«The Boat That Rocked» von Richard Curtis

«The Boat That Rocked»

Manche Filme sträuben sich irgendwie regelrecht gegen eine Besprechung. Wo soll ich anfangen, was erwähnen, wie abschliessen? Das sind Fragen, auf die ich bei manchen Filmen nur schwer eine Antwort finde. «The Boat That Rocked» von Drehbuchautor und Regisseur Richard Curtis ist ein solcher Film. Er besteht aus vielen gelungenen Komponenten, fügt sich aber nicht wirklich zu einer genussvollen Einheit zusammen. Ähnlich fühlt sich dieser Text an. Vielleicht passt das auch.

Zum Auftakt ein kurzer Ausflug in die Schweizer Mediengeschichte. Allerdings nur als Einstieg: Lange bevor nämlich Roger Schawinski 1979 vom Pizzo Groppera in Oberitalien aus mit dem Piratensender Radio 24 für die Einführung von Privatradios kämpfte, sorgten wirkliche Piratenradios in Grossbritannien für Aufregung. In den 60er-Jahren blühte dort die Rockmusik so richtig auf.

Doch das staatliche Radio BBC sendete lediglich 45 Minuten Popmusik pro Tag. Aus diesem Grund sendeten einige unerschrockene Musikliebhaber von Schiffen in der Nordsee ihre bevorzugte Musik über die Funkwellen. Von einem solchen Piratensender handelt die Dramödie «The Boat That Rocked». Erzählt wird das ganze aus der Perspektive des jungen Carl (Tom Sturridge), der gerade von der Schule geflogen ist. Nun soll er auf dem Boot von Radio Rock das Leben kennenlernen.

Besitzer der maritimen Radiostation ist sein Götti Quentin (Bill Nighy). Angeführt wird die fast ausschliesslich männliche Radio-Crew vom Amerikaner The Count (Philip Seymour Hoffman, «Almost Famous»). In der britischen Regierung setzt derweil Minister Dormandy (Kenneth Branagh) alle Hebel in Bewegung, um die ungeliebten Piratensender abzuschalten. Als es ihm durch das Verbot von Werbung gelingt, den Geldhahn abzudrehen, holt Quentin einfach die Legende Gavin (Rhys Ifans) auf sein Boot und die Finanzen sind wieder gesichert. Allerdings kommt es nun zu Reibereien zwischen The Count und Gavin.

So plätschert die Handlung von «The Boat That Rocked» vor sich hin. Eingestreut sind auch noch einige Frauenbesuche auf dem Boot und der zwischendurch ziemlich verzweifelte Versuch von Carl, seinen wahren Vater ausfindig zu machen. Richard Curtis, der als Drehbuchautor nicht nur für den Klassiker «Four Weddings and a Funeral» verantwortlich zeichnet, sondern auch für zahlreiche Episoden von «The Black Adder» und «Mr. Bean», wagt sich nach seinem Regiedebüt «Love Actually» mit dieser Mischung aus Drama und Komödie also in tiefere Gewässer. Und versinkt dabei beinahe.

Gleich in der ersten Szene ist zu erkennen, woher die Faszination des Regisseurs für die Piratenradios stammt. Ein Knabe schleicht sich mit einem Empfänger ins Bett und hört durch das Kopfkissen die leicht nach Rebellion klingende Musik. So muss auch Curtis diese Periode erlebt haben. In solchen Momenten fängt Curtis immer wieder zauberhaft das Lebensgefühl zwischen Revolution und Freiheit ein. Doch dann drängt sich immer wieder die Handlung vor. Wieso eigentlich? Durch die erstklassige Musik und die ausgelassene Atmosphäre wird doch bereits eine unwiderstehliche Stimmung geschaffen.

So wie jedoch meinem Text vermutlich ein Drang zum Fazit anzumerken ist, so lässt sich in «The Boat That Rocked» ein unausweichlicher Zwang zur Erzählung erkennen. Dadurch wird das Lebensgefühl kanalisiert und abgewürgt. Dennoch lässt sich der Film geniessen. Schliesslich ist die Besetzung hervorragend. Auch über den übereifrigen Minister musste ich immer wieder (zu laut) lachen, obschon Branagh aus ihm eine reine Karikatur eines Politikers macht und ebenfalls den Gesamteindruck des Films trübt. Witzig ist er trotzdem.

Die Auswahl der Musik, ein Kernstück eines solchen Films, ist beinahe unfehlbar. Zwischendurch drängt sich schon fast die Frage auf, ob alle diese tollen Musikstücke tatsächlich schon Ende der 60er-Jahre existierten. Haben sie scheinbar. So bleibt nur die letzte unbeantwortbare Frage: Wieso setzt Curtis in der entscheidensten Szene ausgerechnet ein klassisches Musikstück ein, «Nimrod» aus den «Enigma Variations» von Edward Elgar?! Ein grandiose Komposition. Aber an dieser Stelle wiederspricht sie der Grundaussage des Films.

Fazit: «The Boat That Rocked» ist ein charmanter, kurzweiliger Ausflug in die 60er-Jahre, der jedoch ziemlich ziellos zu verschiedene Konventionen befriedigen möchte.

Bewertung: 4 Sterne

(Fotos: ©Universal Pictures)

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