Nobody thinks in terms of human beings. Governments don’t, why should we?
Die Schatten in «The Third Man» werden gegen Ende immer länger und bedrohlicher. Regisseur Carol Reed und Drehbuchautor Graham Greene entführen in ihrem Meisterwerk in ein nach dem 2. Weltkrieg zerstörtes Wien, das in vier von Briten, Amerikanern, Franzosen und Sowjets kontrollierten Zonen aufgeteilt ist. Wie ein naiver amerikanischer Schriftsteller in «The Third Man» feststellen muss, blüht in der Stadt vor allem der Schwarzmarkt.
Der Schriftsteller Holly Martins (Joseph Cotten) hat schon erfolgreichere Tage gesehen, als er von seinem Jugendfreund Harry Lime nach Wien eingeladen wird. Dort angekommen, erfährt Martins, dass Lime von einem Auto angefahren wurde und gerade beerdigt wird. Am Zentralfriedhof bietet ihm der britische Major Calloway (Trevor Howard) eine Rückfahrgelegenheit an. Der Militärpolizist erklärt ihm auch, dass Lime in mehr als zweifelhafte Geschäfte verwickelt war und tot besser aufgehoben ist.
Die Ausführungen von Calloway stacheln den Ehrgeiz von Martins an. Er will nicht glauben, dass sein Freund ein Krimineller war. Martins stellt daher eigene Erkundigungen an. Baron Kurtz (Ernst Deutsch), Popescu (Siegfried Breuer) und Dr. Winkel (Erich Ponto), die ehemaligen Kollegen von Lime, erzählen Martins alle die gleiche Geschichte. Doch der Hausabwart (Paul Hörbiger) berichtet, dass der angefahrene Lime von einem mysteriösen dritten Mann von der Unfallstelle getragen wurde.
Und was sind nun die Zutaten für einen so perfekten Film wie «The Third Man»? Der erstklassige Drehbuchautor Graham Greene hat eine spannende Geschichte mit prickelnden Dialogen verfasst, die sowohl ironischen Humor als auch eine gewisse ernüchterte Verzweiflung enthalten. Der versierte Kameramann Robert Krasker entwarf in den Ruinen von Wien ein expressionistisches Spiel von Licht und Schatten, das die Stimmung zusätzlich verstärkt. Die hervorragenden Darsteller verkörpern genüsslich die in dieser Schattenwelt verirrten Menschen. Regisseur Carol Reed fügte diese Elemente stilsicher zusammen.
Ein wenig Glück ist aber immer auch notwendig. Besonders Orson Welles war während der Produktion eine unberechenbare Komponente. Weil er erst verspätet zu den Dreharbeiten in Wien auftauchte, jagte Carol Reed seinen Assistenten Guy Hamilton durch die Strassen und Gassen und fing dadurch die atmosphärischen Schattenbilder ein. Regisseur Reed konnte sich bei der Produktion von «The Third Man» also auf alle notwendigen Zutaten für einen unvergesslichen Klassiker verlassen. So erstaunt es auch nicht, dass der Thriller mit Orson Welles, Alida Valli, Joseph Cotton und Trevor Howard vom British Film Institute zum besten britischen Film des 20. Jahrhunderts gewählt wurde.
Aus Schweizer Sicht ist noch der grobe Fehler aus der wohl berühmtesten Rede im Film erwähnenswert. Zynisch behauptet der dritte Mann, dass Gewalt durchaus positive Auswirkungen auf die Gesellschaft haben kann: «In Italy for 30 years under the Borgias they had warfare, terror, murder, and bloodshed, but they produced Michelangelo, Leonardo da Vinci, and the Renaissance. In Switzerland they had brotherly love, they had 500 years of democracy and peace, and what did that produce? The cuckoo clock.» Dabei stammt die Kuckucksuhr ursprünglich aus dem Schwarzwald, wird aber vor allem in den USA und Grossbritannien fälschlicherweise gerne mit der Schweiz in Verbindung gebracht. Entweder erlag Greene dem gleichen Irrtum oder dann drückte er daduch einfach die Ignoranz des dritten Manns aus. Abgesehen davon wurde in der Schweiz auch noch nach der Niederlage von Marignano (1515) immer wieder in internen Auseinandersetzungen fleissig Blut vergossen. So wurden 1847 im Sonderbundskrieg etwa 150 Personen getötet. 1932 kamen bei Polizeieinsätzen gegen Streikende in Zürich und Genf 14 Personen ums Leben.
Auf der Blu-ray-Disc erstrahlen die Bilder von Kameramann Robert Krasker in vorzüglicher Qualität. Die verwendete Kopie wurde zwar nicht vollständig restauriert und daher sind immer noch leichte Verunreinigungen vorhanden. Doch gegenüber der DVD bietet die Bildqualität eine deutliche Steigerung. Die Bilder sind klarer, detaillierter und praktisch rauschfrei. Die Tonspur auf der Blu-ray-Disc unterscheidet sich ebenfalls von der Tonspur auf der DVD. Das Hintergrundrauschen wurde herausgefiltert. Dafür erklingen jetzt die Stimmen ziemlich dumpf, teilweise fast unverständlich, und leicht metallisch.
Ausgezeichnet ist das Bonusmaterial auf der Blu-ray-Disc. Exzellent ist der ebenfalls auf der «Arthaus Premium»-DVD enthaltene Dokumentarfilm «Shadowing the Third Man» von Frederick Baker. Der aussergewöhnliche Bericht stellt die Bilder des Films in ihren politischen und filmhistorischen Kontext. Baker projiziert die Aufnahmen zurück nach Wien, London und Los Angeles. Wie auf dieser DVD sind auf der Blu-ray-Disc auch ein kurzer Bericht über Zither-Spieler Anton Karas, der die bekannte Musik eingespielt hat, und die gekürzte und umgeänderte US-Fassung des Filmanfangs enthalten.
Auf der Blu-ray-Disc sind ausserdem diverse zusätzliche Extras vorhanden. Fremdenführerin Brigitte Timmermann berichtet über die diversen Schauplätze im Film und weist auch auf das Third Man Museum hin. Hörenswert ist auch der Audiokommentar, auf dem sich der britische Schauspieler und Welles-Biograf Simon Callow mit Guy Hamilton (Assistant Director) und Angela Allen (Script Supervisor 2nd Unit) unterhält. Hamilton, der später auch mehrere Abenteuer von James Bond inszenierte, verliert sich manchmal ein wenig in seinen Gedanken, Callow führt aber immer wieder zum Film zurück.
Bewertung:
Bildqualität (Blu-ray):
Tonqualität (Blu-ray):
Bonusmaterial (Blu-ray):
(Bilder: © Arthaus)