In Afrika gibt es immer Schwierigkeiten.
Was sind die ersten Stichworte, die im Zusammenhang mit Afrika einfallen? Hunger, Aids und Waisen gehören sicher dazu. Das sind dann auch die dominanten Themen im Drama «Baba’s Song» von Wolfgang Panzer, das heute in Locarno in der Sektion «Ici et Ailleurs» seine Weltpremiere feierte. Armut, Korruption und Krieg werden auch häufig erwähnt. Aber das ganze Elend wird durch die Lebensfreude der Musik aufgewogen.
Im Zentrum steht Baba (Sila Bakali), ein Junge aus Malawi, dessen Mutter gleich zu Beginn an Aids stirbt. In seinem kleinen Dorf besteht kein Bedarf an weiteren Waisenkindern, die gefüttert werden müssen. So wird er fortgeschickt und landet in einem Waisenhaus. Der Heimleiter (Gilles Tschudi) will Baba an Paula (Franka Potente) und ihre Partnerin (Sabina Schneebeli) nach Europa verkaufen. Die sind nach Malawi gekommen, um einen anderen Jungen abzuholen. Doch der ist eben erst gestorben.
Der Heimleiter («In Afrika sind wir grösser als der Papst») bietet den beiden Frauen daher den ähnlich aussehenden Baba an. Das erspart das mühsame Ausfüllen von neuen Papieren und Formularen. Doch Baba flieht. In einem Flüchtlingslager trifft der seit dem Tod seiner Mutter kein Wort mehr sprechende Baba auf den äusserst gesprächigen Jo (Joseph Pamfo), der aus Liberia geflohen ist. Gemeinsam machen sie sich auf den Weg in die Stadt Blantyre, wo sie sich als Strassenmusikanten einer Gruppe anschliessen.
Am Tag unterhalten sie mit ihrer Musik die Touristen in den Hotels, am Abend muss die Freundin des Gruppenführers als Prostituierte Geld anschaffen. Immer wieder kreuzen sich die Wege von Baba auch mit Ben Michael, dem grössten Musikstar des Landes. Ben Michael ist vom kleinen Jungen fasziniert und will ihm helfen. Doch die eigene Vergangenheit droht Baba einzuholen. Beim gemeinsamen Auftritt mit Ben entdeckt der Heimleiter Baba wieder und will ihn sofort mitnehmen.
Wie ist Wolfgang Panzer bloss auf die Idee gekommen, einen Film in Malawi zu drehen, einem kleinen Binnenstaat im Südosten Afrikas? Der im München geborene Filmemacher wurde vor Jahren vom Schauspieler Thom Chibambo aus Malawi kontaktiert, der erfahren wollte, wie eine Fernsehserie produziert wird. Nachdem Chibambo Sponsoren für sein Projekt gefunden hatte, reiste Panzer 2003 nach Malawi, um die erste malawische Fernsehserie, «Mama’s Restaurant» ins Leben zu rufen. Dabei entdeckte er den jungen Musiker Sila Bakali auf der Strasse mit seinem selbstgebauten Schlagzeug. Aus dieser Begegnung entstand die Idee zu «Baba’s Song».
Regisseur und Drehbuchautor Wolfgang Panzer zeigt den Alltag in Malawi so, wie er wahrscheinlich ist. Wie er im Presseheft erklärt, liess er sich von den Zuständen im Land inspirieren: «In Malawi ist man täglich in Kontakt mit all den grossen und kleinen Problemen, die das Überleben in diesem Land mit sich bringt, vordringlich dem Hunger und Aids. Generationen wachsen ohne familiäres Umfeld heran, ohne die in Afrika lebenswichtige Einbindung in eine Dorfgemeinschaft. Es hat mich interessiert, die Geschichte eines solchen Kindes zu erzählen, den Verlust der Eltern, das Dorf, das ihn abweist, das Waisenhaus, das Leben auf der Strasse, und der Entschluss, sein Leben selbst in die Hand zu nehmen.»
An Authentizität mangelt es dem Drama ganz bestimmt nicht. Aber obschon die Inszenierung sehr real wirkt, wird der Alltag dennoch irgendwie romantisiert. Gefahr besteht für die beiden Hauptfiguren nämlich nie wirklich, auch wenn sie an Schmuggler, Zuhälter oder korrupte Polizisten geraten. Ein wenig Musik und schon ist das Leben wieder in Ordnung. Die Geschichte ist auch völlig überladen, als ob jedes einzelne Problem des Landes angesprochen werden muss. Da wird dann auch einmal nicht aus Notwendigkeit geklaut, sondern einfach, weil sich die Gelegenheit dazu geboten hat. Und wenn das Leben von Baba nicht schon tragisch genug wäre, muss auch mehr als eine Person an Aids sterben.
Einen negativen Eindruck hinterlassen aber vor allem die ungeübten Schauspieler. Während Sila Bakali noch wenig Mühe bekundet, den beinahe katatonischen Baba zu spielen, hat Joseph Pamfo sichtlich Mühe mit den vielen Dialogen. Entweder denkt er die ganze Zeit angespannt an die nächste Zeile oder dann improvisiert er einfach ziemlich orientierungslos. Schmerzhaft schlecht ist zudem die deutsche Synchronisation von Gilles Tschudi, Franka Potente und Sabina Schneebeli, die ihre Dialoge für die internationale Version vermutlich auf Englisch gesprochen haben. Die Nachsynchronisation ist nun alles andere als Lippensynchron und lässt auch die passende Atmosphäre vermissen.
Hervorragend ist allerdings die Musik, für die hauptsächlich Ben Michael Mankhamba verantwortlich ist. Auf der Tonspur sind auch zahlreiche populäre Musiker aus Malawi und natürlich Sila Bakali zu hören. Der junge Hauptdarsteller hat tatsächlich eine wunderbare Stimme.
Fazit: «Baba’s Song» ist eine einfache und auch etwas einfältige Geschichte über das Schicksal von Afrika.
Bewertung:
(Bild: ©Vega Distribution)