Everyone gets everything he wants. I wanted a mission, and for my sins, they gave me one.
1976 ging Francis Ford Coppola («Dracula», «The Godfather») ein gewaltiges Risiko ein. Für die Dreharbeiten des Kriegsfilms «Apocalypse Now» auf den Philippinen setzte er nicht nur sein Vermögen, sondern auch seinen Verstand aufs Spiel. Entstanden ist ein monumentales Meisterwerk, das nach den turbulenten Dreharbeiten von März 1976 bis Mai 1977 wegen der umfangreichen Nachproduktion erst 1979 in die Kinos kam. Die vollständige Fassung feierte 2001 als «Apocalypse Now Redux» ihre Wiederauferstehung. In der «Full Disclosure»-Edition sind erstmals beide Versionen sowie der packende Dokumentarfilm «Hearts of Darkness» vorhanden.
In «Apocalypse Now» beantworten Regisseur Francis Ford Coppola und Drehbuchautor John Milius fast alle Fragen, die es zum Krieg in Vietnam gibt. Beispielsweise wo es die schönsten Strände zum Surfen gibt. Eine absurde Frage für einen absurden Krieg. Der Geschwaderkommandant Oberst Kilgore (Robert Duvall, «True Grit») hat eigentlich nicht viel Interesse daran, Hauptmann Willard (Martin Sheen, «The Departed») für seine geheime Mission Geleit zu geben. Als Kilgore aber hört, dass sich unterwegs eine gute Surf-Gelegenheit bietet, wirft er die Lautsprecher an und erobert unter den Klängen von Richard Wagners «Ritt der Walküren» ein vietnamesisches Dorf.
Die Mission von Willard führt in auf eine Reise, die ihren Anfang also im organisierten Wahnsinn nimmt. Bald dringt er und die Besatzung seines Boots weit in die Verrücktheit des Krieges vor bis tief, tief hinein in das Herz der Finsternis eines Soldaten und des Krieges. Das Ziel der Mission von Willard ist der kambodschanische Dschungel, wo er auf den abtrünnigen Oberst Kurtz (Marlon Brando, «The Godfather») treffen soll, der seinen eigenen Guerilla-Krieg gegen den Vietcong führt. Der Auftrag von Willard besteht darin, den von der militärischen Vorgesetzten als verrückt eingestuften Kurtz zu eliminieren. Dabei setzt dieser für den Krieg der USA lediglich mit letzter Konsequenz alle ihm zur Verfügung stehenden Mittel und Methoden ein.
«Apocalypse Now» ist ein in allen Aspekten überragendes Werk. Das fängt schon bei der Produktion an. Als Vorlage diente Drehbuchautor John Milius der Roman «Heart of Darkness», in dem Joseph Conrad vor dem Hintergrund einer Expedition auf einem afrikanischen Fluss die dunkelsten Ecken der menschlichen Seele und die Folgen des Kolonialismus ausleuchtete. Weil es bereits Orson Welles nicht gelungen war, den Stoff zu verfilmen, und er von einem Dozenten an der Filmschule davor gewarnt wurde, sah Milius darin die ideale Herausforderung für sein Talent. Von der Fertigstellung des Drehbuchs bis zu den ersten Aufnahmen dauerte es dann knapp 10 Jahre und die Dreharbeiten verliefen alles andere als reibungslos.
Im März 1976 reiste Francis Ford Coppola mit seinem Filmteam nach Manila. Auf den Philippinen sollte der Film eigentlich innerhalb von fünf Monaten entstehen. Doch zuerst wurde gleich einmal der ursprünglich als Hauptdarsteller vorgesehene Harvey Keitel durch Martin Sheen ersetzt. Wenig später unterbrach ein Typhoon die Dreharbeiten und zerstörte auch einen Teil der Kulissen. Beinahe einen neuerlichen Wechsel des Hauptdarstellers erforderte der Herzinfarkt von Martin Sheen. Schliesslich sorgte auch der völlig unvorbereitet angereiste Marlon Brando für Verzögerungen. Weil auch die Nachproduktion mit sehr viel Aufwand verbunden war, entstanden bald einmal Gerüchte, dass der Film gar nie fertig wird. So entschied sich Coppola dazu, am Festival de Cannes von 1979 eine Rohfassung zu zeigen, die mit der Palme d’Or ausgezeichnet wurde.
Im Mai 2001 kehrte Coppola dann mit der um 53 Minuten verlängerten Version «Apocalypse Now Redux» nach Cannes zurück. Durch die zusätzlichen Szenen werden die eindringliche Wirkung und die unbändige Kraft des Werks noch verstärkt und die an die «Odyssee» angelehnte Struktur tritt noch deutlicher hervor. Eindrücklich und schonungslos präsentieren Coppola und Milius den Wahnsinn des Kriegs als unausweichliche Folge der menschlichen Triebe. Surf-Fanatiker Kilgore ist zwar vor allem für die Sätze «I love the smell of Napalm in the morning» und «Charlie don’t surf» bekannt, doch besonders treffend ist vielmehr die melancholisch geäusserte Bemerkung: «Someday this war’s gonna end.» In diesem Moment vermittelt er das Gefühl, dass selbst wenn die Seite von Kilgore den Krieg gewinnen sollte, das Ende der Schlachten für ihn auch eine Niederlage darstellen.
Die dominierende Figur in «Apocalypse Now» ist jedoch ganz eindeutig der von Marlon Brando unvergesslich gespielte Oberst Kurtz. Dabei taucht der überdimensionale Gigant erst in den letzten 40 Minuten des Films auf. Obschon alle Schauspieler glanzvolle Leistungen abliefern, so bleibt trotzdem in erster Linie die anziehende Ausstrahlung von Brando in Erinnerung. Durch seine treffenden Überlegungen verkörpert Kurtz zudem den moralischen Mittelpunkt des Films. In einem verrückten Krieg ohne Gesetze stellt er sich über die heuchlerischen Anschuldigungen der Kriegsführer: «As for the charges against me, I am unconcerned. I am beyond their timid lying morality, and so I am beyond caring.» Die monumentalen Leistungen der Schauspieler, die entlarvenden Diskussionen und die betörenden Bilder sorgen dafür, dass «Apocalypse Now» ohne Übertreibung als bedeutendster Kriegsfilm bezeichnet werden kann.
In der «Full Disclosure 3-Disc Edition» sind auf der ersten Blu-ray-Disc die beiden Versionen von «Apocalypse Now» in vorzüglicher Bild- und Tonqualität enthalten. In manchen der zahlreichen dunklen Szenen stört lediglich ein wenig das deutliche Rauschen, das aber womöglich durch die Reflektionen des Lichts auf den Gesichtern verursacht wird. Die hohe Auflösung kann auch nicht verhindern, dass insbesondere einige weite Einstellungen leicht unscharf sind, was vermutlich durch die erschwerten Produktionsbedingungen im feucht-warmen Klima der Philippinen zu erklären ist. Die Tonspur überzeugt nicht nur in den Kampfszenen, sondern besonders auch bezüglich der Ambiance des Dschungels (Regen, Vögel) und der Musik.
Auf einer zweiten Blu-ray-Disc sind neben dem umfangreichen bereits bestehendem Bonusmaterial ausführliche Gespräche enthalten, die Coppola 2010 mit Drehbuchautor John Milius (60 Minuten) und Martin Sheen (49 Minuten) geführt hat. Die Unterhaltung dreht sich auch wiederholt um Themen, die schon im auf der dritten Blu-ray-Disc vorhandenen Dokumentarfilm «Hearts of Darkness» behandelt werden. Die Regisseure Fax Bahr und George Hickenlooper verwendeten die von Eleanor Coppola gedrehten Aufnahmen von den Dreharbeiten, um den ultimativen Drehbericht über die Entstehung von «Apocalypse Now» anzufertigen, in dem die beteiligten Personen offenherzig über die Schwierigkeiten Auskunft geben und einige köstliche Momente enthalten sind. Zusätzlich sind der perfekten Box auch noch ein Beiheft mit einer Einführung von Coppola, ein 1979 verteiltes Kinoprogramm sowie einige Postkarten beigefügt.
Bewertung:
Bildqualität (Blu-ray):
Tonqualität (Blu-ray):
Bonusmaterial (Blu-ray):
(Bilder: © Arthaus)