«Top Gun: Maverick» von Joseph Kosinski

The end is inevitable, Maverick. Your kind is headed for extinction.

Hollywood hat immer wieder Dinosaurier wiederbelebt. So erstaunt es auch nicht, dass Tom Cruise in «Top Gun: Maverick» kurz vor seinem 60. Geburtstag noch einmal in das Cockpit eines Kampfflugzeuges steigen darf. Die Fortsetzung des Navy-Werbefilms «Top Gun» aus den 80-Jahren lässt dabei das Gefühl entstehen, dass die Zeit stehen geblieben ist.

Das gelingt einerseits dadurch, dass die Eröffnungssequenz von «Top Gun» auf dem Flugzeugträger inklusive Texteinblendung wiederverwendet wird. Hollywood kann auch Recycling. Andererseits hat sich auch Hauptfigur Capt. Pete «Maverick» Mitchell (Tom Cruise) kein wenig weiterentwickelt. Er bekleidet immer noch den Rang eines Hauptmanns, während seine Altersgefährten unterdessen in der Regel als Admirale tätig sind. Als Testpilot für einen Düsenjet, der eine Fluggeschwindigkeit von Mach 10 erreichen soll, belastet Capt. Mitchell die Nerven seines Vorgesetzten. Da wird er als Instruktor an die United States Navy Fighter Weapons School berufen.

Auf der Naval Air Station North Island soll er die besten Piloten der letzten Jahrgänge auf eine tödliche Mission vorbereiten. Darunter ist auch Lt. Bradley «Rooster» Bradshaw (Miles Teller), der Sohn von Lt. (j.g.) Nick «Goose» Bradshaw, dem ehemaligen besten Freund und Waffensystemoffizier von Capt. Mitchell, der bei einem Unfall in «Top Gun» gestorben ist. Schuldgefühle und ein Vaterkomplex wie damals bei Capt. Mitchell in «Top Gun» sind schon einmal vorprogrammiert. Noch mehr Emotionen kommen ins Spiel, als Capt. Mitchell seine frühere Geliebte Penny (Jennifer Connelly) trifft, auf die in «Top Gun» als Tochter eines Admirals verwiesen wird. Ausserdem ist dieses Mal mit Lt. Natasha «Phoenix» Trace (Monica Barbaro) auch eine Frau als Kampfpilotin am Start.

Die meisten Bestandteile dieser Fortsetzung sind sehr vertraut. So entsteht zwischendurch der Eindruck, dass man sich nicht gerade eine Fortsetzung, sondern vielmehr eine Neuinszenierung (Remake) ansieht. Nun gut, anstatt Beachvolleyball wird dieses Mal Football am Strand gespielt. Ausserdem sind durchaus selbstironische Elemente enthalten. So wird Capt. Mitchell mehr als einmal darauf angesprochen, dass sein Blick für Unbehagen sorgt. Darauf kann Tom Cruise nur erwidern: «It’s the only one I got.» Ebenso wird darauf hingewiesen, dass ein Film über todesmutige Kampfpiloten nicht mehr sehr lange realistisch sein wird: «The future is coming, and you’re not in it.» In der Zukunft werden solche Missionen wohl von automatischen Waffen ferngesteuert durchgeführt.

Womit ich schon beim eigentlich absurdesten Aspekt dieses Films angelangt bin: die patriotische Mission zur Zerstörung einer Anlage zur Urananreicherung in einem «Schurkenstaat» («rogue nation»). Die Ausführung dieser Mission ist so wagemutig, dass sie im Grunde genommen als Selbstmordmission bezeichnet werden müsste, was aber natürlich im Sinne der Propaganda für die Anwerbung von abenteuerlustigen jungen Menschen tunlichst vermieden wird. Irgendwie erinnert die Mission mit dem Anflug durch eine enge Schlucht und den Abwurf von Bomben auf ein klitzekleines Ziel an den Angriff auf den Todesstern in «Star Wars IV: A New Hope». Die Inszenierung fühlt sich dann auch tatsächlich mehr wie Fantasy als Action an.

Ansonsten beweist sich Produzent Jerry Bruckheimer aber wieder einmal als Schöpfer von knalliger Massenunterhaltung. Die Drehbuchautoren (von denen einer schon mit einem Academy Award für ein wirklich herausragendes Drehbuch ausgezeichnet wurde) müssen dabei nicht einmal namentlich genannt werden, denn für vielmehr als eine Neuordnung und Neuinterpretation von bekannten Mustern sind sie gar nicht verantwortlich. Und Regisseur Joseph Kosinski hat schon mit seinem Regiedebüt «Tron: Legacy» bewiesen, dass er in der Lage ist, würdige Fortsetzungen für legendäre Originale zu inszenieren.

Fazit: «Top Gun: Maverick» ist eine kurzweilige Fortsetzung eines Klassikers, der nicht viele neue Einfälle zu bieten hat, aber wenigstens auch sich selbst nicht allzu Ernst nimmt.

Bewertung: 4 Sterne

(Bilder: © 2022 Paramount Pictures. All Rights Reserved.)

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