«Hamlet» von Kenneth Branagh (Blu-ray)

Kenneth Branagh in «Hamlet»

O, what a noble mind is here o’erthrown!

Wenn schon «Hamlet», dann aber richtig. Das durfte sich Regisseur, Drehbuchautor und Schauspieler Kenneth Branagh sagen, als er 1996 die Gelegenheit erhielt, das wohl berühmteste Theaterstück aller Zeiten zu verfilmen. Durch eine glückliche Konstellation war es Branagh vergönnt, als Vorlage die vollständigste Textfassung zu verwenden und auch bei Ausstattung und filmischer Umsetzung nicht zu sparen. Dadurch konnte er die Hauptfigur, die in den Filmen zuvor meist als melancholischer, zögernder Prinz dargestellt wurde, in ihrer kompletten Bandbreite voller Leidenschaft und Humor präsentieren. So entstand ein prächtiger «Hamlet».

Der junge Prinz Hamlet von Dänemark (Kenneth Branagh) hat allen Grund, mit seinem Schicksal zu hadern. Nur kurze Zeit nach dem Tod seines Vaters (Brian Blessed) hat seine Mutter Gertrude (Julie Christie, «The Go-Between») sich bereits mit Claudius (Derek Jacobi, «Gladiator»), dem Bruder des verstorbenen Königs, vermählt. Hamlet mag sich nicht an den Festlichkeiten beteiligen, denn er trauert immer noch um seinen noblen Vater. Da erfährt er von seinem Freund Horatio (Nicholas Farrell), dass der Geist des Vaters erschienen ist. Hamlet wagt die Begegnung mit dem Geist, der ihm berichtet, wie er von Claudius ermordet wurde. Nun sinnt Hamlet auf Rache.

Ganz so einfach lässt sich ein König aber nicht ermorden. Zudem möchte Hamlet zuerst einen Beweis für die Schuld von Claudius sehen. Dazu lässt er sich auch auf ein gewagtes Spiel mit der von ihm umworbenen Ophelia (Kate Winslet, «Revolutionary Road») ein, der Tochter des intrigierenden Oberkammerherrn Polonius (Richard Briers). Hamlet beauftragt zudem eine reisende Theatertruppe, eine Szene aufzuführen, in der ein ähnlicher Mord vorkommt. Nachdem Hamlet im Schlafgemach seiner Mutter den spionierenden Polonius ersticht, erkennt Claudius den Ernst der Lage. Er befiehlt Hamlets Jugendfreunden Rosencrantz (Timothy Spall) und Guildenstern (Reece Dinsdale), den verrückt scheinenden Prinzen nach England zu begleiten, wo er auf Bitte von Claudius hingerichtet werden soll.

Kenneth Branagh und Kate Winslet in «Hamlet»

Als Schauspieler bewährte sich Kenneth Branagh bereits in der Royal Shakespeare Company. Grosse Aufmerksamkeit erlangte er danach vor allem durch die Inszenierung von «Henry V». Als er dann auch noch mit der Shakespeare-Komödie «Much Ado About Nothing» ein respektables Ergebnis an den Kinokassen erzielte, hatte er sich selbst den Weg für die Inszenierung des Magnum Opus von William Shakespeare geebnet. Da Branagh die sogenannte «Eternity Version» des Stücks als Vorlage verwendete, die jede vorhandene Zeile aus dem 1. Folio und dem 2. Quarto enthält, dauert der Film stolze vier Stunden. Durch den Verzicht auf Kürzungen ist zu erkennen, wie reichhaltig und vielschichtig das Stück ist.

Branagh erzählt die Geschichte des auf Rache sinnenden, aber manchmal aus falschen Gründen etwas zu zögerlichen Prinzen mit solch intensivem Elan, dass trotz epischer Länge die Zeit wie im Flug vergeht. Glänzend sind die schauspielerischen Leistungen. Branagh bedient sich für die Darstellung von Hamlet des ganzen Arsenals an Stimmungen. Um dem epischen Inhalt auch formal die notwendige Ausstrahlung zu verleihen, wurde im eindrücklichen, kaum mehr verwendeten Format 65 mm gedreht. Trotz dieses breiten Filmformats erlauben die Nahaufnahmen dennoch ein gleichzeitig intensives und intimes Erlebnis. Da die Gefühle sehr deutlich zum Ausdruck kommen, kann der Handlung leicht gefolgt werden, obschon die Sprache von Shakespeare so präzise und sparsam ist, das sie teilweise nur schwer verständlich und den philosophischen Gedanken manchmal nur schwer zu folgen ist.

Neben der Tour de Force von Branagh gibt es weitere glanzvolle Schauspielerleistungen zu bewundern. Nicht nur die Hauptrollen wurden durch angesehene Darsteller ausgefüllt, selbst für kleinste Nebenrollen konnte Branagh ausgewiesene Shakespeare-Profis wie John Gielgud und Judi Dench verpflichten, die in einer kurzen Schilderung des Untergangs von Troja wortlos Priam und Hecuba spielen. Weitere prominente Schauspieler sind ebenfalls in kurzen bis kürzesten Rollen zu sehen: Jack Lemmon spielt einen Wächter, Gérard Depardieu den Diener Reynaldo, Rosemary Harris und Charlton Heston die Anführer der Schauspieltruppe, Billy Crystal den 1. Totengräber, Robin Williams den ungeschickten Höfling Osric, Rufus Sewell den norwegischen Prinzen Fortinbras und Richard Attenborough einen englischen Gesandten.

Kenneth Branagh, Julie Christie und Richard Briers in «Hamlet»

Auf der Blu-ray-Disc erstrahlen die betörenden Bilder von Kameramann Alex Thomson und die prunkvolle Ausstattung des glänzenden Palasts in hervorragender Qualität. Das lässt sich sicher auch darauf zurückführen, dass der Film in 65 mm aufgezeichnet wurde. Die Tonspur in DTS-HD Master Audio 5.1 lässt einerseits die Dialoge in perfekter Klarheit erklingen, kann andererseits aber auch durch eine saubere, präzise auf die verschiedenen Kanäle aufgeteilte Abmischung der Effekte überzeugen, die vor allem in den Szenen mit dem Geist oder durch Applaus hörbar sind.

Nicht ganz so überzeugend, aber dennoch nicht zu verachten ist das Bonusmaterial auf der Blu-ray-Disc, das aus den gleichen Extras besteht, die auch schon auf den nicht mehr lieferbaren DVDs enthalten waren. Da ist zunächst eine Einführung von Kenneth Branagh (8 Minuten), ein in Cannes eingesetzter Werbefilm (12 Minuten) und der Drehbericht «To Be on Camera: A History with Hamlet» (24 Minuten), der vor allem durch die verspielten Aussagen der Schauspieler überzeugen kann, ansonsten aber nicht besonders viel zu bieten hat.

Kernstück des Bonusmaterials ist sicherlich der Audiokommentar von Branagh zusammen mit Shakespeare-Experte Russell Jackson, der die Produktion als Textberater begleitet hatte. Sie gehen vor allem auf die Figuren, die Handlung und die Schauspieler ein. Dabei weisen sie auch auf die speziellen Herausforderungen der häufig sehr langen Einstellungen hin, in denen die Schauspieler die Schauspieler nicht nur lange Textstellen beherrschen, sondern manchmal auch ihr Gewicht unauffällig von einem Bein auf das andere verlagern mussten, damit die um sie kreisende Kamera stets die sprechende Figur im Bild hatte. Wie es Branagh bezeichnet, versuchte er stets «harmony and rhythm between machinery and performance» zu finden. Anekdoten von den Dreharbeiten werden hingegen eher sparsam eingestreut.

Bewertung: 6 Sterne
Bild-/Tonqualität (Blu-ray): 6 Sterne
Bonusmaterial (Blu-ray):
4 Sterne

(Bilder: © Warner Home Video)

2 comments

  1. “[…]Format 65 mm gedreht. Trotz dieses breiten Filmformats […]”

    Darf ich dazu anmerken, dass das ein wenig irreführend formuliert ist?

    Wenn auf 65mm-Negativ gedreht wurde, wurde im Kino früher im 70mm-Format vorgeführt, das üblicherweise ein Bild mit Seitenverhältnis 1:2,2 auf die Bildwand bringt, während CinemaScope mit Bildformat 1:2,35 im Kino das ein wenig breitere Bild liefert.

    Der Unterschied besteht in der Bildqualität: für CinemaScope wird auf 35mm breites Material gedreht – ein 65mm breites Negativ liefert naturgemäß ein viel schärferes und detailreicheres Bild.

    Leider wird das aus Kostengründen so gut wie nicht mehr gemacht.

  2. Welch ein Film !!! Absolut genial !!!!!!!!!
    Ich habe ihn soooooo genossen! Und Hamlet wurde super gespielt. Ich bin ja sowieso Shakespeare- Freund( in ).
    Kenneth B. hat seine Rolle unglaublich realistisch gespielt.
    Ich wäre gern an seiner Seite gewesen. Ein großes Kompliment!!! Diesen Mann muß man einfach lieben für seine Rolle! Big Kisses for Kenneth!
    Trinchen

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