«Le renard et l’oisille» von Sam & Fred Guillaume

Der Fuchs ist zurück. Hungrig schleicht er durch den Wald, findet jedoch lediglich abgenagte Fischreste. Nahrung im Überfluss haben hingegen die beiden biberartigen Wesen am Fluss. Doch von ihren Fischen bekommt der Fuchs nichts ab. Stattdessen entdeckt er auf der Flucht ein blaues Ei. Als er sich beinahe daran verschluckt, schlüpft daraus ein blauer Vogel. Eine Partnerschaft entsteht. Der Fuchs füttert das Vögelchen, bringt ihm das Fliegen bei. Als Gegenleistung erwartet er Hilfe bei der Nahrungsbeschaffung. Doch die Biberwesen treiben den Fuchs und das Vögelchen in die Enge.

Die beiden Animationsfilmer Sam und Fred Guillaume bleiben auch in ihrem Kurzfilm «Le renard et l’oisille» ihrem angestammten Handwerk der Stop-Motion treu. Und wie schon in «Max & Co» (CH 2007) spielt ein Fuchs die Hauptrolle. In der Fabel vom Fuchs und dem Vögelchen setzen die Brüder Guillaume die von Hand animierten Figuren in einer naturalistischen Umgebung in Szene und kehren damit auch das Konzept ihres letzten Kurzfilms «Le conte des sables d’or» (CH 2015) um, in dem sie reale Figuren vor einer künstlichen Kulisse agieren liessen.

Für «Le renard et l’oisille» haben sich Sam und Fred Guillaume aus dem Studio begeben und dabei entdeckt, dass ihnen die Natur unendliche Strukturen bietet. Daraus haben sie märchenhafte, idyllische Landschaften für ihre Geschichte gestaltet. Ihre Figuren fügen sich nahtlos in diese Umgebung ein. Mit verspielter Leichtigkeit erzählen die Brüder Guillaume von der zärtlichen Annäherung der gegensätzlichen Gestalten in einer Welt, in der eigentlich nach dem Motto «fressen oder gefressen werden» gelebt werden muss. Doch die zauberhafte Symbiose von Fuchs und Vögelchen vermag diese evolutionstheoretische Maxime, die sich auch auf den Kapitalismus anwenden lässt, zu überwinden.

Langsam nähert sich die behutsam erzählte Geschichte ihrem Höhepunkt. In einer betörenden Szene wird die Beziehung zwischen Fuchs und Vögelchen auf die Probe gestellt. Gelingt die Überwindung der Schwerkraft oder muss es ein Opfer geben? Trotz einfachster Handlung eröffnen Sam und Fred Guillaume in ihrem Werk eine Vielzahl von möglichen Interpretationen. Die Mimik der Figuren ist ebenso reduziert wie die Handlung, die ohne Dialoge auskommt, und dennoch ist die Geschichte ausdrucksstark umgesetzt. Die Emotionen werden durch kleinste Gesten, geringfügige Veränderungen der Körperhaltung und die evokative Musik von Peter Scherer transportiert.

Fazit: Den Brüdern Guillaume ist mit «Le renard et l’oisille» ein ebenso fantasievolles wie bezauberndes Meisterwerk gelungen.

Bewertung: 6 Sterne

(Bilder: © 2018 CINE3D)

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