Ich halte nicht viel von Boxen oder Ringen. Noch weniger von Wrestling. Diese Mischung aus Sport und einem Theater der Grausamkeiten, in der sich die Gegner vor dem Kampf absprechen und der Sieger für gewöhnlich auch schon vorher feststeht, ist mir äusserst fremd. Darren Aronofsky hat nun mit seinem Meisterwerk «The Wrestler» mein Bild von dieser Sportart zum Teil bestätigt, aber auch ein wenig revidiert.
Das ist nicht zuletzt der Verdienst von Hauptdarsteller Mickey Rourke, der mit aufopferndem Vollkörpereinsatz Randy «The Ram» Robinson spielt. In den 80er-Jahren war Randy die Hauptattraktion und füllte die Arenen. 20 Jahre später sind die ruhmreichen Zeiten weit entfernt. Randy steigt zwar immer noch jede Woche in den Ring und wird von Kollegen und Fans weiterhin geachtet, doch seine Auftritte erfolgen in glanzlosen Turnhallen und Gemeinschaftszentren, manchmal vor halb leeren Rängen.
Doch Randy denkt nicht an einen Rücktritt. Die Alternativen sind für den ungelernten Sportler auch nicht gerade verlockend. Gestelle auffüllen oder nervende Kunden bedienen entspricht ganz bestimmt nicht seinen Vorstellungen von einem erfüllten Leben. Er ist mit ganzem Herzen ein Wrestler und seine Fans sind sein Lebenselixier. Das liegt auch daran, dass der Einzelgänger nur mit Mühe Kontakte zu anderen Menschen aufbaut. Seine beste Freundin ist die Stripperin Cassidy (Marisa Tomei), die eigentlich keine privaten Gespräche mit Kunden führen darf. Seine Tochter Stephanie (Evan Rachel Wood) hasst ihn, weil er sich nie gemeldet hat.
Ungekünstelt und ungeschminkt wird in «The Wrestler» das Leben von Aussenseiter Randy geschildert. Aronofsky verzichtet dafür auf die kunstvollen Kameraeinsätze, die er für «Requiem for a Dream» und «The Fountain» noch verwendet hat. Für gewöhnlich ist er seinem Protagonisten durch den Einsatz der Handkamera von Kamerafrau Maryse Alberti dicht auf den Fersen. Dadurch entsteht fast schon der Eindruck von einem Dokumentarfilm.
Obschon «The Wrestler» in erster Linie eine Charakterstudie ist, sind die Aufnahmen nichts für feinfühlige Gemüter. In der ersten Hälfte werden die Kämpfe regelrecht ausgeschlachtet. Diese Bezeichnung trifft vor allem auf den zentralen Kampf zu, in dem sich Randy und sein Gegner mit Stacheldraht, Bostitch und anderen Gerätschaften malträtieren. Die Kampfeinlagen mögen zwar wegen den Absprachen fiktiv sein, die Schmerzen sind hingegen äusserst real.
Das zeigt auch eine Szene zwischen Cassidy und Randy. Sie stichelt, dass die Kämpfe sowieso nur gefälscht sind. Als er ihr daraufhin seine zahlreichen Wunden zeigt, zitiert sie einen Bibelvers: «But he was pierced for our transgressions, and by his wounds we are healed.» Das Zitat stammt allerdings nicht direkt aus der Bibel, sondern aus ihrer Erinnerung an «The Passion of the Christ» von Mel Gibson. Durch diesen gewagten Vergleich von Randy mit Jesus wird indirekt auch Hollywood mit Wrestling in Verbindung gebracht.
«The Wrestler» ist aber nicht einfach eine eindringliche Betrachtung der Wrestling-Szene. Das wirkungsvoll konstruierte Drehbuch von Robert Siegel enthält auch ausreichend Humor und vor allem viel Menschlichkeit. Der Umgang der Wrestler untereinander ist geprägt von Respekt, und Mickey Rourke verleiht seiner scheinbar so simplen Figur eine vielschichtige, zerbrechliche Gefühlswelt. Wenn der muskelbepackte Randy in seinen Erwartungen und Hoffnungen enttäuscht wird, leidet das Publikum noch viel stärker als bei den Szenen im Ring.
Fazit: «The Wrestler» ist eine packende Charakterstudie, die durch einen grossartigen Hauptdarsteller und eine kluge Erzählung begeistert.
Bewertung:
(Fotos: ©Frenetic Films)