Everything could have been anything else and it would have just as much meaning.
Das Leben kann ganz schön belastend sein. Jeden Tag müssen wir unzählige Entscheidungen treffen, von denen einige den weiteren Verlauf grundlegend verändern könnten. Wie unterschiedlich ein Leben durch die Zufälligkeit von solchen Entscheidungen verlaufen kann, schildert Regisseur und Drehbuchautor Jaco Van Dormael im wunderbar verschachtelten und humorvollen Drama «Mr. Nobody», in dem sich ein alter Mann an seine Vergangenheit erinnert, die aber vielleicht nur die Möglichkeiten der Zukunft darstellt.
118 Jahre alt ist Nemo Noboby (Jared Leto, «Alexander»), der älteste noch sterbliche Mensch, als er 2092 auf sein Leben zurückblickt. Der Journalist, der ihn befragt, ist allerdings ordentlich verwirrt von den seltsamen Ausführungen: Der alte Mann berichtet nämlich scheinbar von drei verschiedenen Abläufen seines Lebens, und die Ereignisse in der Vergangenheit verändern sich durch die getroffenen Entscheidungen immer wieder. Die unterschiedlichen Abläufe folgen auf die Trennung seiner Eltern (Rhys Ifans, «Greenberg», und Natasha Little). In einer Version der Geschichte bleibt er bei seinem Vater, in einer anderen folgt er der Mutter.
Anschliessend verästeln sich die möglichen Lebensläufe noch mehr. Einmal folgt er seinem Herzen und erobert die rebellische Elise (Sarah Polley, «Away from Her»), die später vielleicht an Depressionen leidet oder aber früh stirbt. In einer anderen Variante wird Nemo von Elise abgewiesen und er tröstet sich stattdessen mit Jean (Linh Dan Pham), mit der ihn jedoch keine Gefühle verbinden. Oder Nemo verliebt sich in Anna (Diane Kruger, «Unknown», «Troy»), die Tochter des neuen Liebhabers seiner Mutter. Als die Beziehung dieser Eltern in Brüche geht, muss Nemo eine andere Möglichkeit finden, um mit Anna in Verbindung zu bleiben.
In seinem schwelgerischen Drama erzählt der belgische Regisseur und Drehbuchautor Jaco Van Dormael («Le huitième jour») von der Kraft des Zufalls, durch die sich der Pfad des Lebens dauernd im Bewegung befindet. Virtuos und leidenschaftlich beschreibt Van Dormael die unterschiedlichen Entwürfe, die durch diese unendlichen Möglichkeiten entstehen. Dabei sieht der Film so aus, als ob dem Filmemacher bei der Produktion ein beinahe unbegrenztes Budget zur Verfügung stand. «Mr. Nobody» besticht nämlich nicht nur durch eine visuell reizvolle Ausstattung, die von Kameramann Christophe Beaucarne umwerfend eingefangen wurde, sondern entführt auch in die Fantasie von Nemo, die verträumte Zustände (Nemo schwebt über einer Bank, eine Strasse wird wie ein Stück Rasen aufgerollt) und sogar eine Reise zum Mars beinhaltet.
Nebenbei geht Van Dormael auch noch verspielt auf die Relativität der zeitlichen Erfahrung und die Auswirkungen der Chaostheorie ein. In einer Szene trifft Nemo endlich wieder auf Anna und erhält von ihr eine Telefonnummer. Doch kaum hat sie sich entfernt, fällt ein Regentropfen auf das Papierstück und macht die Nummer unlesbar. Der Auslöser für die Regenwolke war eine frühere Entscheidung von Nemo, der vor einer Weile die günstigere Hose kaufte. Das führte dazu, dass eine Fabrik in Brasilien geschlossen wurde und ein arbeitsloser Arbeiter ein Ei gekocht hat. Der aufsteigende Dampf beeinflusste dann das Wetter über Nemo. Diese Unausweichlichkeit der Folgen von eigenen Entscheidung treibt Nemo zwischendurch beinahe in den Wahnsinn, weil er erkennt, dass womöglich keine Wahl wirklich den erwünschten Effekt bewirkt: «In chess, it’s called Zugzwang… when the only viable move is not to move.»
Auf der technisch eigentlich tadellosen Blu-ray-Disc ist neben der Kinofassung auch noch ein 16 Minuten längerer «Director’s Cut» enthalten. Anstatt aber die Auswahl dem Publikum zu überlassen, beginnt beim Einlegen der Scheibe automatisch die Kinofassung. Die längere Fassung versteckt sich im Bonusmaterial. Wer sich also gleich den «Director’s Cut» ansehen möchte, muss zuerst den Film verlassen. Als wirkliches Bonusmaterial sind ein ausführlicher Drehbericht (45 Minuten), zusätzliche Aufnahmen von den Dreharbeiten (16 Minuten) sowie ein paar entfallene Szenen (7 Minuten) vorhanden.
Bewertung:
Bild-/Tonqualität (Blu-ray):
Bonusmaterial (Blu-ray):
(Bilder: © Concorde Home Entertainment)
Ach, solche Filme liebe ich ja. Und wenn Jared Leto mitspielt, dann erst Recht 🙂