I was engineered.
Heute Abend wird es feucht auf der Piazze Grande – unabhängig von der Wetterprognose. Programmiert ist nämlich die Tragikomödie «My Sister’s Keeper», in der sich ein Mädchen dagegen wehrt, von den Eltern als Ersatzteillager für ihre kranke Schwester missbraucht zu werden. Hört sich zu tragisch an, um auch komisch zu sein? Das habe ich auch erwartet, aber irgendwie bringt es Regisseur Nick Cassavetes fertig, dass Herz und Humor über weite Strecken im Einklang sind.
Die 11-jährige Anna Fitzgerald (Abigail Breslin) wurde von ihren Eltern Sara (Cameron Diaz) und Brian (Jason Patric) aus einem einzige Grund gezeugt: weil ihre ältere Schwester Kate (Sofia Vassilieva) an der eher seltenen Krebsform Promyelozytenleukämie leidet. Seit ihrer Geburt dient nun Anna als Lieferant von Blut, Knochenmark und anderen Körperteilen. Als sie auch noch eine Niere spenden soll, wendet sie sich an den Anwalt Campbell Alexander (Alec Baldwin), um sich von ihren Eltern medizinisch zu emanzipieren und das Recht auf ihren Körper zu verlangen.
Die Klage gegen die Eltern setzt die ohnehin schon unter Spannungen leidende Familie noch stärker unter Druck. Die Mutter kämpft wie eine Löwin um das Leben von Kate. Der Vater hat dazu schon lange nichts mehr zu sagen. Kate unterzieht sich den Behandlungen weniger aus eigener Überzeugung, als vielmehr um die Mutter nicht zu enttäuschen. Über Anna wird ohne ihre Einwilligung entschieden. Und dann ist da noch der Bruder Jesse (Evan Ellingson), der in dieser Situation völlig untergeht.
Da wird also schon einmal ordentlich dick aufgetragen. Als wenn das nicht schon genug wäre, kommt der Fall vor eine Richterin (Joan Cusack), deren Tochter bei eine Autounfall von einem betrunkenen Fahrer getötet wurde. Kate verliebt sich zudem in den ebenfalls an Krebs erkrankten Taylor (Thomas Dekker). Und der scheinbar ohne wirklich erklärbares Motiv handelnde Anwalt Alexander hat auch noch ein Geheimnis, das den Kitschfaktor gleich noch einmal deutlich erhöht.
Der Apfel fällt manchmal also wirklich weit vom Stamm. Regisseur Nick Cassavetes, der zusammen mit Jeremy Leven das Drehbuch geschrieben hat, ist der Sohn von Gena Rowlands und Regie-Legende John Cassavetes, die Ende der 60er-Jahre prägende Mitbegründer des unabhängigen Kinos in den USA waren. Rau, unzimperlich und realistisch waren die Emotionen in ihren Filmen («Faces», «A Woman Under the Influence»). Die ersten beiden Filme von ihrem Sohn Nick waren in gewisser Weise noch ähnlich. Spätestens seit «John Q» (auch ein Film über eine Transplantation) bewegt sich Nick Cassavetes jedoch mehr im Bereich des Melodramas.
Auch in «My Sister’s Keeper» sind die Emotionen deutlich überhöht, die Konstellation und Ausgestaltung der Figuren zu konstruiert auf höchstmögliche Betroffenheit angelegt. Der Film mit den vielen Erzählstimmen konzentriert sich dann auch weniger auf die ethischen Überlegungen hinter der Zeugung und dem Missbrauch von Anna als vielmehr auf die emotionalen Auswirkungen auf die Familie. Bis kurz vor Schluss funktioniert diese Gefühlspornografie beinahe einwandfrei. Durch sorgfältig eingestreuten, zarten Humor wird eine Balance zwischen Ernsthaftigkeit und Lebenslust hergestellt.
Erst am Ende bricht dieses Gleichgewicht unter der Last von immer weinerlicheren Szenen zusammen. Immerhin wurde das noch schmalzigere Ende aus der Vorlage von Jodi Picoult abgeändert. Nicht ganz im Einklang mit der betrüblichen Handlung steht eigentlich auch die an und für sich wunderbare Hochglanzinszenierung. So ergibt sich ein äusserst seltsames Gemisch, dass durch seine Manipulation befremdet, aber dennoch irgendwie befriedigt und schluchzend genossen werden kann. Für Zyniker ganz bestimmt nicht empfohlen.
Fazit: «My Sister’s Keeper» ist ein unverschämt rührseliges, hübsch inszeniertes Melodrama.
Bewertung:
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