NIFFF 10: «Valhalla Rising» von Nicolas W. Refn

Mads Mikkelsen in «Valhalla Rising»

We have to keep moving to find out where we are.

Manchmal kann ein Titel schon ziemlich irreführend sein. «Valhalla Rising» hört sich für mich nach einem recht blutigen Schlachtgemetzel mit Wikingern und mythologischen Figuren an. So kann man sich täuschen. Wikinger kommen zwar vor und die ersten paar Minuten des meditativen Dramas von Regisseur und Drehbuchautor Nicolas Winding Refn enthalten einige handfeste Konfrontationen, doch danach entwickelt sich ein mehrheitlich introspektive, irgendwie unvergessliche Reise in die Seele des Menschen. Zwischendurch versinkt die Geschichte allerdings auch in übertriebenen Zeitlupenaufnahmen und gekünstelter Inszenierung.

In sechs Kapitel («Wrath», «Silent Warrior», «Men of God», «The Holy Land», «Sacrifice») hat Refn seine Meditation über den Konflikt zwischen Christentum und seinen heidnischen Ursprüngen eingeteilt. Im Zentrum steht ein stummer, einäugiger Krieger (Mads Mikkelsen, «Casino Royale»), der im 11. oder 12. Jahrhundert von den wikingischen Clan-Führern im Norden Schottlands als Kämpfer gehalten wird. Nachdem er sich befreien kann, begegnet er christianisierten Wikingern, denen er sich anschliessen darf. Eine Junge (Maarten Stevenson), von dem er begleitet wird, gibt ihm den passenden Namen «One Eye».

Der Anführer der Wikinger erklärt One Eye, dass sie ins Heilige Land unterwegs sind, um Jerusalem von den Heiden zu befreien. Viel Ruhm und Reichtum versprechen sie sich davon. One Eye darf sich ihnen anschliessen, muss aber bald feststellen, dass die Navigationskünste dieser Wikinger nicht ausgesprochen verlässlich sind. Sie treiben in undurchdringlichem Nebel über das Meer. Als die letzten Vorräte aufgebraucht sind, wollen einige Wikinger den Jungen wie Jona über Bord werfen. Doch das verhindert One Eye. Schliesslich landet die Gruppe an einer Küste, die nicht bewohnt zu sein scheint. Dort wollen sie ein neues Jerusalem bauen und den nachfolgenden Menschen durch Kreuze den Weg weisen.

Mads Mikkelsen in «Valhalla Rising»

Durch Religion verirrte Menschen standen am 10. Neuchâtel International Fantastic Film Festival (NIFFF) auch schon in «Black Death» im Mittelpunkt. Die christlichen Protagonisten in «Valhalla Rising» sind aber nicht nur im übertragenen Sinn von ihrem Ziel abgekommen. Sie haben sich tatsächlich verfahren und landen anstatt im gelobten Land an der Küste von Nordamerika. Doch die Reise ist in «Valhalla Rising» sowieso weniger als konkretes, sondern vielmehr als metaphorisches Ereignis zu verstehen. Schliesslich soll One Eye nicht einfach ein gewöhnlicher Krieger sein, sondern direkt aus der Hölle stammen.

Gesprochen wird wenig bis gar nichts. Wenn sich die Wikinger trotzdem äussern, dann erfolgt das teilweise ziemlich kryptisch, häufig auch prophetisch («Wir sind hier, weil wir hierher kommen mussten»). Obschon der Film hauptsächlich in weiten Naturlandschaften spielt, so mutet der Film wegen dieser Künstlichkeit der Sprache und auch der Inszenierung teilweise beinahe wie ein Theaterstück an. Besonders Kapitel 3, in dem die Kreuzfahrer auf ihrem Boot durch den roten Nebel treiben, würde sich auch mit einfachsten Mitteln auf einer Bühne umsetzen lassen. Sogar die Landschaften dienen meist nur als Hintergund und haben sonst keine Funktion.

Sind andere Filme am NIFFF für gewöhnlich eher wegen grausamen Szenen schwer verdaulich, so erschwert die mystische Symbolik und die stark reduzierte Handlung ein wenig den Zugang zu «Valhalla Rising». Eindrücklich ist jedoch zweifellos die Kameraarbeit von Morten Søborg, auch wenn besonders gegen Ende zu viele verlangsamte Aufnahmen eingesetzt werden. Das wirkt ebenso wie die überhöhten Dialoge eher ein wenig prätentios. In Erinnerung bleibt sicher auch die trotz meist ausladenden Landschaftsaufnahmen klaustrophobische Stimmung. Der Ansatz von Nicolas Winding Refn ist durchwegs faszinierend, wenn auch in der Ausführung nicht vollends überzeugend.

Bewertung: 4 Sterne

(Bilder: © Frenetic Films)

Leave a comment