«The Duchess» mit Keira Knightley (Blu-ray)

Keira Knightley in «The Duchess»

Those damn speeches bore me to distraction. I think we have to ban them in the future.

Als Anfang Jahr «The Duchess» in die Schweizer Kinos kam, war Ralph Fiennes gerade auch noch mit «The Reader» im Kino. Viele Notizen habe ich damals vor allem zu «The Reader» gemacht. Bei der Betrachtung auf Blu-ray-Disc habe ich das nun auch für «The Duchess» nachgeholt. Aufgefallen ist aber schon damals vor allem die starke Ähnlichkeit zu «Effi Briest». Ein junges Mädchen wird mit einem bedeutend älteren Mann verheiratet und zerbricht beinahe an der Ehe. Grösster Unterschied: «The Duchess» spielt 100 Jahre früher.

Georgiana Spencer (Keira Knightley) ist noch keine 18 Jahre alt, wild und ungestüm. Doch ihre jugendliche Verspieltheit nimmt ein abruptes Ende, als sie mit dem einflussreichen Herzog von Devonshire (Fiennes) vermählt wird. Ob er sie denn liebe, fragt das Mädchen ihre Mutter (Charlotte Rampling), sie haben sich doch erst zwei Mal gesehen. Wenn man jemanden wirklich liebt, müsse man die Person nicht kennen. Man fühle es einfach, erwidert die Mutter: «When one truly loves someone, one doesn’t have to know them well to be sure, Georgiana, one feels it, right away.»

Überglücklich stürzt sich Georgiana in die Ehe, doch schon in der Hochzeitsnacht kommen wie bei Effi Briest die Schmerzen. Die Absichten des Herzogs sind eindeutig: Er hat Georgiana geheiratet, um einen Nachfolger zu erhalten. Als sich die junge Herzogin bei ihrer Mutter über den wortkargen Gatten («How foolish of me to think that I should be able to converse with my husband.») und den lieblosen Sex beklagt, stöhnt diese nur: «I know, it can be a bother.» Aber wenn einmal ein Sohn geboren ist, wird die Häufigkeit schon abnehmen.

Keira Knightley und Ralph Fiennes in «The Duchess»

Doch das erste Kind ist eine Tochter. Der Herzog reagiert so, als ob die Geburt einer Tochter eine persönliche Beleidigung wäre. Wieder hat Georgiana allen Grund zur Klage: «He isn’t interested in anything, except his dogs.» Er kümmert sich überhaupt nicht um sie. Widmete sich Innstetten aus «Effi Briest» vollständig der Politik, ist der Herzog lediglich an seinen Hunden interessiert. Dieser delikate Humor, ein satirischer Blick auf die Institution der Ehe, zieht sich fast durch den ganzen Film.

Die lebenshungrige Georgiana findet Trost in ihrer Rolle als politische Aktivistin. Zudem avanciert sie mit ihren selbst entworfenen Kleidern zu einer Mode-Ikone, der «Empress of Fashion». Je mehr sie von allen geliebt und bewundert wird, desto mehr zieht sich der Herzog von ihr zurück. Als dann auch noch eine zweite Tochter geboren wird, wendet er sich der besten Freundin seiner Frau zu, Lady Bess Foster (Hayley Atwell). Immer stärker demütigt er seine Gattin, die Gegenrecht fordert, es aber nicht erhält. Ihre Liebe zum jungen Politiker Charles Grey (Dominic Cooper) lässt der Herzog nicht zu.

Nach der ersten Betrachtung habe ich bemängelt, dass das Gesellschaftsdrama in der letzten halben Stunde ein wenig in Sentimentalität und Melancholie abrutscht. Die Handlung fokussiert am Schluss voll und ganz auf das Elend von Georgiana, die eine Tochter mit Grey zeugt, sie aber in die Obhut von Greys Eltern geben muss. Dabei erklären die Texttafeln am Ende, dass sich Georgiana mit der Situation arrangiert habe und weiterhin eine einflussreiche Position in der Gesellschaft eingenommen hat. Wer mehr von diesem Aspekt der Geschichte erfahren möchte, muss sich wohl die Biografie «Georgiana, Duchess of Devonshire» von Amanda Foreman besorgen.

Dieses Urteil möchte ich nun leicht revidieren. Regisseur Saul Dibb und seine Co-Drehbuchautoren Jeffrey Hatcher und Anders Thomas Jensen streichen in diesen etwas rührseligen Szenen noch einmal mit aller Deutlichkeit die Schranken der patriarchalischen Gesellschaft hervor. Und sie gewähren dem zuvor auf seine Lieblosigkeit beschränkten Herzog einige menschlichen Aspekte. Wenn er zuerst gequält seine Gefühle ausdrücken muss oder wehmütig den Kindern beim Spielen zusieht und bemerkt «How wonderful to be that free», dann scheint durch, dass auch dieser unerbittliche Mann letztlich ein Gefangener der Konventionen ist, die ihm zwar weniger Opfer abfordern, ihn aber dennoch belasten.

Und auch wenn es gegen Ende eine leichte Orientierungslosgkeit zu beanstanden gäbe, so hält «The Duchess» dennoch viele treffende Kommentare über die Gesellschaft bereit. Angewidert verlässt etwa der Herzog ein Bankett mit politischen Anführeren: «Well, I’ve no problem with the politics, it’s just the rhetoric I can’t stand.» Er habe kein Problem mit der Politik, die Rhetorik könne er nicht ausstehen. «The Duchess» ist auch ein Gegenentwurf zu «Effi Briest». Lässt sich Effi von der Situation bestimmen, wehrt sich Georgiana vehement dagegen. Sie unterliegt zwar ebenfalls der patriarchalen Weltordnung, zerbricht aber nicht daran.

Wie man es sich von britischen Kostümdramen gewohnt sein darf, sind Ausstattung und Köstume von höchster Qualität. Die Inszenierung ist hier zudem weitaus weniger steif als letztes Jahr in «The Other Boleyn Girl». Der ungarische Kameramann Gyula Pados entwirft exquisite Kompositionen, lässt sich aber nicht von Ausstattung und Kostümen erdrücken. Wer nicht von diesen Reizen schwelgen möchte, kann sich immer noch in die delikaten Strukturen des Gesichts von Keira Knightley retten. «The Duchess» ist ein elegantes Gesellschaftsdrama, das mit spitzem Blick die Heucheleien einer von Männern dominierten Welt seziert.

Keira Knightley in «The Duchess»

Die solide Bildqualität der Blu-ray-Disc lässt die prächtige Ausstattung und die schwelgerischen Kulissen voll zur Geltung kommen, besonders in den sonnendurchfluteteten Szenen. Auf der Tonspur in DTS-HD Master Audio 5.1 kommt vor allem die einfühlsame Musik von Rachel Portman zur Entfaltung. Ansonsten sind die Toneffekte wenig erstaunlich eher dezent.

Das in Standardauflösung enthaltene Bonusmaterial besteht einerseits aus fünf sorgfältigen Berichten (insgesamt 39 Minuten), die sich mit der wirklichen Georgiana, der Besetzung des Films, den Drehorten, der Politik und der Mode auseinandersetzen. Andererseits stellt Saul Dibb vier entfallene Szenen vor (14 Minuten) und erklärt, wieso er sie letztlich aus dem Film entfernt hat.

Bewertung: 5 Sterne
Bild-/Tonqualität (Blu-ray-Disc): 5 Sterne
Bonusmaterial (Blu-ray-Disc):
4 Sterne

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