Wenn «The Assassination of Jesse James by the Coward Robert Ford» die eine Seite des Gesetzes im Western abdeckt, dann übernimmt «Wyatt Earp» die andere Seite. Die Auseinandersetzung mit dem Mythos des unantastbaren Gesetzeshüters erfolgt dabei ebenso vielschichtig. Zumeist sehr trocken und trotzdem majestätisch wird das Leben des legendären Sheriffs in aller Breite geschildert.
Eine der Stärken des Films liegt in der ungeschminkten Darstellung des Lebens im «Wilden Westen». Da stehen sich ziemlich früh zwei Kontrahenten in einem Duell nicht etwa an entgegengesetzten Enden von einer Strasse gegenüber, sondern keine zehn Meter voneinander entfernt. Am Schluss sterben beide Schützen an Schusswunden, aber nicht im Kopf oder Herz, sondern im Bauch und am Bein. Der junge Wyatt Earp (Ian Bohen) muss sich da zuerst einmal übergeben. Weil nicht jeder Schuss ein Treffer ist, liegt nebenan auch noch ein angeschossenes Pferd, das dann in der Totale den Gnadenschuss erhält.
Der Film profitiert auch von der klaren Struktur. Die erste halbe Stunde erzählt, wie sich Wyatt Earp (Kevin Costner) in den Westen verliebt, bevor er dann in der zweiten halben Stunde in der Zivilisation von Lamar, Missouri, seine andere grosse Liebe heiratet. Seine erste Frau Urilla Sutherland (Annabeth Gish) stirbt jedoch an Fleckfieber. So kehrt Earp mit gebrochenem Herzen der Zivilisation den Rücken zu und kehrt in den Westen zurück. Dort landet er zuerst wegen Pferdediebstahl im Gefängnis, bevor er sich als Büffeljäger wieder eine Existenz aufbaut.
In der zweiten Stunde folgt dann der durch mehrere Rückschläge gekennzeichnete Aufstieg zum gleichsam geachteten wie auch gehassten Gesetzeshüter. In dieser Zeit kommt er auch wieder mit seinen Brüdern Jim (David Andrews), Virgil (Michael Madsen) und Morgan (Linden Ashby) zusammen. Auch Doc Holliday (Dennis Quaid) ist eine der Bekanntschaften, die er in der Zeit zwischen Wichita, Dodge City und Tombstone schliesst. Hier beginnt sich der Film eigentlich erst mit den wirklichen Themen des Westerns auseinander zu setzen, allerdings noch auf einer sehr theoretischen Ebene. Die Art und Weise, wie Earp und seine Brüder das Getz durchsetzen, wird häufiger hinterfragt, als es sonst in diesem Genre üblich ist.
Im dritten Akt, der letzten Stunde, schaltet Regisseur Lawrence Kasdan dann endgültig in den epischen Erzählmodus. Eingeleitet wird dieser Abschnitt mit der Schiesserei am O.K. Corral. Diese blutige Auseinandersetzung wird aber sehr kurz gehalten. Stattdessen konzentriert sich Kasdan dann auf die spannungsgeladenen Folgen. Die Earps werden zuerst vor Gericht gezerrt, bevor sie sich gegen die Cowboys der McLaurys und Clantons fast im Alleingang zur Wehr setzen müssen.
Dazwischen wird immer wieder das Verhalten von Earp zu seinen weiblichen Bekanntschaften, wie auch die Position der Frauen seiner Brüder im Familiengefüge angesprochen. Von ihren Vater (Gene Hackman) ist den Earps eingebläut worden: «Nothing counts so much as blood. The rest are just strangers.» So müssen die Frauen ständig und meist erfolglos für ihre Rechte kämpfen.
Musste der Film wegen der Länge von über drei Stunden auf der DVD noch auf zwei Seiten verteilt werden, findet er nun auf der Blu-ray-Disc auf einer Seite Platz. Die Bildqualität ist vorbildlich. Einzig in den wenigen dunklen Sequenzen muss ein geringfügiges Rauschen beklagt werden. Dafür entschädigt das Glänzen in den Augen der Protagonisten.
Das in mittelmässiger Standardauflösung enthaltene Bonusmaterial ist identisch mit demjenigen auf der vor vier Jahren veröffentlichten DVD. Die beiden Dokumentationen «It Happened That Way» (14 Minuten) und «Wyatt Earp: Walk With a Legend» (22 Minuten) über epische Filme aus Hollywood sind eher belanglos. Einige der elf entfallenen Szenen (18 Minuten) sind hingegen sehenswert und hätten durchaus in den Film eingefügt werden dürfen.
Film:
Bild-/Tonqualität (Blu-ray):
Bonusmaterial (Blu-ray):
(Bilder: ©Warner Home Video)