Als Marc Forster zum Regisseur von «Quantum of Solace» bestimmt wurde, war die Schweizer Presse begeistert. Manche Filmjournalisten erwarteten vermutlich sogar, dass Forster ein wenig vom künstlerischen Ausdruck seiner bisherigen Filme in die Filmwelt des Geheimagenten bringen würde – gewagte Schnitte, verschachtelte Erzählung oder komplexe Emotionen. Als er dann «nur» einen sackstarken, knallharten Actionfilm ablieferte, verwandelte sich die Begeisterung teilweise in Ablehnung.
Forster holte 007 noch stärker ins 21. Jahrhundert, wo Bond nicht nur von Bösewichten, sondern sogar von seinen eigenen Verbündeten (CIA) gejagt wird. Nicht einmal die eigene Regierung bietet ihm Rückendeckung: «If we refuse to do business with villains, we’d have almost no one to trade with.» Der Verzicht auf Gadget-Meister Q und geschüttelte Martinis störte manchen Zuschauer ebenfalls. Da tatsächlich tief in das Seelenleben von Bond geblickt wurde (ob überzeugend oder nicht sei hier dahingestellt), entfernte sich Forsters Bond noch weiter von den verspielt bunten Vorgängern.
Einige Schreiber fühlten sich durch die Entfernung vom gewohnten Bond-Mythos wohl derart gekränkt, dass sie regelrechte Schmähkampagnen gegen den Geheimagenten ihrer Majestät inszenierten. Dabei hat Marc Forster mit «Quantum of Solace» ein würdiges und packendes Bond-Abenteuer abgeliefert, das in kompakter Form die richtige Mischung aus überwältigender Action, verzaubernder Exotik und trockenem Humor enthält.
Überall haben also CIA und der britische Geheimdienst MI6 ihre Finger im Spiel, überwachen Gespräche und manipulieren Regierungen. Doch kann es eine Organisation geben, die noch mächtiger ist? Als James Bond (Daniel Craig) und seine Vorgesetzte M (Judi Dench) endlich den gesuchten Verbrecher Mr. White (Jesper Christensen) verhören, kann dieser über die Ahnungslosigkeit der Geheimagentur nur lachen. In «Quantum of Solace» sind die gefährlichsten Gegner von 007 ohne Gesichter – zumindest einige davon.
Durch etliche Zufälle stösst Bond auf den Geschäftsmann Dominic Greene (Mathieu Amalric, «Le scaphandre et le papillon»). Der verhandelt gerade auf Haiti mit einem bolivianischen General über die Bedingungen für den politischen Umsturz im südamerikanischen Land. Als Gegenleistung fordert Greene lediglich ein scheinbar wertloses Stück Wüste. Was steckt dahinter? Erdöl? Edelsteine? Nein, ein noch viel wertvolleres Gut.
Da die Regierungen der USA und von Grossbritannien ebenfalls an diesem Geschäft verdienen, steht Bond schnell auf der Abschussliste. Wie es eben der britische Aussenminister so schön ausdrückt: «Wenn wir auf Geschäfte mit Bösewichten verzichten, gibt es fast keine Handelspartner mehr.» So kann sich Bond auch nicht mehr auf die Unterstützung durch M verlassen («When you can’t tell your friends from your enemies, it’s time to go»), sondern muss auf eigene Faust die krummen Geschäfte verhindern.
Schon in «Casino Royale» wurde Bond mehrmals getäuscht. In «Quantum of Solace» findet er nun kaum mehr vertrauenswürdige Verbündete. Dann möchte er sich auch noch am Mörder von Vesper rächen. Da auch noch eine dunkelhaarige Schönheit (Olga Kurylenko) mit dem bolivianischen General eine offene Rechnung hat, dreht sich der 22. offizielle Bond ganz um Verrat, Vergebung und Vertrauen. Die ruhigeren Momente, die überhaupt Zeit für Reflektionen darüber lassen, folgen aber erst in der zweiten Hälfte des Films.
Zuvor hetzt der Davoser Regisseur Marc Forster seinen schlaflosen Protagonisten kreuz und quer über den Globus, von einer explosiven Szene zur nächsten. Siena, London, Haiti und dann noch Bregenz sind die ersten Stationen. Auf der Seebühne der Vorarlberger Landeshauptstadt wird dann der grandiose Höhepunkt von «Quantum of Solace» gespielt. In Kombination von «Tosca» auf der Bühne, der Konfrontation zwischen Bond und Greene dahinter sowie Informationen aus der Zentrale in London steigert sich hier die Bild- und Tonfolge in ein furioses Feuerwerk. Meisterhaft.
Danach vertieft der zweite Teil in Bolivien (gedreht in Panama, Chile und Mexiko) die Emotionen, ohne dabei auf intensivste Actionszenen zu verzichten. Dabei begnügt sich der aktuelle Bond mit einer Laufzeit von wenig mehr als 100 Minuten – mit Abstand der kürzeste Bond aller Zeiten. Trotzdem bleibt noch genügend Zeit für einen feurigen Endkampf, der auch die Schweizerdeutschen Zeilen von unserem Schweizer Bösewicht Anatole Taubman wieder aufnimmt: «Scho chli heiss da.»
Heiss sind auch Bild- und Tonqualität der Blu-ray-Disc. Daran gibt es wirklich nichts auszusetzen. Das eher mägerliche Bonusmaterial lässt hingegen bereits erahnen, dass auch von diesem Bond bald noch eine weitere Blu-ray-Disc erhältlich sein wird. Mengenmässig sind die gut 80 Minuten dauernden Extras zwar nicht zu verachten, inhaltlich gibt es aber viele Wiederholungen und die Bildqualität der «Crew Files» (45 Minuten) ist trotz HD nicht gerade berauschend.
Die «Special Edition»-DVD ist mit dem identischen Bonusmaterial ausgestattet. Wer aber auf überzeugendes und vollständiges Bonusmaterial Wert legt, wartet noch ein Jahr auf die «Deluxe Edition». Wer sich vor allem für den Film interessiert schlägt schon jetzt zu. (Oder wartet noch ein Jahr, bis die jetztigen Versionen günstiger werden.)
Bewertung:
Bild-/Tonqualität (Blu-ray):
Bonusmaterial (Blu-ray):
(Bilder: ©Sony)
Ich kann nur zustimmen: Nach den diversen Verrissen ging ich ohne grosse Erwartungen ins Kino, und der erste Teil mit den hektisch geschnittenen Verfolgungsjagden schien meine Befürchtungen zu bestätigen. Doch je länger der Film dauerte, umso stärker wurde er, um am Schluss hat er mir richtig gut gefallen, besser sogar als «Casino Royale», der am Ende – wie von dir erwähnt – doch deutlich nachlässt.