«The Fighter» von David O. Russell

Mark Wahlberg und Christian Bale in «The Fighter»

Come on Micky, what has Dicky done for you?

Wenn in einem Film ein Boxer am Ende gegen alle Wahrscheinlichkeit einen grossen Kampf gewinnt, dann wird schnell einmal ein Vergleich mit «Rocky» bemüht. Eine solche Gegenüberstellung drängt sich auf den ersten Blick auch für «The Fighter» auf. Doch das wuchtige Drama von Regisseur David O. Russell ist um einiges vielschichtiger und durchdachter ausgefallen. Ausserdem fesselt es durch eine Gruppe herausragender Haupt- und Nebendarsteller.

Der ehemalige Boxer Dicky Eklund (Christian Bale, «The Dark Knight», «The Prestige») war früher ein Held in seiner Heimatstadt Lowell. 1978 brachte er nämlich in einem Kampf gegen Sugar Ray Leonard den angehenden Weltmeister zu Fall. Mitte der 90er-Jahre ist der Ruhm zwar schon ein wenig verblasst, doch Dicky träumt von einem Comeback als Trainer seines Halbbruder Micky Ward (Mark Wahlberg, «Boogie Nights», «The Happening»). Da Dicky jedoch süchtig nach Crack ist, kann sich Micky nicht wirklich auf ihn verlassen. Vielmehr sorgt Dicky und ihre als Managerin tätige Mutter Alice (Melissa Leo, «Welcome to the Rileys», «Frozen River») durch zweifelhafte Entscheidungen dafür, dass die Karriere von Micky zum Scheitern verurteilt ist.

Micky versucht zwar, auf eigenen Beinen zu stehen, und erhält auch Unterstützung von seinem Vater George (Jack McGee), seinem Mentor Mickey O’Keefe (spielt sich selber) und seiner Freundin Charlene (Amy Adams, «Enchanted», «Doubt»). Doch gegen den aufgedrehten und manischen Bruder, die tyrannische Mutter und die wie eine Horde Hyänen auftretenden Schwestern kann sich Micky nur selten wirklich durchsetzen. Erst als Dicky wegen diverser Straftaten im Gefängnis landet, kann sich Micky ein wenig von seiner Familie lösen. Als sich Micky dann aber langsam nach oben kämpft und in London der Weltmeister-Kampf gegen Shea Neary (Anthony Molinari) ansteht, drängt sich plötzlich Dicky wieder in sein Leben.

Mark Wahlberg und Amy Adams in «The Fighter»

Vordergründig erzählt «The Fighter» tatsächlich wie «Rocky» die übliche Geschichte von einem Aussenseiter, der sich trotz geringer Aussichten durchsetzt. Doch dahinter versteckt sich eine packende Geschichte voller Abgründe und widersprüchlicher Figuren. Die Hauptfigur verfügt zwar über die notwendigen Fähigkeiten, doch weil er sich nicht einmal gegen seine Familie durchsetzen kann, bleibt er hinter seinen Möglichkeiten zurück. Der leidenschaftliche Bruder steht sich derweil durch seine Drogensucht selbst im Weg und bemerkt völlig berauscht nicht einmal, dass der Dokumentarfilm, der über ihn entstehen soll, nicht seine ruhmreiche Vergangenheit, sondern seine trübe Gegenwart beleuchten soll. Ebenso blind ist die Mutter, die sich wie eine Furie gegen jegliche Ratschläge wehrt.

Von diesen gegensätzlichen Einflüssen auf die Karriere eines Menschen handelt «The Fighter». Der Held muss sich nicht nur im Ring beweisen, sondern er ist auch darauf angewiesen, ein Mittel gegen die oftmals schädlichen Elemente in seinem Privatleben zu finden. Dabei stehen ihm einerseits die unnachgiebigen Familienmitglieder im Weg, andererseits hindert ihn auch sein übertriebener Stolz an klugen Entscheidungen. So vertraut Dicky auf seltsame Massnahmen, wenn er das Gefühl hat, dass er einen negativen Eindruck hinterlassen könnte. Beispielsweise fährt er nach einem verlorenen Kampf für die erste Verabredung mit Charlene in den Nachbarort Lexington, wo sich die beiden den spanischen Film «Belle Epoque» anschauen, nur damit Dicky sein verwundetes Gesicht nicht in Lowell zeigen muss.

Regisseur David O. Russell («Three Kings») vertraut bei der Inszenierung der aufwühlenden Geschichte ganz auf das Talent seiner überragenden Schauspieler, die sich mit vollem Körperseinsatz in ihre Rollen gestürzt haben. Besonders die Darbietung von Christian Bale als leicht ausgemergelter und stets angespannter Drogensüchtiger ist von unvergleichlicher und beinahe schon schmerzhafter Eindringlichkeit. Ebenso eindrücklich sind die Leistungen von Melissa Leo in der Rolle der bedrohlichen Mutter und Amy Adams als furchtlose Freundin. Doch auch der eher zurückhaltende Mark Wahlberg kann in seiner Rolle glänzen. Zur intensiven Wirkung tragen ebenfalls die beiden eher im Hintergrund auftretenden Nebendarsteller Jack McGee und der sich selbst spielende Mickey O’Keefe bei. Ihr ruhiges Auftreten funktioniert als ausgleichender Pol zu den teilweise fast schon übertrieben schrill auftretenden Figuren.

Fazit: «The Fighter» ist ein packendes Boxerdrama, das vor allem durch die eindringlichen Schauspielerleistungen begeistert.

Bewertung: 5 Sterne

(Bilder: © Ascot-Elite)

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