kernstück des Bonusmaterial ist ein 28-minütiges Interview mit Adam Elliot, das auch Fotos von der Entstehung des Films enthält und dadurch ein eigentlicher Drehbericht ist. Elliot spricht über seine Inspirationen, den durch sein Zittern verursachten Zeichenstil und erwähnt, dass ihn Mary an «Nana Mouskouri crossed with a duck» erinnert. Ein Interview mit Philip Seymour Hoffman (7 Minuten), zwei ironische Beiträge mit Eric Bana (3 Minuten) und Sprecher Barry Humphries (2 Minuten) sowie ein Beitrag von einem Vortrag in Annecy (13 Minuten) runden das Bonusmaterial ab. Negativ zu erwähnen ist, dass diese Beiträge zwar über französische, aber nicht über deutsche Untertitel verfügen.

Bewertung: 6 Sterne
Bild-/Tonqualität: 5 Sterne
Bonusmaterial:
4 Sterne

(Bilder: © Warner Home Video)

Leave a comment