«127 Hours» von Danny Boyle

James Franco in «127 Hours»

This rock has been waiting for me my entire life.

Zwei Knochen verbinden die Hand mit dem Ellbogen. Wenn die Hand eingeklemmt ist und Hilfe ausser Ruf- und Reichweite, müssen die Knochen gebrochen und Muskeln und Sehnen durchtrennt werden, um sich aus der Notlage zu befreien. Diese schmerzhafte Erfahrung musste Aron Ralston 2003 machen, als er in einem Nationalpark in einer Felsspalte eingeklemmt wurde. Regisseur Danny Boyle («Sunshine», «Slumdog Millionaire») erzählt diese Geschichte in «127 Hours» auf unnachahmlich fesselnde Art.

Aron Ralston (James Franco) bricht gerne aus der Zivilisation aus. An den Wochenenden verbringt er seine Zeit abseits der grossen Menschenmassen in abgelegenen Nationalparks im Westen der USA. An einem Samstag im April 2003 ist er im Canyonlands National Park unterwegs. Zwischendurch rast er mit dem Fahrrad durch die Weiten der Landschaft. Als er auf die beiden Wandererinnen Kristi (Kate Mara, «Transsiberian») und Megan (Amber Tamblyn) trifft, legt er eine kurze Pause ein und vergnügt sich mit ihnen mit Sprüngen in ein natürliches Wasserbecken. Anschliessend macht er sich auf den Weg zum Blue John Canyon. Dort hört der Spass abrupt auf: Beim Abstieg in die Schlucht löst sich ein Felsbrocken und klemmt die Hand von Aron ein.

Die ersten Reaktionen von Aron sind Hilfeschreie und der Versuch, den Felsbrocken oder die Hand zu bewegen. Doch das nützt alles nichts. Mit dem stumpfen Messer versucht er den Stein zu zerkleinern, kommt allerdings nicht weit. Auch der mühsam installierte Flaschenzug hilft nicht, seine Hand zu befreien. Mit nur einer Flasche Wasser und wenig Proviant harrt Aron in der Situation aus, erinnert sich zwischendurch an Momente mit seinen Eltern (Treat Williams, Kate Burton) und seiner Schwester oder an die gescheiterte Beziehung mit seiner Freundin Rana (Clémence Poésy, «Harry Potter and the Goblet of Fire»), halluziniert zwischendurch ein wenig oder mockiert sich mit seiner Kamera über sein elendes Schicksal. Nach fünf Tage und sieben Stunden (127 Stunden) fasst er einen Entschluss.

James Franco, Kate Mara und Amber Tamblyn in «127 Hours»

Wie kann bloss ein Film über einen über fünf Tage in einer Felsspalte eingeklemmten Mann funktionieren? Regisseur und Drehbuchautor Danny Boyle und sein Co-Drehbuchautor Simon Beaufoy («Slumdog Millionaire») haben die ungewöhnliche Aufgabe meisterhaft gelöst und in James Franco einen überragenden Hauptdarsteller gefunden, der alle Register seines Könnens zieht, um die Aussichtslosigkeit der Situation zu vermitteln. Seine Verkörperung der Figur, die von stiller Verzweiflung über fatalistische Freude bis hin zu zittriger Erschöpfung alle Gefühls- und Körperzustände durchlebt, ist schlicht überwältigend und hypnotisierend.

Auf der Handlungsebene sorgen zunächst die Begegnung mit anderen Personen und anschliessend die gedanklichen Ausflüge von Ralston dafür, dass der Film keine Sekunde langweilig wird. Boyle inszeniert die physischen und psychischen Leiden von Ralston mit virtuoser Intensität und packender Wucht. Der Film erinnert dabei zuweilen an eine Mischung aus «Into the Wild» und «Black Swan». Wie Christopher Johnson McCandless verhält sich Ralston angesichts der Gefahren in der Natur bisweilen ziemlich leichtsinnig, und die letzlich radikale Entscheidung zur eigenen Befreiung, die in aller Schmerzhaftigkeit dargestellt wird, erfordert eine gleiche Überwindung und Leidensfähigkeit wie sie Nina Sayers zur Perfektion benötigt.

Formal sorgen in «127 Hours» schon alleine die Aufnahmen der Landschaften im Canyonlands National Park mit den rötlich glühenden Felsformationen für eine äusserst reizvolle und betörende Kulisse. Durch die eindrückliche Kameraarbeit von Anthony Dod Mantle («Slumdog Millionaire», «Manderlay») und Enrique Chediak («28 Weeks Later») und den schwungvoll zackigen Schnitt von Jon Harris («Kick-Ass», «Stardust») entsteht vor dieser Kulisse ein rasantes und eindringliches Erlebnis, das meist sehr verführerisch und dann wieder aufwühlend die Faszination und die Gefahren des Abenteuers in der abgeschiedenen Felsenwelt wiedergibt.

Fazit: «127 Hours» ist ein von Danny Boyle meisterhaft inszeniertes und von James Franco grandios gespieltes Drama.

Bewertung: 6 Sterne

(Bilder: © Pathé Films AG)

1 comment

  1. Hui, das klingt nach einem Must-See. Hab bisher überhaupt nichts gewusst über den Film, außer dass er von Danny Boyle ist. Ähm, dass Danny Boyle Regie geführt hat…

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