Sometimes in order to heal, a few people have to get hurt.
Älter werden wir alle. Erwachsen nicht unbedingt. Es ist nämlich manchmal beruhigend, wenn man sich in eine Projektion des jugendlichen Glücks retten kann, auch wenn es sich dabei nur um eine Erfindung der eigenen Erinnerung handelt. Das macht auch die Hauptfigur aus «Young Adult», die sich schlecht damit abfinden kann, dass ihr Leben nicht ganz den Wünschen entsprechend verlaufen ist. Regisseur Jason Reitman («Up in the Air», «Juno») und Drehbuchautorin Diablo Cody («Juno») zeigen in der einfühlsamen Charakterstudie wie zerstörerisch eine solche Flucht aus der Realität sein kann.
Eigentlich hat es die 37-jährige Mavis Gary (Charlize Theron) in ihrem Leben ziemlich weit gebracht. Sie lebt in Minneapolis und schreibt Romane für Jugendliche («Young Adults»). Doch glücklich ist sie nicht wirklich. Als sie erfährt, dass ihre Jugendliebe Buddy Slade (Patrick Wilson, «Watchmen») Vater geworden ist, weiss sie endlich, was in ihrem Leben fehlt: Sie setzt sich in ihren Mini Cooper, legt eine Musikkassette mit «The Concept» von Teenage Fanclub ein und fährt in ihrem Heimatort Mercury, um Buddy aus seiner Gefangenschaft zu befreien.
In Mercury begibt sich Mavis nach ihrer Ankunft zunächst einmal in ihre frühere Lieblingsbar. Dort trifft sie auf Matt Freehauf (Patton Oswalt), der zur gleichen Zeit wie sie die High School besuchte. Sie kann sich aber erst wieder an ihn erinnern, als sie die Krücke sieht: Er war der Junge, der von einigen der sportlichen Schüler brutal verprügelt wurde, weil sie dachten, dass er schwul sei. Dem Plan von Mavis kann er nicht viel abgewinnen: «You sound like one of your crazy characters.» Von diesem negativen Urteil lässt sie sich aber nicht von ihrer Absicht abbringen, selbst nachdem sie gesehen hat, wie glücklich Buddy mit seiner Frau Beth (Elizabeth Reaser) und ihrem Kind zu sein scheint.
Mit «Young Adult» begeben sich Drehbuchautorin Diablo Cody und Regisseur Jason Reitman nach «Juno» auf vertrautes Gebiet. Die Handlung spielt wieder in einer typischen amerikanischen Kleinstadt mit austauschbaren Läden und Fast-Food-Restaurants («KenTacoHut»), die gleichsam die Vertrautheit und die Anonymität der Kleinbürgerlichkeit symbolisieren. Doch während der Schauplatz beinahe identisch ist, so könnten die Figuren nicht unterschiedlicher sein. Stand in «Juno» eine abgeklärte Jugendliche im Mittelpunkt, dreht sich nun alles um eine Erwachsene, die in ihrer Entwicklung nie richtig reif geworden ist.
Trotzdem sind auch inhaltlich zwischen «Juno» und «Young Adult» gemeinsame Motive zu entdecken. Wieder sezieren Cody und Reitman mit gnadenloser Schärfe das Gefüge der zwischenmenschlichen Beziehungen und blicken hinter die verlogenen Masken. Auch der Humor in den beiden Filmen ist ähnlich. Dennoch ist er in «Young Adult» um einiges weniger leicht zu ertragen, denn die verbitterte Autorin ist in keiner Weise so sympathisch wie die schwangere Teenagerin. Mavis verfolgt nicht nur einen fiesen Plan, sie ist nicht einmal in der Lage, ihre Situation realistisch einzuschätzen. Das führt immer wieder zu peinlichen und beschämenden Momenten.
Wie in den Romanen, die sie schreibt, verwendet Mavis die Ereignisse aus ihrem Alltag und biegt sie zu einer schmeichelhaften Fiktion um. Dabei schreckt sich auch nicht davor zuück, kitschige Liebesversprechungen von Teenagern nicht nur für ihren Roman, sondern sogar für sich selbst zu verwenden. Obschon sie eine aufmerksame Beobachterin ist, verarbeitet sie aber nur die für sie vorteilhaften Informationen und lässt sich auch nicht von den besten Ratschlägen von ihrem Weg abbringen. Doch je mehr sich Mavis ihren Mitmenschen erbarmt, umso mehr müsste eigentlich sie selbst bedauert werden.
Cody, Reitman und Hauptdarstellerin Charlize Theron sorgen dafür, dass sich die Faszination für die Figur nicht in Mitleid erschöpft. Konsequent setzen sie sich in «Young Adult» nicht nur mit den Konventionen des Lebens in der Kleinstadt auseinander, sondern reflektieren gleichzeitig die Auswirkungen der künstlichen Bilder aus Hollywood. Bis zu einem gewissen Punkt orientiert sich die Tragikomödie selbst an den üblichen Vorbildern aus Film und Fernsehen, in denen die Wünsche nach Glück in aller Regel befriedigt werden. Doch während sich im durchschnittlichen Produkt aus Hollywood die Träume der Protagonisten erfüllen, werden sie in «Young Adult» letztlich als Illusion einer durch Reality-TV verformten Fantasie entlarvt.
Fazit: «Young Adult» ist eine bissige, bisweilen geradezu schmerzhafte Satire über die Unfähigkeit, die Realität zu akzeptieren.
Bewertung:
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