Wessen Hand ist das, die meine Gedanken schreibt?
Der Jungbrunnen wurde immer noch nicht entdeckt. So ist es an der Zeit, andere Methoden für die ewige Jugend zu entdecken. Eine davon stellt Regisseur Damir Lukacevic in seinem spannenden Science-Fiction-Drama «Transfer» vor: Ältere Menschen können sich für 1 Million Euro die Körper von jungen Menschen kaufen und sozusagen ihre Persönlichkeit in ein weiteres Leben übertragen lassen.
Hermann (Hans-Michael Rehberg) und Anna (Ingrid Andree) sind schon über 80 Jahre alt und denken an ihre Zukunft. Sie wenden sich an die Firma Menzana, die es durch den Transfer der Gehirnströmungen in den Kopf einer anderen Person ermöglicht, das Leben zu verlängern. Passende Ersatzkörper wurden im athletischen Apolain aus Mali (B.J. Britt) und der hübschen Sarah aus Äthiopien (Regine Nehy) gefunden. Sie wollen durch den Verkauf ihres Körpers ihren bedürftigen Familien in Afrika helfen. Ausserdem sollen sie doch noch jeweils vier Stunden in der Nacht die Kontrolle über ihren Körper erhalten.
Bald ist Apolain mit seiner Situation aber nicht mehr zufrieden. Hermann sperrt sich nachts nämlich in ein Kellerzimmer ein, so dass Apolain die Welt nur durch ein Gitterfenster betrachten kann. Er fühlt sich betrogen. Doch langsam gewöhnen sich Hermann und Anna an ihre neuen Körper und entwickeln auch eine neue Leidenschaft füreinander. Hermann lockert seine strenge Überwachung des fremden eigenen Körpers. Schliesslich kommen sich so auch Apolain und Sarah in ihrer kurzen Freiheit näher. Die Schwangerschaft von Anna/Sarah stellt die Beziehungen der vier Personen auf eine neue Probe.
Die in «Transfer» angewendete Methode zur Lebensverlängerung ist in erster Linie darauf optimiert, möglichst umfangreich die moralischen und ethischen Fragen dieses Menschenhandels anzusprechen. Wieso sollen die «Leihkörper» sonst in der Nacht aufwachen? Selbstverständlich um die Perspektive der verkauften Menschen einzubringen. So können Fragen über die Kontrolle und die Verbundenheit von Körper und Geist gestellt werden, die bei einer solchen Übertragung natürlich zentral sind. Nicht zuletzt aus diesem Grund nimmt der Name der Firma Menzana direkten Bezug auf die Redewendung «Mens sana in corpore sano» von Juvenal. Unterschiedlich reagieren Hermann und Anna auf ihre neue Form, stellen sich verschieden auf die neue Situation ein. Hermann fühlt sich zunächst noch seinem neuen Körper überlegen, während sich Anna neugierig bewundernd zurechtfühlt.
Der Name des Erfinders der Methode, ein gewisser Dr. Menzel, erinnert wiederum an Gregor Mendel, den Entdecker der Regeln über die Vererbung von Merkmalen. Auch die Forschung und Veränderung von Genen wird in «Transfer» angesprochen. Die zukünftigen Eltern erhalten die Möglichkeit, das Aussehen des Kindes noch während der Schwangerschaft nach ihren Vorstellungen zu «optimieren». Anna wünscht sich, dass das Kind ihre Augen haben wird, und wenn schon ein wenig am Genmaterial geschraubt wird, kann ja auch gleich die Haut noch ein wenig aufgehellt werden. Durch diese Vermischung von als Entwicklungshilfe getarnten Menschenhandel und Genforschung ist ein äusserst aktueller Thriller entstanden.
Formal nutzt diese im Rahmen von «Das kleine Fernsehspiel» mit geringen finanziellen Mitteln entstandene Produktion die eingeschränkten Möglichkeiten optimal aus. Ein wenig steif wirken teilweise die Schauspieler und die Dialoge. Das ist vermutlich auch auf die thematische Komplexität der dem Film zu Grunde liegenden wissenschaftlichen und philosophischen Fragen zurückzuführen. Der faszinierende Film lässt sich aber auch ohne allzu anstrengende Überlegungen geniessen, da Regisseur Damir Lukacevic auch grossen Wert auf die emotionalen Auswirkungen der gleichsam fragwürdigen und verlockenden Methode der Lebensverlängerung legt.
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