Von den Filmen von Tom Tykwer war ich bisher noch nie enttäuscht, von «Lola rennt» und «Der Krieger und die Kaiserin» über «Heaven» und die Episode aus «Paris, je t’aime» bis hin zu «Perfume: The Story of a Murderer». Selbst die massentaugliche Literaturverfilmung zeichnete sich durch Ecken und Kanten aus. Vollkommen stromlinienförmig und belanglos ist nun allerdings «The International» ausgefallen, der Eröffnungsfilm der 59. Berlinale.
Der Film handelt von schmutzigen Geldströmen und Bankern, die zur Bewahrung ihrer Macht über Leichen gehen. Da derzeit die Korruption von Bank-Managern das beherrschende Thema in der Gesellschaft ist, versuchen die Presseagenturen den Film von Tykwer in den Status eines extrem zeitgemässen Ereignisses emporzuheben. Doch so innovativ und aktuell ist die Geschichte mit seiner aufgekochten Verschwörungstheorie dadurch noch lange nicht.
Clive Owen spielt den (meist unbewaffneten) Interpol-Ermittler Louis Salinger, der zusammen mit der New Yorker Staatsanwältin Eleanor Whitman (Naomi Watts) gegen eine der mächtigsten Banken der Welt ermittelt – der IBBC (International Bank of Business and Credit) aus Luxemburg (gedreht wurde in einem Glaspalast der Autostadt von Volkswagen in Wolfsburg). Nach der Befragung eines Informanten bricht ein Partner von Salinger tot zusammen. Der Ermittler vermutet Mord, doch nur Whitman glaubt ihm.
Entgegen dem Willen seiner Vorgesetzten verfolgt Salinger den Fall weiter und kann dabei auf die Unterstützung von Whitman zählen. Während sie eine Reihe illegaler Aktivitäten aufdecken, folgen Salinger und Whitman der Spur des Geldes von Berlin nach Mailand, New York und Istanbul. Bald schon befinden sich das elegante Paar (das nicht miteinander liiert ist) mitten in einer hochriskanten Hetzjagd rund um den Globus. Und das Böse (für gewöhnlich in der Form von Massanzug tragenden Geschäftsmännern) lauert immer und überall.
Der Auftakt der Geschichte ist noch ziemlich spannend. Da muss das Publikum noch rätseln und fleissig mitdenken, um den Vorgängen zu folgen. Doch je länger der Film dauert, umso stumpfsinniger wird das Geschehen. Spätestens bei einer wilden Schiesserei im Guggenheim Museum in New York geht die zuvor entstandene Stimmung im Kugelhagel unter. In einem Actionfilm mit Jason Statham würde so eine Szene wunderbar funktionieren, in diesem politischen Thriller ist sie jedoch völlig fehlplatziert.
Immer beliebiger wird danach die Handlung fortgeführt und noch schnell eine übersteigerte Begegnung zwischen Owen und seinem Gegenspieler Armin Mueller-Stahl konstruiert (ein banaleres Gespräch habe ich in einem Thriller selten erlebt). Richtig ärgerlich und eine regelrechte Beleidigung für die Intelligenz jedes Kinobesuchers ist schliesslich die Montage über den Abspann, in der noch einmal mit dem Vorschlaghammer die Botschaft des Films vermittelt wird.
Bleibt noch die Frage, wer oder was eigentlich «The International» ist? Salinger, weil er die Bösewichte international verfolgt? Oder der Film selbst, der an so vielen auf die halbe Welt verteilten Orten spielt? Die über alle Grenzen hinweg agierenden Geldvermehrer? Vermutlich wurde einfach in einer Sitzung nach einem möglichst «internationalen» Titel gesucht.
Fazit: «The International» ist zwar sehr professionell inszeniert (besonders die Aufnahmen aus Istanbul sind prächtig), wegen der einfallslosen und unausgeglichenen Handlung aber nicht mehr als Mittelmass.
Bewertung:
PS: Wenn der Film nicht wirklich viel taugt, dann werden die Journalisten von der Medienagentur einfach mit nebensächlichen Informationen eingedeckt, etwa mit Angaben zu den glamourösen Drehorten wie Berlin, Istanbul, Mailand, New York und… Wolfsburg. Oder mit folgenden «spannenden Money-Facts und skurrilen Geldgeschichten»:
Um herauszufinden, woher die Euroscheine im eigenen Portemonnaie ursprünglich kommen, muss man kein Interpol-Agent sein – jeder Schein hat vor der Seriennummer einen Buchstaben: Das U steht für Frankreich, das V für Spanien, das N für Österreich, das P für die Niederlande, das Y für Griechenland und das X für Deutschland.
Was tun, wenn ein Schein zerreist? Auf zur Bank – und zwar unbedingt mit der größeren Hälfte: Für einen zerrissenen Schein gibt es nur Ersatz, wenn Sie eindeutig den größeren Teil vorlegen können, also mindestens 51% des Geldscheins.
Wenn er nicht zerrissen wird, wechselt ein Schein anderthalb bis zwei Jahre lang mehrmals täglich seinen Besitzer. Danach hat er ausgedient, ist abgenutzt oder porös und wird ausgetauscht.
Der pinkfarbene 1000-Euro-Schein, mit dem eine Frau in Baden-Württemberg Kosmetikartikel bezahlte, wurde schon eher aus dem Verkehr gezogen – und das, obwohl der Kassiererin gar nicht aufgefallen war, dass es keine 1000-Euro-Scheine gibt und dass Banknoten selten nackte Frauen zeigen: Sie gab 800 Euro Wechselgeld.
In Simbabwe wäre die Frau mit ihrem gefälschten Tausender vermutlich müde belächelt worden, denn hier gibt es eine 100-Billionen-Dollar-Note – die aber umgerechnet nur 230 Euro wert ist.
Bazillenschleuder Banknote: Grippeviren können bis zu 17 Tagen auf einem Geldschein überleben.
Den richtigen Riecher haben Polizeihunde aus einem einfachen Grund: Geldscheine werden mit einer speziellen Farbe gedruckt, die sich vom Duft her von üblicher Tinte unterscheidet.
Habe den Film gestern gesehen und würde sagen: Gutes Mittelmass.
Er ist stellenweise etwas verfranselt, nahe am Auseinanderbrechen, stellenweise vorhersehbar und stellenweise zu distanziert. Aber er hat auch seine guten Argumente und ein paar Dialogzeilen fand ich wirklich stark (A.M. Stahl im Kellergewölbe hat mir gefallen).
Ein Nachteil waren die vielen Charaktere; so blieb wenig Zeit, sie genauer zu zeichnen, viele waren reduziert auf ein paar klischeehafte Eigenschaften. Ein guter Film lebt aber von gut gezeichneten Figuren.