Helle Flecken tanzen auf einer gelb-orangen Fläche, dazu ertönt das Zirpen von Grillen. Der Animationsfilm The Sound of Crickets von Justine Klaiber beginnt mit diesen Sinneseindrücken der Protagonistin: Ein Mädchen liegt mit geschlossenen Augen in einer sommerlichen Wiese. Regisseurin Klaiber taucht in ihrem Kurzfilm tief in die Wahrnehmung dieses Mädchens ein. So idyllisch und fröhlich wie die ersten Eindrücke erscheinen, so bedrückend erweisen sich die folgenden Momente.
Das Mädchen fängt eine Grille und bewundert sie. Stolz zeigt sie den Fang ihrer Mutter. Doch die zeigt keine Freude am Spieltrieb des Mädchens. Mit unerbittlicher Wucht schlägt sie die Grille aus der Hand. Dunkles Grau ersetzt die zuvor goldgelb strahlenden Felder. Die Unterdrückung des Freiheitstriebs des Mädchens setzt sich in der Folge fort. Eine vom Zirpen der Grillen inspirierte Melodie auf dem Klavier wird durch einen Stockschlag auf die Hände unterbrochen. Die Mutter erwartet Musik nach Noten. Eine Planscherei in der Badewanne ist ebenso verboten. Und der Griff nach dem Tennisschläger wird mit einer Ohrfeige und durch das Abschneiden der Haare bestraft.
Mit jeder Züchtigung des Mädchens ergiesst sich ein immer bedrohlicher blubberndes Grau auf ihre Seele. Schliesslich droht das Mädchen in den Demütigungen durch die Mutter zu ertrinken. Doch als es erneut eine Grille gefangen hat, nimmt es all seinen Mut zusammen und tritt mit unerschütterlichem Willen der Mutter entgegen. Im Kampf gegen den Strom einer klebrig erdrückenden Masse setzt das Mädchen seine Kräfte frei. Die Emanzipation der Tochter wird endlich akzeptiert.
Justine Klaiber hat in ihrer Bachelor-Arbeit für die Hochschule Luzern ein heikles Thema stilsicher und mitreissend umgesetzt. Die Gegensätze zwischen kindlicher Entdeckungsfreude und elterlicher Gewalt setzt die Filmemacherin durch die Kontraste von verlockend strahlenden Wiesen und einer düster umschlingenden Dunkelheit um. Die Trennlinie verläuft dabei entlang von Aussen und Innen; während die weiten goldenen Wiesen die Freiheit repräsentieren, wird die Bedrohung durch die Mutter im Haus durch kalte Grün-, Blau- und Violetttöne dargestellt. Von aussen dringen zwar immer wieder Sonnenstrahlen ins Haus, doch die Dominanz der Mutter sperrt diese Lockrufe der Freiheit konstant aus. Klaiber vermittelt durch diese Stilmittel die Gefühlswelten ihrer Hauptfigur und erlaubt dadurch sehr direkt die Wahrnehmung der Bedrohung durch die ungerechten Bestrafungen. Die 2D-Computeranimation ist durch klare Linien gekennzeichnet, die dennoch durch Unschärfen und Aussparungen im Hintergrund ein stimmungsvolles und vielschichtiges Ambiente hervorrufen.
Bewertung:
(Bilder: © Hochschule Luzern)