Wie kein anderes Studio durchbricht Pixar immer wieder die Konventionen der gewohnten Erzählstrukturen. Das jüngste Wagnis kommt fast ohne Dialoge aus. «WALL•E» ist zwar alles andere als ein Stummfilm, aber die Dialoge in den knapp 100 Minuten sind wirklich sehr spärlich gesät. Das liegt ganz klar an den ungewöhnlichen Hauptfiguren.
Der kantige Roboter WALL•E geht auf einer zugemüllten Erde seiner Beschäftigung nach. Er ist ein Waste Allocation Load Lifter•Earth Class – auf Deutsch verkürzt ein Müllheber. So sammelt WALL•E fleissig Müll ein, verdichtet ihn in handliche Würfel, die er dann bis in den Himmel stapelt. Die Menschen haben die unbewohnbare Erde schon vor vielen Jahren verlassen und da die übrigen Roboter längst ihre Garantiezeit überschritten haben, ist eine Kakerlake der einzige Begleiter von WALL•E.
In seiner Einsamkeit hat der Roboter einige seltsame Charaktereigenschaften entwickelt. Neben Ersatzteilen für seinen eigenen Körper sammelt er auch sonstige Gegenstände. Zudem sieht er sich immer wieder das Musical «Hello, Dolly!» an, das seine Sehnsucht nach Gesellschaft noch verstärkt. Da landet eines Tages ein Raumschiff in der Nähe und entsendet die spiegelblanke Roboterin EVE auf die Suche nach pflanzlichen Leben. WALL•E verliebt sich sofort in die wendige EVE. Sie ist allerdings einzig auf die Ausführung ihrer Auftrags bedacht. Als sie tatsächlich eine Pflanze findet, kehrt das Raumschiff zurück. WALL•E will aber seine unverhofft gefundene Gefährtin nicht so einfach aufgeben und hängt sich an das Raumschiff. So begibt er sich auf eine abenteuerliche Reise.
Die Filmemacher entwerfen eine derart unwiderstehliche Welt, dass nicht einmal die Frage auftaucht, ob es überhaupt männliche und weibliche Roboter gibt oder wie die beiden Hauptfiguren sonst zusammenpassen. Durch den Einfallsreichtum der Drehbuchautoren Andrew Stanton und Jim Reardon sowie der Fertigkeit der Animatoren wird WALL•E einfühlsam ein unverwechselbares Eigenleben eingehaucht. Auf seinen Erkundungstouren vergeht die Zeit wie im Flug. Wenn die Künstler von Pixar ans Werk gehen, spielt es keine Rolle, ob die Protagonisten Ratten, Fische, Autos, Spielzeuge oder nun eben Roboter sind – die Gefühle werden glaubhaft und berührend vermittelt. Verpackt sind sie im Fall von «WALL•E» in eine fantastische Geschichte, die lauter verzaubernde Bilder und Details bietet. Mein Lieblingsmoment: WALL•E und EVE fliegen in harmonischen Kurven durch den Weltraum, ein Tanz der Unvergänglichkeit.
Mit der Doppel-Blu-ray-Disc zu «WALL•E» liegt gleich zu Beginn des Jahres ein Referenzprodukt vor. Einerseits sind die Bildqualität und die Tonspur in DTS-HD hervorragend, andererseits ist das Bonusmaterial schlicht phänomenal. Das beginnt mit den beiden Audiokommentaren. Die spannenden Erklärungen von Regisseur Andrew Stanton sind auch auf der DVD enthalten, auf der Blu-ray-Disc werden zusätzlich Skizzen von der Entwicklung des Films eingeblendet. Zudem ist ein sogenannter «Geek-Kommentar» enthalten, in dem drei Science-Fiction-Experten und Produzentin Lindsey Collins sehr verspielt die Anspielungen erklären, Huttesisch sprechen und sonst ein wenig philosophieren: «Sci-Fi is based on attacking your audience.»
Ebenfalls enhalten ist der Kurzfilm «Presto», der als Kontrast zu «WALL•E» auf die Bühne eines Magiers entführt. Da dieser seinen Hasen nicht gefüttert hat, lässt sich das Pelztier nicht so einfach aus dem Hut zaubern. Die Titelsequenz ist zwar eine Hommage an die Disney-Cartoons mit Mickey Mouse und Donald Duck aus den 40er- und 50er-Jahren, doch die Dynamik erinnert stärker an Spässe von Bugs Bunny – nicht nur weil die Hauptfigur ein Hase ist. Ein weiterer Kurzfilm erweitert das Universum von «WALL•E». In «BURN•E» wird der Alltag von einem kleinen Schweiss-Roboter durch die Existenz von WALL•E erschwert. Grandios.
Entfallene Szenen (23 Minuten) lassen die Entwicklung von «WALL•E» erkennen. Fünf Berichte (zwischen 5 bis 18 Minuten) beleuchten einzelne Aspekte der Produktion, von der Kamera über den Ton und die Musik bis hin zum Pixar-Prozess. Spiele sind ebenfalls enthalten wie auch viele kleine zusätzliche Informationen.
Das Kernstück ist allerdings die 88-minütige Dokumentation «The Pixar Story» von Leslie Iwerks, der Enkelin von Disney-Legende Ub Iwerks. Sie rollt die Entstehung von Pixar von den Ursprüngen in den späten 70er-Jahren auf, als John Lasseter bei den Disney-Studios seine Ausbildung absolvierte. Später wurde er aber gefeuert und entwickelte dann zusammen mit einem Team für George Lucas die Technik der digitalen Animation. Die Dokumentation ist sehr umfangreich und faszinierend und enthält zudem noch wenige Sekunden von «Star Wars» im High Definition.
Film:
Bild-/Tonqualität (Blu-ray):
Bonusmaterial (Blu-ray):
(Bild: ©Disney)