Listen: The only thing I want to do with your hair is get out of it. Literally!
Die Verfilmung eines Märchens der Brüder Grimm bildete 1937 den Auftakt für die abendfüllenden Animationsfilme von Walt Disney. 73 Jahre nach «Snow White and the Seven Dwarfs» sorgte ein weiteres Grimm-Märchen für eine Wiederbelebung der zuvor etwas darbenden Animationsfilmabteilung der Disney Studios. Die langen Haare von Rapunzel stehen im Zentrum von «Tangled». An die Vorlage mit den gestohlenen Rapunzeln (Nüsslisalat) und dem erblindeten Prinzen hält sich Drehbuchautor Dan Fogelman («Bolt», «Cars») überhaupt nicht. Dafür bietet der von den Regisseuren Byron Howard («Bolt») und Nathan Greno inszenierte Film viel Humor und rasante Szenen.
In der Disney-Version verfügen die Haare von Rapunzel über magische Kräfte, die von der bösen Gothel (Stimme von Donna Murphy) begehrt werden. Sie hat früher eine magische goldene Blume gefunden, die ihr durch einen zur Erde gefallenen Tropfen Sonnenlicht ewige Jugend schenkte. Als im Königreich die schwangere Königin krank wurde, bestand das Heilmittel aus dieser Blume und die magische Wirkung übertrug sich auf die Haare der später geborenen Prinzessin. Damit Gothel weiterhin die verjüngende Zauberkraft der Sonne nutzen konnte, entführte sie die Prinzessin und sperrte sie in einen Turm ein.
Viele Jahre später träumt Rapunzel (Mandy Moore) davon, den Turm endlich zu verlassen. Doch Gothel warnt sie eindringlich vor den Gefahren in der Welt. Eines Tages entdeckt allerdings der muntere Dieb Flynn Rider (Zachary Levi) auf der Flucht vor den königlichen Wachen die eingeschlossene Rapunzel. Weil sie ihn überlistet, muss er ihr versprechen, sie aus dem Turm zu entführen. Sonst gibt sie ihm die Krone nicht zurück, die er mit zwei Komplizen aus dem Schloss gestohlen hat. Gemeinsam machen sich Rapunzel und Flynn Rider auf den Weg zum Schloss. Doch auf dem Weg warten zahlreiche Hindernisse.
Die zauberhaften Prinzessinnen sind fast ein wenig das Markenzeichen der Disney Studios. Wegen der früheren Erfolge ist es schon leicht verwunderlich, dass es so lange gedauert hat, bis sich die Studio-Bosse an dieses Rezept erinnert haben. 2009 sorgte dann bereits «The Princess and the Frog» dafür, dass die sich zuvor mit den digitalen Animationsfilmen eher abmühende Trickfilmabteilung der Disney Studios wieder auf rosigere Zeiten zusteuerte. Das weltweite Einspielergebnis von 267 Millionen Dollar für «The Princess and the Frog» wurde anschliessend durch «Tangled» mit mittlerweile über 576 Millionen Dollar noch einmal deutlich übertroffen.
Schwungvoll und mit viel Humor erzählen die Filmemacher die Geschichte von der Reise einer jungen Frau in die Selbstbestimmung. Ungewöhnlich ist schon einmal der Auftakt. Flynn Rider warnt als Erzähler vor seinem Tod: «This is the story of how I died.» Aber er fügt gleich hinzu, dass sich das Publikum natürlich keine Sorgen machen muss: «Don’t worry. This is actually a very funny story and the truth is, it isn’t even mine.» Anschliessend folgt die Konzentration auf die Geschichte der jungen Frau, die sich nicht so ganz sicher ist, ob sie sich nun wirklich aus der sicheren Obhut der vermeintlich schützenden Mutter wagen soll. Die Gespaltenheit des an und für sich schlagfertigen Mädchens bietet viel Gelegenheit für ironische Spässe und dadurch selbstverständlich auch für gewagte Interpretationen über das Frauenbild in Disney-Filmen.
Etwas zwiespältig fällt mein Urteil über die künstlerische Gestaltung des Films aus. Wie schon «The Princess and the Frog» zählt auch «Tangled» wieder zu den handgezeichneten Animationsfilmen. Doch die Animation unterscheidet sich deutlich von früheren Meisterwerken wie «Snow White and the Seven Dwarfs» oder «Pinocchio». Genau betrachtet unterscheiden sich die Bilder von «Tangled» nur geringfügig von den übrigen, teilweise arg eintönigen digitalen Animationsfilmen. Das erklärt sich durch die zu mechanische Herstellung. Das war früher noch wirklich Handarbeit. So wurden die einzigartigen Hintergründe in «Sleeping Beauty» durch den Künstler Eyvind Earle gestaltet. Die Kulissen aus «Tangled» entstanden hingegen in Rechnern. Sie verblüffen zwar durch hohe Detailgenauigkeit, sorgen durch diesen Realismus aber gleichzeitig auch für eine den Gesamteindruck verzerrende Wirkung.
Schon in «Beauty and the Beast» wirkte der Hintergrund der Tanzszene im Ballraum durch die digitale Gestaltung wie ein verstörrend fremdes Element. Die lebensechten Grashalme und Bäume in «Tangled» erzeugen ebenfalls einen negativen Widerspruch im Bild. Hilfreich ist die digitale Animation allerdings eindeutig für die fantastischen Haare von Rapunzel. Die Lockenpracht ist tatsächlich eine glänzende Augenweide. Auch andere Effekte profitieren von der digitalen Animation. Dadurch sind in «Tangled» einige überwältigend animierte Szenen enthalten. In Erinnerung bleibt besonders der Moment, in dem Rapunzel und Flynn Rider das Lichtspektakel bewundern und tausende von fliegenden Laternen in den Nachthimmel steigen. Vor- und Nachteile der digitalen Fertigung halten sich also ungefähr die Waage.
Die Bild- und Tonqualität der Blu-ray-Disc sind herausragend. Nur mittelmässig ist hingegen das etwas magere Bonusmaterial. Drei entfallene und zwei alternative Szenen (insgesamt 20 Minuten) bieten immerhin einen Einblick in die Entwicklung. Ursprünglich war nämlich ein bedeutend traditionellerer Auftakt mit der üblichen Märchenbuch-Erzählung vorgesehen gewesen. Daneben sind auch noch zwei längere Versionen der Lieder «When Will My Life Begin?» und «Mother Knows Best» sowie der Drehbericht «Untangled» (12 Minuten) enthalten. Da «Tangled» der 50. Animationsfilm der Disney Studios ist, lässt ausserdem ein 2-minütiger Zusammenschnitt alle Werke Revue passieren. Die rauschen allerdings im 2-Sekunden-Takt so schnell vor, dass sie teilweise fast nicht zu erkennen sind. Eine weniger gehetzte Würdigung wäre angesichts des Jubiläums angebracht gewesen.
Bewertung:
Bild-/Tonqualität (Blu-ray):
Bonusmaterial (Blu-ray):
(Bilder: © Walt Disney Studios Home Entertainment)