So zuverlässig wie eine Schweizer Uhr liefert Woody Allen jedes Jahr einen Film ab. Da kann es durchaus vorkommen, dass ich einen davon im Kino verpasse. Anfang 2008 war «Cassandra’s Dream» nur so kurz in den Deutschschweizer Kinos, dass ich dieses delikate Drama nun auf DVD nachholen musste. Gelohnt hat es sich allemal. Entspannt und schwungvoll erzählt Allen die Geschichte von einer tragischen Familienbande.
Ian (Ewan McGregor) und Terry (Colin Farrell) sind Brüder. Sie wissen was sie wollen, nur wie sie es bekommen, ist nicht so ganz klar. Ian arbeitet im Restaurant seines Vaters, würde aber lieber in Hotels in Kalifornien investieren. Nur das Geld dazu fehlt ihm. Terry hofft auf eine Glückssträhne bei seinen Wetten auf Rennhunde und Pokerspielen. Doch stattdessen schuldet er bald 90’000 Pfund. Da kommt der reiche Onkel Howard (Tom Wilkinson) zu Hilfe. Er verlangt aber eine Gegenleistung.
Howard befürchtet, dass ein Geschäftspartner wegen illegalen Vorgängen gegen ihn aussagen könnte. Daher soll er aus dem Weg geräumt werden. Schliesslich will Howard nicht den Rest seiner Tage im Gefängnis verbringen. Wer kommt für diesen Auftrag besser in Frage als seine Blutsverwandten. Die werden nicht nur finanziell für die schmutzige Arbeit entschädigt, sondern sind auch noch durch die Beziehung zu Verschwiegenheit verpflichtet. Begeistert sind die Brüder zwar nicht, aber Ian sieht seine grosse Chance.
Das Drehbuch von Allen setzt nicht wirklich auf Spannung, sondern richtet seinen Blick vielmehr auf die psychologischen Auswirkungen. Die Brüder gehen nämlich ganz unterschiedlich mit der Situation um. Herrlich ist die Rationalisierung von Ian: «If we we’re in the army, we’d be expected to kill strangers everyday to profit men who are up to here in corruption.» Wenn sie in der Armee wären, würde von ihnen erwartet, dass sie jeden Tag fremde Menschen ermorden, um Männer zu bereichern, die bis über den Kopf in Korruption stecken. Was ist da schon ein kleiner Mord für einen reichen Verwandten, der sich in einer Notlage befindet.
Wie der Titel schon vermuten lässt, orientiert sich Allen für seine Erzählung an der Tradition der griechischen Tragödie. Apollo schenkte der schönen Kassandra die Gabe der Vorsehung. Da sie jedoch die Liebe nicht erwiderte, verfluchte er sie, so dass niemand mehr an ihre Prophezeiungen glaubte. Man muss nicht einmal Wahrsager sein, um die Folgen von Terrys und Ians Taten zu erahnen, die dann einen davon bis in seine Träume verfolgt.
Die Diskussion über die Vorherbestimmung darf natürlich auch nicht fehlen. Die Protagonisten handeln tatsächlich so ahnungslos, dass ihnen kaum freier Wille zugesprochen werden darf. Sie lassen sich treiben und handeln erst, als die Lage schon aussichtslos ist. Eifersucht ist dabei ebenso selbstverständlich wie Mord. Die Figuren weisen auch selbst darauf hin, dass es sich bei einem im Film aufgeführten Theaterstück um ein moralisches Stück handelt – über das Böse und das Schicksal. Diese Aussage lässt sich so auch auf den Film anwenden.
Erwähnt wird auch, dass der Autor (vom Theaterstück im Film) sehr pessimistisch sei. Wer die Komödien von Allen kennt, muss nun selbst beurteilen, ob das auch auf den Drehbuchautoren zutrifft, ob auch für ihn das Leben ein tragisches Erlebnis ist. So elegant und schlüssig habe ich auf jeden Fall in letzter Zeit selten Filmfiguren beim Absturz in ihr Verderben beobachten können. McGregor und Farrell sind wunderbar. Daneben treten auch noch Sally Hawkins («Happy-Go-Lucky») als Freundin von Terry und die bezaubernde Hayley Atwell als verlockende Schauspielerin auf.
Bild- und Tonqualität der DVD sind solide. Bonusmaterial ist nicht enthalten.
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(Bild: ©Frenetic)